SPIEGEL ONLINE - 12. August 2002, 18:29
URL: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,209196,00.html
Marcel Reich-Ranicki
Geheimagent mit Leidenschaft?
Die Rolle Marcel Reich-Ranickis als Agent des polnischen Geheimdienstes war
offenbar größer als bisher bekannt. Neue Akten schildern angeblich
den späteren Literaturkritiker als eifrigen und leidenschaftlichen Spion
der Nachkriegszeit.
DPA
Kritiker Reich-Ranicki: "Kein Wort zu korrigieren"Frankfurt/M./Berlin
- Die "Welt" veröffentlichte am Montag erstmals Auszüge
aus einer geheimen Personalakte des polnischen Ministeriums für Öffentliche
Sicherheit (MBP). Dem Dossier zufolge soll der spätere Literaturkritiker
die geheimpolizeiliche Arbeit geradezu mit Leidenschaft betrieben haben und
ein hervorragender Agentenführer gewesen sein.
Der in Frankfurt lebende Kritiker sagte dem Blatt hingegen, seine Rolle sei
nicht größer gewesen, als er sie in seiner 1999 erschienenen Autobiografie
"Mein Leben" geschildert habe. Er könne sich "des Eindrucks
nicht erwehren, dass hier jemand eifrig bemüht war, diejenigen Angaben
herauszufischen, die vielleicht gegen mich sprechen könnten". Er habe
"in seiner Darstellung kein Wort zu korrigieren", meinte Reich-Ranicki.
Allerdings sagte er auch, er kenne die von der "Welt" zitierte Akte
nicht.
Nach Angaben der Zeitung wurde Reich-Ranicki Ende 1944 im Alter von 24 Jahren
im kommunistischen Polen Mitglied des Geheimdienstes und blieb es mit kurzer
Unterbrechung bis zum 28. Januar 1950. Seine Vorgesetzten loben dem Blatt zufolge
in der Geheimakte seine Intelligenz und seinen Eifer. Er sei "gut in der
operativen Arbeit" gewesen, "vernarrt in den Geheimdienst" und
"kenne die Psyche des Agenten", auch sei er der Volksrepublik Polen
ergeben und politisch zuverlässig. Bescheinigt werden ihm auch umfangreiche
gesellschaftliche Kontakte in Parteikreisen. Allerdings würden in manchen
Bewertungen die Eigenschaften Arroganz und Opportunismus sowie "intelligenzlerhafte
Manieren" getadelt. In der Mehrzahl seien die Bewertungen jedoch positiv
gewesen.
"Belanglos und überflüssig"
Die Akte umfasst laut "Welt" 109 Blätter, darunter Reich-Ranickis
Aufnahmegesuch, Verpflichtungs- und Schweigeerklärungen, handschriftlich
verfasste Lebensläufe, detaillierte Personalfragebögen, Anträge
der Vorgesetzten auf Beförderung, Fotos und Briefe. Sie liegt unter der
Nummer IPN 0193/896 im polnischen Institut des Nationalen Gedenkens in Warschau,
der polnischen Entsprechung der Gauck-Behörde.
Wie der Kritiker auch in seiner Autobiografie beschreibt, war er zunächst
in Polen in der Postzensur beschäftigt, wo er die Korrespondenz mit dem
Ausland überwachte. 1948 und 1949 arbeitete er als Konsul für das
polnische Außenministerium in London, wo er laut "Welt" inoffiziell
als Agentenführer tätig war. "Unter seiner Leitung wurde eine
Kartei mit Informationen über mehr als 2000 Emigranten geführt",
schreibt das Blatt. 1949 fiel Reich-Ranicki in Polen unter anderem wegen seiner
"unklaren Rolle im Getto" als Mitarbeiter der Getto-Verwaltung in
Ungnade. 1950 wurde er aus Partei und Ministerium ausgeschlossen.
Reich-Ranicki sagte der Zeitung, er habe die Arbeit beim Geheimdienst stets
für "belanglos und überflüssig" gehalten und ungern
gemacht. Zu seiner Tätigkeit bei der Zensur sei er nur deshalb gekommen,
weil er Fremdsprachen beherrschte. Die Kartei in London sei eine "so harmlose
wie überflüssige Kartei" gewesen, die "nie benutzt wurde".
Im Ministerium sei "alles improvisiert und sehr chaotisch" gewesen.
"Es wurde damals von den Halbanalphabeten, die in der Personalabteilung
arbeiteten, in den Akten viel Unsinn notiert", sagte Reich-Ranicki.
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