einer Kunst der Schwächlinge aus eigenem Vorteil, wofür sie überlaufen, sich erniedrigen, Leben und Welt und also die Kunst am Ende vertun. 78Nicht am fremdsprachigen "Peer Gynt" oder durch die fernere, unkontrollierbarere "Orestie" mußte diese
Generation auf dem Theater sich beweisen. Da half keine Flucht in die Ausstattung. Dieser "Homburg" aus dem Jahre 1972 aus der Schaubühne ist kein Zufall. Er steht für die Zeit und die Urheber: Als
Symptom eines intellektuellen Systems. Jede Geste, jedes Wort, die Bilder und die Organisation des Ganzen. Wenn man kritisieren, urteilen müßte, fiele auf, wie dünn das Handwerk ist. Das fällt besonders auf in der
berühmten Szene Homburgs auf den Knien vor der Mutter oder in der Szene dann zwischen ihm und Natalie und in der Derwisch-Szene. Zwischen dem Dünnen und Dichten. Was sich hier ablesen ließe, das sind die Folgen der
"Aufklärung" genannten Erziehung nach dem letzten Kriege, eines Systems ohne Aura, das die Höhen abgeschafft hat, also auch die Tiefe der Wurzeln, aus Analysen ohne Seelenmythos und letztlich ohne
Herzenspoesie und damit ohne das Elementare, aus dem die Gesten der Worte kommen, die Spannung der Bilder jenseits des Kaufbaren und des Machbaren, dem der Macher und des Gemachten als Management des Intellekts, wie es
die Vorderbänkler lernen. Es ist das Gegenteil jenes Handwerks aus der Authentizität, woraus die Phantasie wächst, die jene Einbildungskräfte nährt, die zu unserer Identität unverwechselbar dann werden, zulassend und
erlaubt als Musikalität des Denkens. Und das ist Erkenntnis, die zum Bekenntnis wird. Würde. Und wie die Musik Lehrmeisterin ist unserer Identität, so ist sie auch Maßstab für die Beurteilung von Vergleichen
derselben Partituren, hier und dort, wo es um die Worte geht und die Töne und Pausen, wenn wir des Atems der Dichtung inne werden, des Lebens , so daß wir immer wissen, wo es stimmt und wo nicht, was richtig ist und was
falsch, was überleben wird und was nicht. 79 Natürlich sollte eine ernstzunehmende Kunst, solange sie dahin nicht kommt, nicht sein : Auf Leben und Tod. Solange sie das nicht anstrebt als
Wahnsinnskonsequenz, wie es hier der Fall war für den letzten Helden des klassischen Tons, diesen Abgrund des Ichs, - wo man nichts mehr lernt, wo allein das Böse abgetragen wird und das Gute nur noch mit letztem Sinn
zu sagen ist, in der Erschöpfung der Liebe selbst und bedürftig wie nach letzter Rettung gerade ihrer, verschüttet, verworfen, in Not -, voll der daraus wachsenden Heiterkeit immer innewohnenden Gefühls, solange ist sie
keine.Das ist, was sie unterscheidet von allen anderen. So einfach ist das. 80Vielleicht waren wir alle auch deshalb
verstrickt, wie betäubt in unserer Wahrnehmung, wir, die aufgeklärte Generation, weil wir gebannt und interessiert teilnahmen - wie an einem eigenen Drama - an jenem oben auf der Bühne vorgeführten damaligen
Zeitgeist, wenn dort in Berlin in diesem Modell - insgeheim oder offen - die privaten Spiele der Darsteller hinter den Masken der Texte vorgeführt wurden. Diese Meta-Ebene einer Theater-Kommune, nicht eines Ensembles,
vergleichbar mit etwa dem eines Burgtheaters oder der Münchner Kammerspiele, als Fortsetzung der '68er Gruppen-Spiele verschiedenster Varianten mit den Mitteln und Subventionen des Theaters war das eigentlich
Interessante dieser Zeitgestalt. Botho Strauß versuchte in seinen Texten sich daraus nährend die Partituren zu liefern. Alle Mitbestimmung war nur Aktivierung der Maskenspiele wie die Texte und offiziellen
Inszenierungsanläße. Von einem Dompteur dirigiert, unter Abhängigen, die seiner bedurften, wie er auch sie brauchte, ähnlich wie bei Fassbinder, nur in einem anderen Zimmer desselben Hauses ohne Dach und auf wackligem
Boden. Das konnte nur solange funktionieren, wie diese psychischen Wechselwirkungen griffen, trickreich und perfid. Die zahlreichen Fassbinder-Leute gaben später fleissig Auskunft, auch den Betriebsfremden. Es gab
Gastauftritte (Peter Lühr) und Fluchtbewegungen der Gruppe (Bruno Ganz). Solange der Kern zusammenhielt und gewollt war auch von der Zeit mit Medien und Publikumsinteresse, funktionierte das. Aber als die wichtigsten
Querverbindungen rissen, wie auch immer brüchig angelegt, war auch das ganze Modell der Zeit-Kunst kaputt, ohne Boden und Dach, schutzlos ausgeliefert, Theater.ohne Form. Am anderen Ort finden wir dieselben Leute in
vergleichbarer Konstellation, geistlos erstarrt im verblaßten Glanz revolutionärer Leere wieder. Das ist der Fluch eines Aufruhrs aus dem Kitzel der Psycho-Peitsche. Wer dazukam, wie damals Peter Lühr als Kurfürst,
chargierte bestenfalls als Zitat seiner selbst in einem zu persönlichen Kosmos ohne Kunst-Persönlichkeit. Wer wegging wie Bruno Ganz, mußte sich bewähren, auch ohne das Haus seiner Herkunft etwas zu sein, und wir kennen
die Ergebnisse. Wenn der Urheber des Ganzen dann, einmal ausgeliehen ohne seine Leute in Paris, nach dem Versuch des "Ring" zurückkam, wußten die anderen zu Hause insgeheim, daß auch er ohne sie nicht derselbe
sei. Nun, nachdem alle auseinandergelaufen waren und wieder zusammengeholt wurden in Salzburg, wirken sie wie aufgespießte Insekten, tot, im Labor ehemaliger Feiern der Zeit, zu denen es keine Musik mehr gibt. Alle
diese Konstellationen, Opfer, Qualen, sind legitim, wenn es der Sache dient, der Selbstbehauptung eines eigenen Kosmos der Kunst (RWF, wie auch immer) oder im Dienst an ihr, der Sache.Das Ergebnis ist offenkundig nun.
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