DER STANDARD, 27. Juli 2002
Krach aus julianischen Tagen
Peter Stein perfektioniert sein Papptheater: "Penthesilea" zu Gast bei Art Carnuntum
Ronald Pohl
Petronell - In den julianischen Tagen der Salzburger Römerdramen verlor Peter Stein, der einstmals wichtigste Regisseur seiner Generation, fast unbemerkt sein künstlerisches Ingenium. Er musste es verlegt haben; oder es war ihm über der minutiösen Planung seiner pappendeckelbewehrten Römeraufmärsche irgendwie abhanden gekommen. Die Kunst der Inszenierung wich dem Ersinnen von Aufmarschplänen. Fortan stapften die Stein-Statisten, die Sandalen werfend, in immer schieferen, kindlichen Theater-Schlachtordnungen. Es war, als wollte Stein, dieser Bühnen-Schliemann, das wahre Preußentum im Schutt der Alten neu entdecken.
Irgendwer musste Peter Stein verleumdet haben, denn er wurde über seinen eigenen Erfindungen immer verdrossener und mürrischer; betonte unaufhörlich, dass er mit der Jetztzeit nichts mehr zu tun haben wolle.
Aus dieser, unserer Jetztzeit fällt auch seine italienische Penthesilea im alten Römertheater von Carnuntum mit Krach und Gloria heraus: Peter Steins Penthesilea, wohlgemerkt, und nicht etwa die rasende, maßlose des untröstlichen Heinrich von Kleist. Der konnte oder wollte sich offenbar die klassische, keusche Liebesanbahnung nur noch als Zerreißprobe auf dem offenen Kampfplatz vor Troja vorstellen: als gieriges Reißen mit hündisch gebleckten Zähnen, ein erotisches Wundenlecken im rostigen Versharnisch.
Stein, der vor allem auf eine tragende Rolle für seine Schauspielergemahlin Maddalena Crippa abzielt, besann sich der gymnastischen Qualitäten eines rosenwerfenden Mädchenheers: 30 Statistinnen, die er, quer durch Europa, auf Wehrsportübung schickt, vor abfallender Böschung, eine starre Vielhundertschaft von honigfarbenen Scheinwerfern hinter dem sanft abgerundeten Hügelkamm (Bühne: Dionisis Fotopoulos).
Kleist treibt die Jamben vor sich her; peitscht sie durch eine nicht abreißende Folge von Botenberichten, ehe er seinen erhitzten Liebesfiguren, Penthesilea und Achill, eine traute, ganz in Wahn und Vagheit befangene Liebeszweisamkeit vergönnt.
Stein ersinnt wenigstens mit dem Chor ein vielköpfiges Wesen - ein quecksilbrig zusammenlaufendes Element, durch das der kalte Marchfelder Wind fährt. Dann wieder stockt die wässrige Lösung; verfallen die Damen in ein dunkles, raunendes Fauchen, während über dem Hügel das Helikopterknattern des menschlich wertvollen, politisch korrekten US-Vietnam-Films wie das Flügelschlagen von Libellen hereinzieht.
Warum entsteht aus diesen durchaus erhellenden Momenten in dem alle Zeit vom Niederschlag bedrohten Naturtheater von Carnuntum kein großes, glückstosendes Ganzes? Crippa spricht ihre erhitzten Monologe wie von Kothurnen herab. Es röhrt und tönt, als würde ein Hirsch gejagt. Achill (Graziano Piazza), der sie im Bewusstsein eines falschen Einverständnisses trügerisch wiegt, ehe er von ihren Hunden zerfetzt wird, belauert, mit Rosen keusch umgürtet, das schöne, dampfende Fleisch. Ein Genueser Kneipenwirt, der die erotische Willfährigkeit einer Pauschalurlauberin vorsorglich verkostet.
Selten war das Erhabene näher beim Lächerlichen. Der Kothurn - nichts als eine Windsandale.
© DER STANDARD, 27./28. Juli 2002
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Samstag, 27.07.2002 CHRONIK KURIER 10
Piero Bordin holt unermüdlich die ganz Großen der Theaterszene in das kleine Carnuntum. Seine Liebe zur antiken Kultur kennt keine Grenzen. Kein geringerer als Peter Stein inszenierte heuer Kleists Penthesilea.
[BILD] GEORG HÖNIGSBERGER
Niederösterreich Nummer: 206



