Frankreich
Aus für Al Manar-TV

In Frankreich hat das oberste Verwaltungsgericht am vergangenen Montag den Fernsehsender Al Manar-TV verboten. Den Programmmachern wird vorgeworfen, antijüdische Hetze zu verbreiten. Über die Hintergründe des Urteils berichtet Bernard Schmid aus Paris
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Logo des Senders 'Al Manar TV' | Der Sender Al Manar-TV, dessen Name "Der Leuchtturm" bedeutet, steht der libanesisch-schiitischen Hizbollah nahe und konnte seit dem Jahr 2000 in Frankreich über Satelliten des inländischen Betreibers Eutelsat empfangen werden.
Das Verwaltungsgericht war vom französischen Fernsehrat CSA (die oberste Aufsichtsbehörde für Rundfunk und Fernsehen) angerufen worden. Das oberste Verwaltungsgericht (Conseil d'Etat) verurteilte daraufhin den Betreiber Eutelsat dazu, innerhalb von 48 Stunden die Ausstrahlung der Programme von Al Manar-TV auf französischem Boden einzustellen.
Konfliktdeeskalation aus politischem Kalkül
Al Manar-TV kam seiner Abschaltung jedoch zuvor und hörte einen Tag nach dem Urteil auf, seine Programme nach Frankreich auszustrahlen. Dadurch ersparte der Sender dem Satellitenbetreiber Eutelsat einen möglichen Konflikt mit der in Tunis ansässigen Sendestation Arabsat. Über Arabset werden insgesamt zehn arabische, meist nordafrikanische, Fernsehsender in Richtung Europa ausgestrahlt.
Beobachter vermuten, Al Manar-TV setze derzeit bewusst auf eine moderate Reaktion, um später eine erneute Zulassung bei der Europäischen Union zu beantragen.
So enthielt die Fernsehstation sich scharfer Kommentare über das soeben beendete Verbotsverfahren und vermeldete dessen Ausgang lediglich, in sachlichem Tonfall am Ende ihrer arabischsprachigen Nachrichtensendung.
Im englischsprachigen Programm war dagegen die Rede von einer Frucht des Drucks "der zionistischen Lobby in Frankreich". Frankreich wurde vorgeworfen, seine republikanischen Prinzipien, darunter die Meinungsfreiheit, aufzugeben.

Zitat aus al Manar, dem Sender der Hizbullah, Mittwoch um ca 18.ooh zwei Stunden später abgeschaltet, siehe rechts>

 

Letzte Berichte aus Libanon von der anderen Seite live aus dem Bunker, in Europa zum empfangen, siehe >

