Protest der Richard-Wagner-Stadt München
Als Reaktion auf die Vorträge erschien in der Osterausgabe vom 16./17. April 1933 in den Münchner Neuesten Nachrichten ein kleiner Zweispalter mit der Überschrift Protest der Richard-Wagner-Stadt München, initiiert und verfasst vom Wagner verehrenden Direktor der Bayerischen Staatsoper, Hans Knappertsbusch, und unterzeichnet von 45 Persönlichkeiten, in einem Nachtrag noch einmal von weiteren drei Männern, überwiegend aus München, darunter den Komponisten Richard Strauss, Siegmund von Hausegger und Hans Pfitzner sowie dem berühmten Zeichner Olaf Gulbransson. Darin wird Thomas Mann in scharfen Worten vorgeworfen, er habe Richard Wagner verunglimpft. Pfitzner hatte den Text noch um einen bösen Satz entschärft. Knappertsbusch hatte allerdings weder einen der insgesamt fünf Vorträge gehört, noch den Essay je gelesen. Er kannte den Inhalt nur vom Hörensagen und aus Zeitungsausschnitten, die ihm aus den Niederlanden und vom Herausgeber der Münchner Zeitung (MZ), Wilhelm Leupold, bekannt gemacht worden waren. Leupold war Knappertsbuschs Bekannter aus dem Münchner Rotary Club, dessen Mitglied auch Thomas Mann bis zur Streichung am 4. April 1933 war. Die Streichung Manns im Rotary Club hatte gleichfalls intrigierend Leupold veranlasst. Leupold und der Chefredakteur der MZ Schiedt waren es auch, die den Text des „Protestes“ in erster Linie redigiert hatten. Knappertsbusch hatte mit den Nazis, die er stets „Proleten“ nannte, nichts am Hut. Er wurde im Februar 1936 aus München von den Nazis entfernt.
Die Zurechtweisung Thomas Manns trug im nationalsozialistischen Deutschland wesentlich dazu bei, dass er die Warnungen seiner Kinder Erika und Klaus ernst nahm[3] und sich zur Emigration entschloss. Er hatte diesen Schritt nicht vorbereitet. Mann und seine Frau kehrten von ihrem so geplanten Erholungsaufenthalt nach den Vorträgen in Arosa nicht mehr zurück
In seiner Erwiderung räumte Thomas Mann[4] ein, der vollständige Aufsatz sei ein „an Brechungen und Abtönungen des Gedankens reiches Bekenntnis“. Doch in dem Vortrag, der notwendig nur ein Teil des 52seitigen Druckmanuskriptes sein konnte, habe er noch „auf manche psychologische Schärfe“ verzichtet, die dem festlichen Anlass hätte zuwiderlaufen können. Weiter bezweifelt Mann, dass die Unterzeichner alle den vollständigen Text gelesen hätten, womit er völlig recht hatte. Niemand der Unterzeichner kannte Rede oder Essay. Eine öffentliche Polemik mit Pfitzner und von Hausegger schloss sich an; in der Schweiz meldete sich vehement Willi Schuh, der spätere Strauss-Biograf. Strauss nannte den „Protest“ später „die dumme Sache“, Gulbransson bat um Streichung seines Namens. Knappertsbusch selbst entschuldigte sich, auch öffentlich. Er verlor seinen Posten in München.