Montag, den 29. Februar

für den Raum: Für Heiner Müller

Hebbel-Theater
HAU Hebbel am Ufer

ab 3. März 18 Uhr

 

11:31 h Nossendorf: mehr Heu für Berlin

Für Heiner Müller



HM


Anlass für diesen Raum war die vor der Premiere abgesetzte Uraufführung von Heiner Müllers Stück „Die Umsiedlerin oder das Leben auf dem Lande“ im Jahre 1961 (Regie K. B. Tragelehn). Dokumentiert durch Fotos von den Proben (5) im Fragment eines Modellbuchs. Die Aufführung war als Arbeit einer Studentenbühne geplant. Das Verbot hatte Folgen für den Regisseur (ab in die Produktion des Tagebaus) und den Autor (Ausschluss aus dem Schriftstellerverband und politische Rechtfertigungsrituale der Selbstkritik). In dem Stück wurde die Situation der Menschen nach der sogenannten Bodenreform vorgeführt, die von Seiten der Regierenden der DDR als Befreiung und geschichtsgemäße Aneignung des ländlichen Raums durch die neuen Siedler gefeiert wurde, mit ehemaligen Landarbeitern und neuen Flüchtlingen aus dem nun polnischen Osten (Umsiedler genannt).


Das zunächst abgewehrte Stück wurde dann 1976 unter dem neuen Titel „Die Bauern“ in der Volksbühne (Regie F. Marquardt) öffentlich aufgeführt und durch Filmaufnahmen aus dem Haus dokumentiert (6).


Nach der Wiedervereinigung des Landes waren die nächtlichen Gespräche von Heiner Müller und Alexander Kluge im Fernsehen eine besondere Einrichtung des öffentlichen Lebens. Hier zeigen wir einen letzten Auftritt Heiner Müllers dort nach dem Krankenhausaufenthalt vor dem Tode. Und die Rede von A. Kluge zum Tode von Heiner Müller im Berliner Ensemble vom 16. Januar 1996 als ein besonderes Dokument dieser Geistes-Freundschaft (7).


Nach dem Fall der Mauer lud Heiner Müller 1990 in die Akademie der Künste Ost ein zu einer Diskussion um das Buch „Vom Unglück und Glück der Kunst nach dem letzten Kriege“ von Hans Jürgen Syberberg (1990) öffentlich zu sprechen. (Teilnehmer neben Heiner Müller und W. Mittenzwei: Susan Sontag, Bernhard Sobel, Werner Stötzer, K. Theweleit, Edith Clever) (8) Aufgezeichnet mit zwei Kameras. Separat dazu wurden als Filme die beiden Monologe zu Kleists Penthesilea und Die Marquise von O.... und Hitler, ein Film aus Deutschland gezeigt.



 





HJS


(1) Parallel zu der Vita Heiner Müllers und diesen Dokumenten aus dem östliche Teil des Landes, durch das Leben und die Arbeiten von Heiner Müller wie hier vorgeführt, entstanden im Westen zum gleichen Thema des Lebens auf dem Lande – nach dem Hitlerfilm (1977) von HJS – Die Nacht (1983) in Paris mit 5 Stunden Länge als Monolog von Edith Clever auf der Bühne in deutscher Sprache und nur dort aufgeführt und dann in 6 Stunden Länge als Film dort aufgenommen, mit einem Kapitel der Erinnerungen des Lebens auf dem Lande vor 1945.


(2) Und es entstand der Monolog Ein Traum, was sonst? von Edith Clever nach dem Fall der Mauern und nach dem erstem Besuch wieder am Ort der Zeit in Nossendorf 1989, also nach dem Verlust des Landes und aller Ställe, Scheunen und Gärten vor 1945, das Haus zum Abriss bestimmt, als Mahnmal nun des Verlusts allen Lebens vor 45. Nicht gewollt wieder auch und gerade im Westen und aufgeführt im Hebbel-Theater vor nahezu leerem Haus und erst 4 Jahre später in Salzburg doch noch aufgenommen (1994). Nach den Aufführungen auf dem Theater in Edinburgh, Moskau, Madrid, Parma usw.)


