zugeschickt aus Berlin
16 h

Lieber Herr Syberberg,

eigentlich wollte ich Sie mit meinen Eindrücken von besagter "Kleist"- Ausstellung verschonen...
Gut war, daß ich an einem Tag dort war, wo es keinen Eintritt kostete - sonst hätte ich mich noch mehr geärgert.
Es ist und bleibt natürlich ein Problem, einen Menschen der Sprache wie Kleist "auszustellen". Sehr schwierig.
Aber was man dann gemacht hat, diese falschen Aktualisierungen, fragwürdigen Entdeckungen und sog. Tabu-Brüche ("Homosexualität" - ob die Ausstellungsmacher mal Freundschaftsbriefe der Romantik gelesen haben? In größerer Anzahl? Ob sie mit dem Briefstil jener Zeit vertraut sind? Da müßte es dann ja nur noch Homosexuelle gegeben haben...)
Und dann noch diese schreckliche geschmacklose Präsentation.
Unmöglich auch der Raum, wo eine Art "Sammlung aller schreibenden Selbstmörder" gezeigt wird. Was soll das? Peinlich.

Kleist wird sich immer nur denen erschliessen können, die in der Lage sind - zu lesen.
Das lernt man nur langsam.

Wenn ich etwas sagen darf - falls Sie mal in Berlin sind - gehen Sie lieber nicht hin...

Vielleicht eher in die Matthäus-Kirche (Kulturforum) zur Ausstellung der Bilder von Michael Triebel. Darüber kann man immerhin nachdenken. Und da ist zumindest ein Könner am Werk.

Mit herzlichen Grüßen aus Berlin.
Ihre
E. N.

Sonnabend, den 3. September

siehe auch>

aktualisiert 16h

Sehr viel wird jetzt zum Thema Kleist versucht. Was früher durch Nichtachtung vertan war, geschieht heute aus mangelnder Nähe. Es ist schwer ihm nahe zu sein.
Auch der Zitronen-Apfel kommt och aus unserem alten Bestand wieder un macht seiner Herkunft alle Ehre der Erinnerungen.
Der Krummstängel war der König der saftigen Härte
wir nannten ihn Schornsteinfeger, weil schwarz wurde wenn er reif ist.
Sie wählen in jedem Jahr einen Autor und ehren ihn mit einem Preis, den sie Kleist-Preis nennen. Wenn sie damit auch Kleist ein Ehre erweisen wollen, sollten sie unten denen suchen, die seine Texte erfüllen bis zu einer Autorenschaft, die sich in ihn anverwandelt. Dann aber wüsste ich zur Zeit nur eine, die sich ihm solcherart näherte. Und seine Sprache in sich aufgenommen. Ohne sie ist alle Mühe um Kleist umsonst.