09.
August 2006
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HISBOLLAH-TV
Propaganda aus dem Bunker
Aus Beirut berichtet Matthias Gebauer
Israelische Bomben, Hacker-Attacken - nichts konnte den TV-Sender der Hisbollah
bisher stoppen. Tag und Nacht sendet al-Manar, der Leuchtturm, weiter radikale
Botschaften von einer geheimen Station. Jede Sendeminute ist ein Erfolg für
die Journalisten und ein Ärgernis für Israel.Für gute Meldungen
von der Front hat al-Manar immer Platz. Geduldig hört sich die verschleierte
Moderatorin am Donnerstagnachmittag telefonische Solidaritätsbekundungen
für die Hisbollah an, da wird das Programm unterbrochen. Ein großer
Erfolg sei zu vermelden, verkündet der Nachrichtensprecher vor einem leeren
Newsroom im Hintergrund. "Unsere Kämpfer haben gerade eben den vierten
israelischen Panzer an diesem Tag zerstört", sagt er mit ruhiger
Stimme, "das ist ein Rekord in diesem Krieg."
TV-SENDER AL-MANAR: HISBOLLAHS SPRACHROHR Klicken Sie auf ein Bild, um die
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Wenig später liefert al-Manar, zu Deutsch der Leuchtturm, eine etwas billige
und doch anschauliche Videoanimation von dem Kampf. Die virtuelle Kamera fliegt
wie bei einem Computerspiel irgendwo in den Süden des Libanon. Als sich
israelische Panzer einem kleinen Dorf nähern, geraten sie unter Feuer der
Hisbollah-Panzerfäuste. Sofort fängt einer von ihnen Feuer, explodiert
in Zeitlupe. Immer wieder wird die Szene an diesem Abend abgespielt, immer wieder
der Erfolg der Hisbollah-Kämpfer gefeiert.
Dass al-Manar nach fast vier Wochen Krieg überhaupt noch auf Sendung ist,
gilt als einer der größten Erfolge der Hisbollah. Gleich zu Beginn
der Krise wollten die Israelis den von den radikalen Schiiten finanzierten TV-Kanal
mit Bomben abschalten, legten das Sendezentrum im Süden Beiruts in Schutt
und Asche. Die Propaganda konnten sie ziemlich genau zwei Minuten stoppen. Danach
ging al-Manar von einer geheimen Sendestation aus wieder auf den Äther und
strahlt bis heute seine Sicht der Dinge, die Sicht der Hisbollah-Führung,
aus.
Mit al-Manar hat die Hisbollah eine schlagkräftige Waffe im Kampf um die
Meinung - im Libanon und international. Aktuell meldet sich die Militärführung
von der Front - meist, wenn israelische Soldaten getötet worden sind. Auch
Milizen-Führer Scheich Hassan Nasrallah verkündet seine Botschaften
im hauseigenen Sender. Als die Israelis zu Krisenbeginn mitteilten, er sei auf
der Flucht, reagierte er mit einer halbstündigen und bewusst ruhig gehaltenen
Rede. Spätestens damit etablierte sich al-Manar als Stachel im Fleisch.
Spots von Coca-Cola
Widerstand sind die Macher von al-Manar gewohnt. Seit der Kanal in den neunziger
Jahren gegründet wurde, galt er als Sprachrohr der Hisbollah. Damals buchten
Werbeagenten jedoch noch Slots für Coca-Cola und andere westliche Produkte.
Erst als der Sender im Jahr 2004 auf die Liste der Terror-Organisationen kam
und nicht mehr von europäischen Satelliten ausgestrahlt werden durfte, endete
diese Finanzierung. Um Geld jedoch mussten sich die Macher nie sorgen, Spender
aus der arabischen Welt sichern den Jahresetat von 15 Millionen Dollar.
Ibrahim Farhat grinst breit, wenn er von den Angriffen der Israelis auf den Sender
oder den Sanktionen spricht. Nach langen Telefonaten und geplatzten Terminen
hat der PR-Mann von al-Manar uns quer durch die Stadt gelotst, um dann letztlich
in einer Eisdiele gleich an der Corniche ganz entspannt an einem Tisch zu warten. "Wir
haben gewusst, dass die Israelis uns zerstören wollen", sagt der 42-Jährige, "deshalb
haben wir alles für den Tag X vorbereitet." Als es schließlich
so weit war, habe man nur noch die richtigen Knöpfe drücken müssen.