Den Entschluss 2000 das Haus doch noch mal zu übernehmen bezeugt die Kamera im ersten Gang durch das Fenster- und Türen-vermauerte Gehäuse der Verrottung (3).


Es gelang, dieses ehemalige Guts-Haus in Nossendorf nun ohne Land wieder zu beleben mit Berichten vom Wiederaufbau und täglichen Inter-Nachrichten seit 2000 vom neuen Leben Live mit 4 webcams (4) und als Ur-Hütte der Herkunft (redivivus) zu gestalten.










Zugaben


(9) Seinen letzten Bilderzyklus nannte A. Kiefer Morgenthau und er zeigt damit das von H. Morgenthau 1944 erniedrigte und enterbte östliche Land, aus den historischen Strukturen genommen und den Russen für diese "Drecksarbeit" überlassen als blühende Wiesenlandschaft seiner Kunst.


(10) Auf der Bühne das letzte Heu vom Sommer 2015 aus N. locker und einfach, wie früher erlebt und jetzt zwischen den Prospekten zu Füßen der großen Monologe dortiger Ernte der Jahre. Darüber das Modell der verlorenen Scheunen aus der Nacht.


(11) Im Foyer die 8mm Aufnahmen der abgesetzten Urfaust Inszenierung Brechts aus dem Berliner Ensemble von 1953, des damals aus Rostock kommenden Schülers, und nach 1989 von Heiner Müller (1993) im Auftrag des Berliner Ensembles überspielt auf digitale DVD (aus einer 35mm Kopie 1970 hochkopiert).


(12) Zu sehen ist auch der frühe Film zum Fall der Familie Pocci von 1964 für das Fernsehen (BR) über die Grafen am Starnberger See, deren letzter sein Schloss verließ, um im Stall darüber zu leben mit Unimog und Lederhosen unter seinen Pferden. Dessen Urgroßvater als Zeremonienmeister am bayerischen Königshof zur Zeit Richard Wagners selbst aus italienischer Abstammung den Kasperl Larifari erfand aus der italienischen Comedia del arte für die Kinder.


(13) Die Figuren (Gemalt von David Regehr) für den Markt in Demmin 2015, Demmin, dem 1945 abgebrannten und abgerissenen, zu einem Projekt des verlorenen Markts dort nahe Nossendorf, als Studien vom Leben der Menschen vor 100 Jahren


(14) Das Manuskript der Umsiedlerin von Heiner Müller (als Kopie) an der Kette, an die es gelegt wurde nach der Verbannung von Stück und Aufführung und Autor 1961 im Haus des Schriftstellerverbands und nachher öffentlich im Original verbrannt.


(15) Zu Kleists Marquise von O.. als Monolog von 1989 entstand der Prospekt des Schlosses von Friedersdorf an der Oder, wo Kleists Marquise von uns angesiedelt wurde. Und nun uns als Abbild der Leere nach dem Abriss des Schlosses, durch Fontane beschrieben als Haus der von der Marwitz in ihren Verdiensten um die Tugenden Preussens ("Wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht Ehre brachte" auf dem Grab, 1945 eingemauert).



(16) John Deer, der Traktor aus den USA als Modell der heimlichen Sieger auf dem Land heute , wie alle deutschen Traktorenfabriken aufgekauft und in amerikanischer Hand, für die nun übergroßen Flächen der neuen Besitzer maschinengerechter EU-Landschaften und ihrer Subventionen. Ein Drittel des Landes ist schon in nicht-lokalen Händen großer Konzerne.


Mittelpunkt aber der Welt (17 ) Delphi das Theater als Modell für Die Nacht 1984 zur Unterlage und Hintergrund des Titels, gebaut als das Urbild des Theaters und was es war und sollte.

