Was
sie ins Wasser trieb, zu tausenden, und ganze Familien, Kinder, Mütter,
Grossväter,
war nicht das Feuer allein in ihrem Rücken. Es war das Zuschauen müssen,
das Schreinen, der Tod der geschändeten und nachher aufgeschlitzten
Frauen mit den aus dem Leib gezerrten ungeborenen in den Bäumen, von
jener Dämonie,
von der die Goyas berichten und Tarkowski. Und doch auch sehr intellektuellen
Ursprungs persönlicher Rache jenes Tagesbefehls, der dazu aufrief.
Wir nur hörten die Rufe allabendlich und sahen die Schweinwerfer der Taschenlampen
nach ihnen suchen und die verängstigen Gesichter der Gehenden und Zurückgekommenen.
In jenem dunklen Zimmer der Mädchen, gleich neben der Küche, das heute noch
ausgespart blieb bis zuletzt nun. Als Kabinett des Horrors, wo wir eng auf
der Erde lagen, dasmit sie nicht treten konnten, die da reinbrachen, die
Beute
zu suchen, wo früher das Eldorado war der jungen Mädchen des Hauses, wenn
sie sich zurückzogen von Küchen und Zimmerdiensten die Jungen des Dorfes
zu erwarten.
Es gäbe noch viel zu tun. Dies zu erinnern. Und noch viel mehr. Den Ort zu schaffen dafür. Wofür es gut ist. Alles feindlich dem Staate der Realitäten, der Raison und ihrer Geschäfte. Die heute ihre Kunst sich halten.
Freitag, den 28.November
Blick aus dem Fenster des Kinderzimmers mit der Storchennest heute. Und
was nun statt dessen weh tut.
Aber auch: eine neue Linde ist gepflanzt, direkt unter dem Fenster, wo vorher
Stellmacherei und Nebengebäude für die Kutschen sie dort nicht möglich machten.
Noch immer gibt es in Demmin kein Denkmal für die Tausende der Toten vom Mai 1945, mehr als auf der Gustloff umkamen, die dort noch kurz vor Kriegsende zur grossen Katastrophe wurden als die Russen kamen. Stau der Roten Armee, die nicht über den Fluss kam, Selbstmordanschlag der Werwölfe sagt man, Rache an der Bevölkerung, wie das aussah, beschreibt Lew Kopelew aus Ostpreussen in "Aufbewahren für alle Zeiten", in Flüchtlings-überfüllter Stadt, aus der die Menschen ich in den Tod retteten, Blut und Leichen dicht an dicht im Wasser. Dass die Russen/DDR dieser Menschen nicht gedachten, verwundert nicht, dass aber nun dreizehn Jahre nach dem Fall der Mauern man hier wohl der Toten der Weltkriege und Russen gedenkt, aber nicht dieser Menschen verzweifelter Not, ist ein Beispiel über den Zustand des Ortes und und Zeit.