Donnerstag, den 10. August

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09. August 2006
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HISBOLLAH-TV
Propaganda aus dem Bunker
Aus Beirut berichtet Matthias Gebauer
Israelische Bomben, Hacker-Attacken - nichts konnte den TV-Sender der Hisbollah bisher stoppen. Tag und Nacht sendet al-Manar, der Leuchtturm, weiter radikale Botschaften von einer geheimen Station. Jede Sendeminute ist ein Erfolg für die Journalisten und ein Ärgernis für Israel.Für gute Meldungen von der Front hat al-Manar immer Platz. Geduldig hört sich die verschleierte Moderatorin am Donnerstagnachmittag telefonische Solidaritätsbekundungen für die Hisbollah an, da wird das Programm unterbrochen. Ein großer Erfolg sei zu vermelden, verkündet der Nachrichtensprecher vor einem leeren Newsroom im Hintergrund. "Unsere Kämpfer haben gerade eben den vierten israelischen Panzer an diesem Tag zerstört", sagt er mit ruhiger Stimme, "das ist ein Rekord in diesem Krieg."
TV-SENDER AL-MANAR: HISBOLLAHS SPRACHROHR Klicken Sie auf ein Bild, um die Fotostrecke zu starten (3 Bilder).
Wenig später liefert al-Manar, zu Deutsch der Leuchtturm, eine etwas billige und doch anschauliche Videoanimation von dem Kampf. Die virtuelle Kamera fliegt wie bei einem Computerspiel irgendwo in den Süden des Libanon. Als sich israelische Panzer einem kleinen Dorf nähern, geraten sie unter Feuer der Hisbollah-Panzerfäuste. Sofort fängt einer von ihnen Feuer, explodiert in Zeitlupe. Immer wieder wird die Szene an diesem Abend abgespielt, immer wieder der Erfolg der Hisbollah-Kämpfer gefeiert.
Dass al-Manar nach fast vier Wochen Krieg überhaupt noch auf Sendung ist, gilt als einer der größten Erfolge der Hisbollah. Gleich zu Beginn der Krise wollten die Israelis den von den radikalen Schiiten finanzierten TV-Kanal mit Bomben abschalten, legten das Sendezentrum im Süden Beiruts in Schutt und Asche. Die Propaganda konnten sie ziemlich genau zwei Minuten stoppen. Danach ging al-Manar von einer geheimen Sendestation aus wieder auf den Äther und strahlt bis heute seine Sicht der Dinge, die Sicht der Hisbollah-Führung, aus.
Mit al-Manar hat die Hisbollah eine schlagkräftige Waffe im Kampf um die Meinung - im Libanon und international. Aktuell meldet sich die Militärführung von der Front - meist, wenn israelische Soldaten getötet worden sind. Auch Milizen-Führer Scheich Hassan Nasrallah verkündet seine Botschaften im hauseigenen Sender. Als die Israelis zu Krisenbeginn mitteilten, er sei auf der Flucht, reagierte er mit einer halbstündigen und bewusst ruhig gehaltenen Rede. Spätestens damit etablierte sich al-Manar als Stachel im Fleisch.
Spots von Coca-Cola
Widerstand sind die Macher von al-Manar gewohnt. Seit der Kanal in den neunziger Jahren gegründet wurde, galt er als Sprachrohr der Hisbollah. Damals buchten Werbeagenten jedoch noch Slots für Coca-Cola und andere westliche Produkte. Erst als der Sender im Jahr 2004 auf die Liste der Terror-Organisationen kam und nicht mehr von europäischen Satelliten ausgestrahlt werden durfte, endete diese Finanzierung. Um Geld jedoch mussten sich die Macher nie sorgen, Spender aus der arabischen Welt sichern den Jahresetat von 15 Millionen Dollar.
Ibrahim Farhat grinst breit, wenn er von den Angriffen der Israelis auf den Sender oder den Sanktionen spricht. Nach langen Telefonaten und geplatzten Terminen hat der PR-Mann von al-Manar uns quer durch die Stadt gelotst, um dann letztlich in einer Eisdiele gleich an der Corniche ganz entspannt an einem Tisch zu warten. "Wir haben gewusst, dass die Israelis uns zerstören wollen", sagt der 42-Jährige, "deshalb haben wir alles für den Tag X vorbereitet." Als es schließlich so weit war, habe man nur noch die richtigen Knöpfe drücken müssen.
