schrieb Hans-Jürgen Syberberg:
Zu Ihren Fragen.
Es ist richtig, als ich meinen Hitlerfilm vor 27 Jahren machte, sagte ich,
dass man einen Menschen, der sich so sehr im Film wie dieser Hitler in der Realität
präsentierte, nicht spielen kann, ohne schlechter zu sein, denn er war ein
Meister der Selbstdarstellung. Und ich sagte, gerade in seinem Ende ist er nicht
darstellbar ohne eine gewisse Empathie, also ein Mitgefühl mit der endenden
Kreatur, was der richtenden Kunst in diesem Fall des Elends nicht zukomme.
Einen Film machen mit Thema Hitler, der selbst nicht auftritt war die Aufgabe,
damals, die selbstgestellte. Durch die Schule Brechts wusste ich etwas von der
Distanz zur Geschichte und den Figuren, um sie so ehrlicher zu machen. Von Kleist
hatte ich das Wissen von den Puppen, dass sie wahrhaftiger sich bewegen, zentraler
unser Wesen sein können als die realen Darsteller. So löste ich das
Problem in dem Hitler und seine Leute in verschiednen Brechungen als Puppen auftraten,
aber so, dass man immer den sie führenden Menschen, der dazu sprach uns
sie führte, sah. Nur einmal erschien Hitler in menschlicher Gestalt von
einem Schauspieler dargestellt: und zwar aus dem Grab Richard Wagners aus dem
Orkus kommend, mit einer Rede an die heutigen, in antiker Toga und zur
Musik des Rienzi von R.Wagner, nach dem Bild von G. Dore's Höllenbilder
zu Dante erzählt. Da hatten wir dann die ganze Geschichte Europa am Ende im
Film, aber wohl nicht für viele.
Den Film organisierte damals als Leiter der Produktion Bernd Eichinger, der schon
den Karl May als junger Absolvent der Filmschule in München gerettet hatte.
In die Produktion begleitenden Gesprächen sprach ich von meiner Entscheidung
ohne Hitler als reale Person im Film zu denken. Dabei gab es auch die Überlegung,
dass das Ende des Reichs wirkungsvoll darzustellen sei, wenn man die letzten
Tage und alles an einem Ort, unter der Erde im Bunker auf die Person
des Urhebers konzentrierte. Keine Rückblenden von den Triumphen, keine Einfügungen
von Auschwitz, allein ihn und sein Ende und darin das Ende Europas. Eichinger
hörte gut zu und dachte an die Nibelungen mit dem niederbrechenden Walhalla
- der Götter, würde ich sagen -. Später, und für ihn,
dachte, sagte ich und empfahl ihn der Geschichte, die ihn nun einholte.
Nun hat ers gemacht. Genauso und mit Bruno Ganz als Darsteller des Hitler, den
ich damals wollte, als zentrale Figur , wie sie später Andre Heller als
alter Ego des Autors in Wiener Variante wurde. Mit Ganz hätte der
Hitlerfilm aus Deutschland 1977 mehr von dem 1968 der Schaubühnenwelt des
europäischen Theaters gehabt und der ganze Film selbst hätte noch ganz
anders sein können. Nun kam es so. Bruno Ganz als Hitler bei Bernd Eichinger
27 Jahre danach, das Ende des heiligen Reichs deutscher Nation im Bunker
eines Hitler bravourös spielend, dort wo vor fast 200 Jahren der Faust
uraufgeführt wurde, im Palais der Fürsten Radziwill, das später
Reichskanzlei wurde, zuerst bei Bismarck und dann bis Hitler.
Warum die aktuellen Aktivitäten zum Thema Hitler boomen. Das scheint
nur so. So sagten sie schon vor 27 Jahren als J. Fest sein Buch herausbrachte,
dann den Film, vorher Speer 's Erinnerungen und all die anderen, als gäbe
es eine Zunahme aus Geschäft und Interessen. Solange dies Rätsel jener
Erscheinungen mit Schweigen verbunden ist, wird es weiter gehen, in immer neuen
Unruhen, wie es mit allen seelischen Phänomenen geschieht, im Leben
der Einzelwesen, wie in der Geschichte. Hitler sells, wie sex, nicht, weil er
gut konsumierbar wäre, macht er Geld, aber, weil die Menschen etwas wissen
wollen, was noch nicht gesagt ist. Immer wieder. Der Untergang - eigentlich des
Abendlandes -, den Eichinger nun machen liess, ist, abgesehen von dem Tribut
an die Zeit in der vor- und nachgeschnittenen Sekretärin ohne Quellenwert,
weil hirngewaschen, geistesgeschichtlich ein neuer Schritt etwas neu zu
ertragen, mit den Mitteln des Kinofilms, nicht nur wie Hybris heute aussieht,
wenn sie fällt, oder wie auch solche Phänomene Menschen sind, sondern
auch teilzunehmen an dem Ende einer Kultur, das nun so aussieht. Allein
die Tragödie der Kinder Goebbels darin hält jeder antiken Tragödie
stand und wurde bis nie ernst, das heisst sinnlich wahrgenommen, wie so vieles.
