Und Ahrens entschloss sich, mit der tatkräftigen Hilfe von Schleefs Nachlassverwaltern,
aus der geplanten Schleef-Ausstellung eine Würdigung werden zu lassen:
eine Hommage an einen Künstler, über den solch malerische Kritikerworte
kursieren wie, er habe für Hochhuths Wessis in Weimar
1993 am Berliner Ensemble keine Uraufführung angerichtet,
sondern eine Unaufführung. Sie sei dem politischen Auftrag
der Vorlage gerechter geworden als jede Hochhuth-treue Inszenierung. Herr
Puntila und sein Knecht, bei der Schleef 1996 erstmals selbst die Hauptrolle
übernahm, bewerteten Kritiker dreimal als Höhepunkt der Saison
und fünfmal als ärgerlichste Theatererfahrung dieses Jahres.
Schleefs fassungslose Wortkaskaden ziehen die Widersprüche an. Einen Text
des Chores Die Flüchtlinge aus Schleefs Aischylos-Adaption
Die Schutzflehenden hat Jonathan Meese, der in diesem Herbst in
einer Einzelausstellung in die Kestner Gesellschaft zurückkommt, auf Wand
und Boden im Eingangsbereich geschrieben. Als wollten die Worte alles überfluten.
Schleef haben sie überflutet. Er stotterte, zu vieles drängte nach
draußen, da stolperten sie seine Worte. Vielleicht rühren
daher seine zerhackten Sätze sowohl in Gertrud, einem monumentalen
zweibändigen Monolog über seine Mutter, der 1980 und 1984 erschien,
wie in seinen dramatischen Bildtafeln. Auf der, die Zuhause heißt,
steht gut leserlich und mit Pinsel geschrieben: Zuhause das sind / die
Eltern, der Vater, / die Mutter, der Schulweg, / das Kino, die Dörfer,
das/Gestrüpp, die Stadt, / die man sein Leben nicht los wird. / Nie mehr
zurück, das / verwinden, fliehen bis man/ein eigenes Zuhause hat, / was
einen erstickt und/auffrißt.
Carsten Ahrens arbeitet sich mit ruhigen Bildern zu Schleefs wütenden
Widerständen vor. In schwarz-rot-goldener Teppichware ist die obere Halle
IV ausgelegt. Auf ihrer Stirnseite läuft eine Videoprojektion mit Ausschnitten
aus mehreren Theaterinszenierungen, auf der rechten Wand hängen Schleefs
Fotografien seiner toten Mutter Gertrud (sie starb 1993), links Fotos mit getöteten
Söhnen an der Klagemauer, aufgenommen bei der Theaterproduktion Mütter
nach Euripides und Aischylos am Schauspiel Frankfurt 1985. Die Antike galt diesem
schwierigen, brachialen Visionär viel: Ihr Chor wurde ihm zur Sinnfigur
für das Kollektiv, die Gesellschaft, ihre selbst verordnete Zucht und Ordnung
zum Feind, den er bekämpfte.
Das Wort bedeutete Schleef, der 1976 aus der DDR flüchtete, Heimat. Eigene
Gedankenfetzen konservierte er in bedrückenden Leinwänden. Manche
sind malerisch akzentuiert, hier eine Figurine, dort ein Kreuz in grobem Pinsel,
manche sind als Gedankencollage entworfen mit durchnummerierten Bleistift-Linien.
Bald Glatze heißt es unter anderem in Zeile 17, Das
Rotkehlchen schreit in Zeile 23.
Schleefs Rotkehlchen haben nicht gesungen. Dagegen ist diese Ausstellung ausgesprochen
rhythmisch konfliktreich und erlösend.
Alexandra Glanz
»Einar Schleef. Deutsche Szenen«
täglich außer Montags
mit einer filmischen Hommage à Schleef
von Hans Jürgen Syberberg
Sonntag 01.09.2002 - Sonnabend 09.11.2002, 11-19 Uhr,
€ 2,50 / ermäßigt € 1,50
Einar Schleef, Maler und Bühnenbildner, Fotograf und Filmemacher, Theaterregisseur
und Dichter, der im Sommer des vergangenen Jahres völlig überraschend
verstorben ist, zählte zu den vielseitigsten und provozierendsten Künstlerpersönlichkeiten
unserer Zeit. Geprägt von einer Biographie im geteilten Deutschland schürte
Schleef den geistigen Konflikt in einer sich zunehmend auf pragmatische Harmonisierung
orientierenden Gesellschaft. Sein Werk war in allen seinen Ausprägungen
Provokation. In unbändiger Zeitgenossenschaft hat Einar Schleef ein Gesamtwerk
geschaffen, das in seiner Breite noch zu weiten Teilen unerschlossen
ist und dessen herausragende Bedeutung erst langsam erkannt wird.
Die Ausstellung wird den Versuch unternehmen, den inneren Kern des Werkes
abzubilden. Im Zentrum steht eine Hommage an Schleef von Hans Jürgen
Syberberg.
In einer filmischen Collage aus eigenen Aufnahmen von der Bühne
während der Aufführungen von Hans Jürgen Syberberg gesehen
mit der digitalen Handkamera und Dokumenten aus dem Nachlaß Schleef
wird das Leben eines der großen Außenseiter unserer Zeit fokussiert.
Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit dem Nachlaß Einar Schleef,
Berlin, und wird von AV/TV, Hannover, unterstützt.
Kurator: Carsten Ahrens
Ausstellungen
| Ständige Ausstellung Juni | Juli | September | Oktober | November | Jahresübersicht
September 2002
»Einar Schleef. Deutsche Szenen«
Sonntag 01.09.2002 - Sonnabend 09.11.2002
täglich außer Montags
mit einer filmischen Hommage à Schleef
von Hans Jürgen Syberberg
11-19 Uhr,
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Montag,
den 17.Juni
Post.
Es muss in der Natur des Dargestellten liegen.
Noch über den Tod hinaus.
Mit langem Arm aus dem Grab
die Versuche sich zu schaden. Mit wessen Beihilfe auch immer.
Dreimal ihm entkommen. Werdens auch diesmal schaffen.
I n Weimar
geplanter Nietzsche abgebrochen.Eine Katastrophe.Am Tag der Premiere kam er
zu sehen, wie wirs machten.
In Salzburg,
sitzengelassen, S.als sein Wunsch nach Wiedergutmachung,
noch am Tage der Aufführung nicht erschienen. Es fand statt. Der Notschrei.
Für ihn. Auch.
Kassel documenta X,
um die er froh war, gefehlt, ohne Material. Besser konnte er nicht präsent
sein.
Ich habs, fluchend, alles ihm nachgesehen.
Schleef war Schleef. Darunter litten seine Dinge. Aber so grandios waren sie
auch, dass ich es ihm nachsehen konnte. Für ihn zu sein ist schwer. Er
bedient sich immer anderer Mittel.
WWW.schlossneuhardenberg,de
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Juni 2002
»Ein Traum, was sonst?» - Preußische Tugenden
Donnerstag 09.05.2002 - Sonntag 21.07.2002
täglich außer montags
11-19 Uhr, Kavaliershaus Ost
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2(zugeschickt bekommen)ART documenta Spezial