Farhat beantwortet Fragen gern. Nur wo sich die neue Sendezentrale befindet, mag er nicht sagen. Er wisse es nicht, aus Sicherheitsgründen seien nur wenige eingeweiht. "Das Wichtigste ist doch, dass wir senden", lacht er. Ja, ein bisschen schwieriger sei die Logistik geworden. Kassetten der Reporter könne man nur noch mit Kurieren zum Sender bringen, Überspielungen per Satellit wären zu leicht verfolgbar. Gleichwohl berichten noch 15 Journalisten - laut Farhat als einzige - die Wahrheit über die Kämpfe.
Von wo al-Manar sendet, darüber gibt es nur Spekulationen. In Israel hört man oft, es gebe ein Studio in Syrien. In Beirut meinen die meisten, es gebe schlicht einen sicheren Bunker irgendwo in der Umgebung. Technisch ist das Programm von wenigen Leuten zu steuern. Meist wird fremdes Material benutzt oder es werden Fotos kommentiert. Die recht einfachen Animationen sind am Heim-PC herzustellen. Rätselhaft nur, wie das al-Manar-Signal auf die arabischen Satelliten kommt. PR-Mann Farhat lächelt bei der Frage nur und nippt am Tee.
Inhaltlich hat al-Manar seit vier Wochen ganz auf Krieg umgeschaltet. Wo sonst Spielshows, zum Beispiel ein Quiz über Koran-Inhalte, Talkshows oder sogar Werbung Platz fanden, sind heute nur noch Front-News und Propaganda-Videos zu sehen. Martialisch zusammengeschnitten bereiten Hisbollah-Kämpfer in Videos Raketen-Attacken auf die Öllager von Haifa vor. Gleich danach flimmern Bilder von entstellten Kindern über den Bildschirm. Dazwischen marschiert die Hisbollah unter der gelben Fahne gegen Israel.
Für "die Mission" von Scheich Nasrallah
Männer wie Farhat illustrieren, wie tief dieser Kampf der Hisbollah in der libanesischen Gesellschaft verankert ist. Farhat trägt den typischen Look der Zivil-Miliz: kurzer Bart, offenes Hemd, Walkie-Talkie am Hosenbund. Der Bauingenieur kam vor drei Jahren zu seinem Job als Sprecher von al-Manar. Geld sei für ihn nicht entscheidend, erklärt er glaubhaft. Wie die meisten arbeite er hauptsächlich für "die Mission" von Scheich Nasrallah. Diese sei einfach zu beschreiben: Rückkehr zu einem islamischen Staat und der Kampf gegen Israel.
Farhat gibt sich gern martialisch, wenn er über die Gefahren seines Jobs redet. Er müsse sich stets bewegen, um über sein Funktelefon nicht zum Ziel zu werden, sagt er. "Doch auch wenn ich sterbe, wird al-Manar weiter senden", sagt er mit fester Stimme, "viele andere stehen bereit, um meinen Job zu übernehmen." Dann fragt er mit gequältem Gesichtsausdruck, wie der Westen israelische Angriffe auf Medien wie al-Manar zulassen könne. "Wir dachten immer, Pressefreiheit sei bei euch ein wichtiger Wert, haben wir uns da geirrt?", fragt er.
Wie viele im Libanon der Propaganda von al-Manar Aufmerksamkeit schenken, ist schwer zu sagen. In vielen Cafés läuft der Sender, wenn auch nicht in allen. Viel wichtiger scheint aber, dass al-Manar überhaupt noch sendet. Wie die Kämpfer der Hisbollah, die gegen eine übermächtige Armee aus Israel Widerstand leistet, erwirbt sich der Sender durch seine mediale Opposition Respekt von vielen Libanesen. Etliche glauben schon lange, dass selbst die arabischen Satellitensender wie al-Dschasira von den USA unterwandert seien.
Al-Manar-Mann Farhat schätzt, man habe mehr als eine Million Zuschauer jeden Tag, viele davon im arabischen Ausland. Die Krise werde dem Hisbollah-Sprachrohr helfen, noch mehr Zuschauer zu gewinnen. "Alle anderen lügen den ganzen Tag, nur wir senden die Wahrheit", behauptet er. Das werde so bleiben - ganz egal wie der Krieg ausgehen wird. Danach werde man mehr Geld denn je haben. Dann könne man auch eine neue Sendezentrale bauen. Die Planungen dafür liefen bereits, sagt der Ingenieur.