Maß nehmend am Ursprung der Dinge. Ad fontes, zurück zu den Quellen, wenn sonst rundum alles verstopft und verschmutzt ist.


Dazu (18) ein Statement von Edith Clever aus einem Gespräch vor einiger Zeit im Hebbel-Theater (2014) mit ihrer Erklärung wozu Theater sei und was es ihr ist.


(19) Die Projektionen in die beiden Ecken der Bühne signalisieren links aus dem Verlust die Erinnerung an eine Haltung, mit dem Grab-Spruch eines von der Marwitz der seinen König nicht dienen konnte, als dieser die Zerstörung des Hauses nach dem Sieg über die feindlichen Sachsen verlangte und lieber abtrat bis der König an seinem Grab sich verbeugte vor diesem seinen Befehl verweigernden Mann. Und auf der anderen Seite die Sprüche der Sieger von 1945 mit Hass und Zerstörung oder Missachtung dessen, was uns ehrt.

(20) Ad libitum

tägliche News aus N. / Bln. (aktuell)

 

 





Anlässlich des 20. Todestages von Heiner Müller widmen wir ihm und seinem Genre-Bild nach 1945 vom Leben auf dem Lande in seinem Theaterstück Die Umsiedlerin die Ergänzung zum Leben vor 45 aus der Perspektive des Westens nun also von der anderen Seite, Ost und West zusammen als das Ganze. Was dort geschah.


Es war der Fluch aus Amerika (Morgenthau), der die Enteignung durch die Russen (einer muss die Drecksarbeit machen) als Reinigung des Landes von den Kriegstreibern als Schuldige auf radikale Weise durch Entzug von Boden und Häusern in deren Vernichtung vorsah und damit die Ent-Kultivierung auch der Natur.

So entstand eine besondere Hass-Gesellschaft in der DDR, die Heiner Müller 1961 auf die Bühne brachte mit offizieller Abwehr als politisch feindlich, weil nicht im Sinne des sozialistische Realismus mit aufbaufreundlichen Figuren und Geschichten.

Im Westen entstanden auf dem Theater Die Nacht (1983) in Paris und spät im Traum, was sonst (1990) die Monologe der Erinnerungen und Verluste dessen, was vor 1945 lag, als solitäre Gesänge, mit medialer Negierung oder Abwehr.


Heute widergespiegelt aus dem Nossendorf von 2016. Als ein teilweiser Rückerwerb, was gerade noch erlaubt wurde, nach der Devise Entschädigung durch Geld ja – Rückerstattung des Eigenen aus dem Geiste der Natur und Kunst nein. Dies ist die gesellschaftliche Situation auf dem Lande nach den Kulturverlusten der Geschichte des Kontinents. Was für Japan die Atombombe, war in Europa die Auflösung aller Verträge der alten Konstellationen von Boden, Natur und Kulturen. Und so die Antwort nun. Mit Delphi in der Mitte als Monument und John Deer als geheimem Sieger über die aller Kulturellen Aufträge entledigten Sieger. Das Heu in der Mitten der Natur auf der Bühne unter der verkohlten Geschichte. Ein Drama ohne lebende Darsteller. Diesen Fluch darzustellen und ihm zu begegnen ist hier versucht. Mit flüchtigen Bildern und Tönen an den Wänden des Raums. Wer sich setzt oder wer innehält, dem werden sie aufgehen. Zusammen erst bildet sich das Ganze. Wer durchs Land fährt der Ruinen im EU-Land der technischen Fördersysteme ganz andrer Ziele, weiß wovon hier gesprochen wird.

Ohne Fluch keine Tragödie und die nächste Revolte gegen die jetzigen Besitz- und Handlungs-Konstellationen wird von der revoltierenden Natur gemacht. Planetarisch ist der kosmische Raum. Unsere Techniken haben Mühe nachzukommen.