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01. Juli 2012, 17:56 Uhr

Verwüstetes Weltkulturerbe in Mali
Islamisten verhöhnen die Unesco

"All dies ist Sünde": Mit Spitzhacken und Kalaschnikows ziehen Islamisten durch Timbuktu und zerstören ein bedeutsames Grabmal nach dem anderen. Die Mausoleen der Stadt im Norden Malis zählen zum Weltkulturerbe. Die Staatengemeinschaft ist empört - und wird von den Radikalen noch verspottet.

Timbuktu - Der Wahnsinn geht weiter. Am Samstag zerstörten islamistische Rebellen in der Welterbestadt Timbuktu im Norden Malis drei bedeutsame Mausoleen. Am Sonntag griffen sie erneut zu Spitzhacken und Meißeln und setzten ihr Werk fort - ungeachtet weltweiter Proteste.

Die Täter gehören zur islamistischen Rebellengruppe Ansar Dine. Sie sehen in der Verehrung von Heiligen und ihren Grabmälern durch die örtliche vom Sufismus geprägte Bevölkerung einen Verstoß gegen den Islam. Der verbiete es Gläubigen, Götter neben Allah zu verehren. Den Sufismus - eine besondere Strömung des Islam - lehnen die Glaubenskrieger vehement ab. Nach Angaben von Augenzeugen haben sie bisher mindestens vier Mausoleen eingerissen.

Insgesamt gibt es in Timbuktu 16 Heiligengräber in der charakteristischen Lehmbauweise, die gemeinsam mit den drei großen Moscheen der Stadt seit 1988 zum Weltkulturerbe zählen. Die rund tausend Kilometer nordöstlich von Malis Hauptstadt Bamako gelegene Stadt am Rande der Sahara wird auch "Perle der Wüste" genannt. Sie war zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert von Tuareg-Stämmen gegründet worden, entwickelte sich zu einem geistigen Zentrum des Islam und beherbergt Tausende historische Manuskripte.

"Was ist die Unesco?"

Innerhalb weniger Stunden sind bereits am Samstag die Grabstätten der Heiligen Sidi Mahmud, Sidi Moctar und Alpha Moya dem Fanatismus der Islamisten zum Opfer gefallen. Am Sonntag seien dann - so ein örtlicher Journalist - rund 30 mit Kalaschnikows und Spitzhacke bewaffnete Militante auf einen Friedhof nahe der berühmten Djingareyber-Moschee im Süden von Timbuktu gezogen. Sie hätten erst das Mausoleum von Scheich al-Kebir eingerissen und wollten dann gegen drei weitere Grabmäler vorgehen.

Die Islamisten reagieren mit den Zerstörungen eigenen Angaben zufolge auf die Entscheidung des Welterbekomitees der Unesco vom Donnerstag. Das Gremium hatte Timbuktu wegen des Konflikts in Mali auf die Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt. Die Rebellen werfen den Weltkulturschützern nun vor, sich "in ihre Angelegenheiten einzumischen".

Ihr Sprecher Sanda Ould Boumana sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Gruppe wolle "ohne Ausnahme jedes Mausoleum in der Stadt zerstören". Der Islamist führte weiter aus: "Gott ist einzig. All dies ist Sünde. Wir sind alle Muslime. Was ist die Unesco?"

"Kriegsverbrechen" und Schweigeminute

Malis Tourismusministerin Diallo Fadima Touré forderte am Sonntag bei einer Unesco-Sitzung in St. Petersburg, "konkrete Schritte zu unternehmen, diese Verbrechen gegen das kulturelle Erbe meines Volkes zu stoppen". Ihre Regierung hatte zuvor von "Zerstörungswut" gesprochen, die "Kriegsverbrechen" gleichkomme. Die Taten hätten "nichts mit dem Islam zu tun".

Am Samstag hatte das noch immer tagende Welterbekomitee wegen der Zerstörung der Gräber seine Sitzung in St. Petersburg unterbrochen. Die bulgarische Unesco-Generaldirektorin Irina Bokowa erklärte, es gebe "keine Rechtfertigung für solch eine mutwillige Zerstörung". Sie und ihre Kollegen mussten es aber zunächst bei einer recht hilflos wirkenden Aktion belassen: Die Unesco-Vertreter legten am Sonntag eine Schweigeminute ein.

Marokko forderte am Sonntag eine "dringende Intervention" zum Schutz des "reichen Erbes" Malis. Frankreich und andere Staaten verurteilten die Taten ebenfalls. In Deutschland mischt sich unter die Freude darüber, dass das barocke Markgräfliche Opernhaus Bayreuth zur Welterbestätte gekürt wurde, tiefe Betrübnis. Die Sorge um andere Kulturschätze sei groß, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann. Wie die Sprengung der Buddha-Statuen in Afghanistan vor mehr als zehn Jahren zeige sich auch heute in Mali, welche Folgen religiöser Fundamentalismus für das Welterbe haben könne, hieß es in einer Reaktion des Kulturrats.

Das westafrikanische Land Mali steckt in der Krise, seit es einer Gruppe von Soldaten im März gelungen war, die Macht an sich zu reißen und Präsident Amadou Toumani Touré zu stürzen. Nach dem Putsch gelang es Islamisten und Tuareg-Rebellen binnen Tagen, Teile des Nordens unter ihre Kontrolle zu bringen. Seither ist die Lage unübersichtlich. Immer wieder kommt es zu Kämpfen zwischen den verschiedenen islamistischen Gruppen und Tuareg-Rebellen, die einen säkularen Staat fordern.

Angesichts des Machtzuwachses der Islamisten rief die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) den Uno-Sicherheitsrat auf, die Entsendung einer regionalen Eingreiftruppe zu unterstützen. Die Extremistengruppe al-Qaida im Islamischen Maghreb warnte jedoch, sie werde mit "Entschlossenheit" gegen alle vorgehen, die mit einer Interventionstruppe zusammenarbeiteten.