Farhat beantwortet Fragen gern. Nur wo sich die neue Sendezentrale befindet,
mag er nicht sagen. Er wisse es nicht, aus Sicherheitsgründen seien nur
wenige eingeweiht. "Das Wichtigste ist doch, dass wir senden", lacht
er. Ja, ein bisschen schwieriger sei die Logistik geworden. Kassetten der Reporter
könne man nur noch mit Kurieren zum Sender bringen, Überspielungen
per Satellit wären zu leicht verfolgbar. Gleichwohl berichten noch 15 Journalisten
- laut Farhat als einzige - die Wahrheit über die Kämpfe.
Von wo al-Manar sendet, darüber gibt es nur Spekulationen. In Israel hört
man oft, es gebe ein Studio in Syrien. In Beirut meinen die meisten, es gebe
schlicht einen sicheren Bunker irgendwo in der Umgebung. Technisch ist das Programm
von wenigen Leuten zu steuern. Meist wird fremdes Material benutzt oder es werden
Fotos kommentiert. Die recht einfachen Animationen sind am Heim-PC herzustellen.
Rätselhaft nur, wie das al-Manar-Signal auf die arabischen Satelliten kommt.
PR-Mann Farhat lächelt bei der Frage nur und nippt am Tee.
Inhaltlich hat al-Manar seit vier Wochen ganz auf Krieg umgeschaltet. Wo sonst
Spielshows, zum Beispiel ein Quiz über Koran-Inhalte, Talkshows oder sogar
Werbung Platz fanden, sind heute nur noch Front-News und Propaganda-Videos zu
sehen. Martialisch zusammengeschnitten bereiten Hisbollah-Kämpfer in Videos
Raketen-Attacken auf die Öllager von Haifa vor. Gleich danach flimmern Bilder
von entstellten Kindern über den Bildschirm. Dazwischen marschiert die Hisbollah
unter der gelben Fahne gegen Israel.
Für "die Mission" von Scheich Nasrallah
Männer wie Farhat illustrieren, wie tief dieser Kampf der Hisbollah in der
libanesischen Gesellschaft verankert ist. Farhat trägt den typischen Look
der Zivil-Miliz: kurzer Bart, offenes Hemd, Walkie-Talkie am Hosenbund. Der Bauingenieur
kam vor drei Jahren zu seinem Job als Sprecher von al-Manar. Geld sei für
ihn nicht entscheidend, erklärt er glaubhaft. Wie die meisten arbeite er
hauptsächlich für "die Mission" von Scheich Nasrallah. Diese
sei einfach zu beschreiben: Rückkehr zu einem islamischen Staat und der
Kampf gegen Israel.
Farhat gibt sich gern martialisch, wenn er über die Gefahren seines Jobs
redet. Er müsse sich stets bewegen, um über sein Funktelefon nicht
zum Ziel zu werden, sagt er. "Doch auch wenn ich sterbe, wird al-Manar weiter
senden", sagt er mit fester Stimme, "viele andere stehen bereit, um
meinen Job zu übernehmen." Dann fragt er mit gequältem Gesichtsausdruck,
wie der Westen israelische Angriffe auf Medien wie al-Manar zulassen könne. "Wir
dachten immer, Pressefreiheit sei bei euch ein wichtiger Wert, haben wir uns
da geirrt?", fragt er.
Wie viele im Libanon der Propaganda von al-Manar Aufmerksamkeit schenken, ist
schwer zu sagen. In vielen Cafés läuft der Sender, wenn auch nicht
in allen. Viel wichtiger scheint aber, dass al-Manar überhaupt noch sendet.
Wie die Kämpfer der Hisbollah, die gegen eine übermächtige Armee
aus Israel Widerstand leistet, erwirbt sich der Sender durch seine mediale Opposition
Respekt von vielen Libanesen. Etliche glauben schon lange, dass selbst die arabischen
Satellitensender wie al-Dschasira von den USA unterwandert seien.
Al-Manar-Mann Farhat schätzt, man habe mehr als eine Million Zuschauer jeden
Tag, viele davon im arabischen Ausland. Die Krise werde dem Hisbollah-Sprachrohr
helfen, noch mehr Zuschauer zu gewinnen. "Alle anderen lügen den ganzen
Tag, nur wir senden die Wahrheit", behauptet er. Das werde so bleiben -
ganz egal wie der Krieg ausgehen wird. Danach werde man mehr Geld denn je haben.
Dann könne man auch eine neue Sendezentrale bauen. Die Planungen dafür
liefen bereits, sagt der Ingenieur.
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