Das alles ist aber weit weg. Heute könnte man mich im Internet treffen,
wo die täglichen Filme meiner Heimkehr an den Ort der Herkunft und Geburt
als Bilder und Texte mit dem Oeuvre des bisherigen Lebens verschmelzen unter
WWW.Syberberg.de. Mit Teilnehmern, Besuchern(ca 3000 täglich und insgesamt
2 500 000 bisher), wie nie zuvor in all den Jahren der Filme und Bücher
und Theater. Jenseits der Medien und Geschäfte einer untergegangenen Welt.
Manchmal treten diese Bilder und Gedanken in Worten oder Tönen der Musiken
aus diesem kleinen Ort in Pommern dann an anderen Orten auf, wie Paris im Centre
Pompidou 2003 oder in Verbindung mit Brüssel, anlässlich der Restaurierung
der Kirche in diesem März 2004, oder demnächst vielleicht wie geplant
in Italien (auf der Insel Procida im Jahr 2005) oder sonst wo, in Räumen
projiziert oder in Relikten ausgestellt, auch der anderen Orten wir zu Haus,
wo der Kosmos der Herkunft sich verbindet mit dem erweiterten heutiger Möglichkeiten
ganz global. Als Geist dann einer anderen Welt in neuer Form und in der
Technik unserer Zeit, wenn wir sie richtig nutzen.--
Was die Antwort anbelangt möchte ich sie noch weiter was fragen.
1/Was war die Wiener Variante? Ich kann leider nicht wieder finden was sie damals
vorhatten.
2/Ich habe auch vielleicht nicht richtig verstanden was Sie genaue damals mit Ganz
vorhatten. Und warum das nicht entstanden ist.
3/Vielleicht wäre es auch noch schön wenn Sie ihre Urteil über
den Untergang zuspitzen könnten
4/ und zusätzlich, können Sie noch mehr erklären warum solch ein
Fim heute möglich ist?zu 1)
ich meinte: Heller war eine andere Möglichkeit von mir als Erzähler
der Geschichte gemäss seiner Art und Herkunft eine Wiener Variante meiner
Möglichkeiten.
2)
Diese durch den Film hindurchführende war ursprünglich mit B.G. diskutiert
worden. Er konnte dann nicht.
3)
Dieser Film in seiner Absicht, die Geschichte der letzten 10 Tage des Reichs
im Bunker zu erzählen, ist konsequent durchgeführt und in seiner selbstgestellten
Aufgabe mutig.
4)
Ob das gut ging, wofür die Hersteller, vom Darsteller bis zum Produzenten,
sicher vor 2o oder 3o Jahren gesteinigt worden wären und wurden, auf mediale
Weise, konnte man vorher nur spekulieren. Vielleicht ist Israel, als Hauptpartner
im Dialog der deutschen Geschichte dieses Teils, im Augenblick selbst sehr mit
sich beschäftigt und moralisch weltweit in gewisser Defensive, so dass man
dort keine Aufmerksamkeit fände, wenn man hier neue Schlachten schlüge,
um sich gute Punkte zu holen. So hat jedes seine Zeit, und die Wahrheit auch
ist nicht immer absolut. Jetzt ist diese möglich und Eichinger hat das genutzt.
Für alle gut. Als Erkenntnis der Historie ist es die der Tragödie,
die die Theater nicht mehr wagen. Als Faktum der Erben haben wir sie zu tragen.
Noch ein Nachtrag am Ende für den Teil meiner heutigen Arbeiten(Paris-Brüssel-it.Pläne)
Als ästhetisches Versuchsfeld für derartige virtuellen Auftritte in
einem Raum mag jene Höhle der Erinnerung im Rahmen der documenta X (1997)
gelten, wo 31 Filme projiziert wurden. Das nun heute in Verbindung mit dem Internet
und Webcams technisch für jeden Ort speziell variiert und aktualisiert wird.Gruss
HJS