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SPIEGEL ONLINE - 09. August 2006, 19:11
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Jostein Gaarder
 
Anti-Israel-Essay sorgt für Aufruhr
Ein in seiner Kritik an Israel extrem scharfer Aufsatz des Schriftstellers Jostein Gaarder ("Sofies Welt") sorgt für Kontroversen in Norwegen. Der Bestseller-Autor, der sich mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert sieht, fühlt sich falsch verstanden.
Oslo - Jostein Gaarders Attacke gegen den Staat Israel sei "das Widerlichste", was sie seit Hitlers "Mein Kampf" gelesen habe. So lautet das vernichtende Urteil der norwegischen Schriftstellerin und Jüdin Mona Levin über einen Essay ihres Kollegen, der am Wochenende in der Osloer Tageszeitung "Aftenposten" erschienen war. Erhitzte Reaktionen wie diese, verbunden mit dem Vorwurf des Antisemitismus, veranlassten den Autor des Weltbestsellers "Sofies Welt", sich vorerst nicht mehr zum Nahostkonflikt zu äußern: "Die Debatte muss ohne mich weitergehen", schrieb Gaarder heute, wiederum in der "Aftenposten".
DPA
Autor Gaarder: "Weckruf für Israel"
Der 54-jährige Schriftsteller hatte einen scharfen Angriff gegen Israel veröffentlicht. In seinem Text sprach er dem Staat sogar das Existenzrecht ab: "Wir erkennen den Staat Israel nicht länger an." Wen außer sich selbst er mit dem mehrmals im Text verwandten Begriff "Wir" gemeint hat, erläuterte Gaarder nicht.
Israel habe mit "seiner skrupellosen Kriegskunst und seinen widerwärtigen Waffen" die eigene Legitimität "massakriert", schrieb Gaarder. Die Umwelt solle besonnen und barmherzig reagieren, wenn nun "die gesamte israelische Nation aus eigener Schuld zu Fall kommt und Teile der Bevölkerung aus von ihr besetzten Gebieten in eine neuerliche Diaspora flüchten müssen".
Für die scharfen Reaktionen in Norwegen sorgte vor allem auch Gaarders Kritik an "den Juden" und die Einstufung der zehn Gebote als "lustige Steintafeln". "Über 2000 Jahre haben wir die Lektionen des Humanismus gepaukt. Aber Israel hört nicht darauf", heißt es in Gaarders Essay. Der Schriftsteller begründete die Schärfe des Textes heute mit seiner Verzweiflung über die Entwicklung im Nahen Osten. Sein Artikel sei als "Weckruf für Israel" gemeint gewsen. Abgesehen von der "respektlosen" Einstufung der zehn Gebote stehe er auch weiterhin dazu, habe aber die "unberechenbare Wirkung" unterschätzt. Zu der an ihm geübten Kritik sagte er laut dpa: "Sobald man den Staat Israel angreift, bekommt man den Vorwurf des Antisemitismus hinterhergeworfen."
Norwegens Außenminister Jonas Gahr Støre bezeichnete Gaarders Text als "inakzeptabel und beunruhigend", weil Israel darin das Recht auf Schutz durch Uno-Resolutionen aberkannt werde. Zu den Kritikern Gaarders gehörten auch zahlreiche norwegische Intellektuelle und Mitglieder der jüdischen Gemeinde. Nie zuvor hätten sich derart viele Leser im Internet geäußert, berichtete der Netzredakteur von "Aftenposten" laut dpa. Die Mehrzahl der Reaktionen fiel allerdings positiv aus. So lobte die Schriftstellerin Anne B. Ragde laut "Süddeutscher Zeitung" ("SZ") den "klugen Essay" Gaarders.
Die norwegische Ombudsfrau gegen ethnische Diskriminierung, Beate Gangaas, nannte ihn "am Rande des Erträglichen, aber nicht rassistisch". Gaarders israelischer Verlag Schocken Publishing stellte die Zusammenarbeit mit dem Autor in einer spontanen Reaktion ein.
Gaarder selbst schrieb heute, er habe mit einer vielleicht falsch gewählten Form "Israel zur Versöhnung aufrufen wollen". Dazu bediente er sich auch der Distanzierung vom jüdischen Glauben an die eigene Rolle als "Gottes auserwähltes Volk": "Wir glauben nicht an die Vorstellung von Gottes auserwähltem Volk. Wir lachen über die Marotten dieses Volkes und weinen über seine Missetaten", heißt es in Gaarders Essay. "Als Gottes auserwähltes Volk aufzutreten, ist nicht nur dumm und arrogant, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit." Weiter schrieb er, einige israelische Politiker strebten eine "Endlösung des Palästinenserproblems" an.
Am Ende des Aufrufs träumt Gaarder laut "SZ" vor dem Hintergrund der alttestamentarischen Prophezeiung von einer neuerlichen Vertreibung der Juden aus ihrem Land: "Wenn die ganze israelische Nation der eigenen Gewalt zum Opfer fallen sollte und Teile der Bevölkerung aus den von ihnen besetzten Gebieten in eine neue Diaspora fliehen müssen, sagen wir: Mag die neue Umgebung einsichtig und barmherzig sein."
bor/dpa
 
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