Samstag, 27.07.2002 KULTUR_MEDIEN KURIER 31

Amazonen im Winterkostüm
KRITIK Peter Steins „Penthesilea" mit Maddalena Crippa im Amphithteater Carnuntum
von Caro Wiesauer
Seine Amazonen werden Pullover tragen, stellte der vergrämte, in eine Wolldecke gehüllte Peter Stein in Aussicht. Seine „Penthesilea" sei für südliche Gefilde konzipiert, eine Aufführung hier fast unzumutbar. Beim ersten Regentropfen werde abgebrochen. Und wenn also der Fluchtweg nicht freigemacht werde, könne man gar nicht erst beginnen.
Ganz so schlimm kam's dann doch nicht im Amphitheater. Zeus schickte zwar eine Kälte, die selbst winterlich ausgerüstete Zuschauer zittern ließ. Den Regen aber sparte er aus. Ein leidlicher Kompromiss.
Selten hat Art Carnuntum eine so teure Produktion am Spielplan (was auch für entsprechenden Andrang und Verzögerung sorgte): Abgesehen vom Starregisseur und Maddalena Crippa als Amazonenkönigin tummeln sich etwa 30 Amazonen auf der Bühne von Dionisis Fotopoulos.
MÄCHTIGER AUFWAND Und die kann sehr viel: Ein vorne abgerundetes, von Scheinwerfern und Klangkörpern umrahmtes Spielfeld steigt ab der Mitte steil zur gleißenden Rückwand an. Das ermöglicht Auf- und Abgänge im Sprinttempo sowie eindrucksvolle Szenen auf der Rampe.
Anstelle der Pullover wählte man doch recht schicke Overalls für die prächtigen Kriegerinnen; Penthesilea, ihre Freundin Protoe (Pia Panciotti) und die Griechen zeigten originalgetreu viel Haut (Kostüme: Franca Squarciapino).
Die Produktion ist für Griechenland, Italien, Spanien und Österreich gemacht. Da hätte man vielleicht den italienisch gesprochenen Text reduzieren und mehr auf Bildsprache, Choreffekte und Licht- und Klangregie setzen sollen. Lange Lamenti - ernsthaft und leidend die Crippa, dandyhaft und schmunzelnd Graziano Piazza als Achill - stören den Spielfluss sehr; nicht alle wollten zuwarten, bis Penthesilea nach der Zerfleischung Achills den Freitod wählt. Im Süden sind Zuschauer und Wetter wohl gnädiger.
Schwer, am Tag danach verschnupft ein faires Urteil zu treffen. Jedenfalls hat dieses Festival schon heutigere, spannendere und mutigere Interpretationen - mit weniger Aufwand - gezeigt.
[423] INFORMATION
bis Samstag, [Tel.] 2163 / 3400.
[BILD] ART CARNUNTUM
[BILD] Maddalena Crippa (Penthesilea), Graziano Piazza (Achill)


Kurier 3.August 2002:
Halali auf Wildschweine und Geweihe


Ein gellend lautes „Mamma mia, Mamma mia - corna, corna, corna", ließ Donnerstagabend den Marchfelderhof erbeben. Maddalena Crippa, italienische Schauspielerin und ehemalige Buhlschaft in Salzburg, leidet unter einer ausgewachsenen Phobie gegen Geweihe und Jagdtrophäen. Als sie ebensolche im Kaiser-Franz-Josefs-Saal des Restaurants erblickte, stürmte sie blitzartig, aufgeregt schreiend Richtung Ausgang. In Windeseile wurden sämtliche Geweihe entfernt. Das Diner anlässlich der Abschiedsfeier von Peter Steins „Penthesilea" mit der Carnuntum Schauspielertruppe konnte friedlich und wieder entspannt von Statten gehen. Die Crippa ließ es sich nach der Aufregung schmecken und lobte die Wiener Küche, als „die zweitbeste der Welt".

[BILD] PRESSEFOTO & FOTO MEIDL

[BILD] Geweih-Phobie: Crippa


Abend Nummer: 113
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Hörner-Halali im Marchfeld
[ 2002-08-03,Wien,LOKALES ]
Ex-Buhlschaft Maddalena Crippa in heller Panik
Einen Riesenwirbel veranstaltete die erregte Ex-"Jedermann-Buhlschaft" Maddalena Crippa in Gerhard Boceks berühmt-berüchtigtem Promi-Beisl "Marchfelderhof".
Als die temperamentvolle Italienerin den "Kaiser-Franz-Josefs-Saal" betrat, brach sie plötzlich in gellendes Geschrei aus: "Mamma mia, corne, corne!!!", drehte auf dem Absatz um und eilte zielstrebig Richtung Ausgang.Wie sich herausstellte, hat sie eine ausgewachsene Phobie vor Geweihen und Jagdtrophäen. Erst als der Hausherr in Windeseile sämtliche Sechzehnender und Hörner entfernen ließ, konnte mit Peter Steins erschrockenem "Penthesilea"-Ensemble Abschied von der Bühne in Carnuntum gefeiert werden.
© 2002-08-03 by "NEUE KRONEN ZEITUNG"
Sonntag,den11.August
Sonntag, den 11.August