Dienstag, den 21. Februar

 

Die Unsitte sich in den Erfindungen der Kunst-Geschichte an deren Bildern im Theater und in Filmen zu bemächtigen, führt hier zu besonders interessantem Missgriff. Füssli der Maler zeigt eine eine Schlafende mit Ihrem Alpträumen als Afen, der sich ihrer bemächtigt. Sich dieser Vorlage zu bedienen, um den Gedankstrich in Kleists Marquise von O... zu illustrieren ist fatal, die bei Kleist schläft die Frau nicht, und hat so ihrer Gedanken, sondern fällt in Ohnmacht und ein Mann bemächtigt sich ihrer Hilflosigkeit ganz real.

Auf der Fahrt nach München im Zug hat der Theater-Mock der FAZ wieder zugeschlagen, um als Liebhaber dieses Bildes aus Rohmers Marquise abermals den Stand des Feuilletons zu diskrediiteen. Denn alles was zu diem Missbrauch geführt hat, sind fakes.

Das alles wäre eine schönes Beispiel von der Verwilderung der Sitten von Raubbau und Primitivität der sekunärden Künste des Films und seiner Entourage auf Festivals oder in den Zeitungen. Unterschiede nicht zu erkennen und Fehrgriffe zu benennen. Nun ist es in den Künsten siet Ihrer Entstehung üblich und Gesetz, von anderen Genres, grenzen überspringend, sie sprengend sich fruchtbar zu bedienen. Eaber es sollte mit Verdiensten sein am eigen Fach und sinnvoll in der Deutung. Hier macht man den Text der Kleistvorlage klein und täuscht den beteiligten Zuschauer, indem besondere Treue vorgemacht wird, durch Zitate im Off und mit Zwischentiteln stümperhaft und in der totalen sinnenstellenden Umstellung der Ablaufs der Erzählung speziell am Ende. Indem im Film die Geschichte des Schwans des Schwans, der mit Schmutz(!) beschmissen wird, aus der Mitte der Geschichte, als das Bild seiner Untat, plötzlich an das Ende geschoben wird, wo gerade die Marquise Kleists in heiterster Ruhe bereit ist mit Engelshilfe die Teufels-Anrufungen zu beschwören und lächelnd der Liebe voll zu vergeben,

Wer da eingreift in den beseligenden Fluss der Erzählung Kleists am Ende, folgt ihm nicht, sondern beschädigt den Autor und bereichert die Geschichte nicht durch eine neue Version eigener Kraft. Bieder-meier-lich war Kleist nie. Und, wenn er wie hier einmal heiter war, so aus einem Gewinn jenseitiger Überwindung, des Lächelns eingedenk, das auch immer seines Endes Schönheit wurde.

Polanski,von dem als Konkurent vor Produktionsbeginn an den Fleischtöpfen der Produktionsgelder für solche Filme berichtet wird, hätte sicher den Kleist-schen Gedankstrich durch eine eigene Version glaubwürdiger Schändung aufgemacht, das wäre nicht mehr Kleist, aber doch wohl zu einer Tat mit Kindesfolgen gekommen. Diese Frau dieses Bildes würde nie die Freuden eines Kinderlachens aus einer Vereinigung wie auch immer erleben, weil es aus diesem Bild nicht stattfinden kann. Und so auch keine Geschichte dieser Art, der Übertretung aller Grenzen und der Vergebung mit Reife der Liebe dazwischen. Der Film ist eine literarisierende Totgeburt aus Mangel an filmischen Leben heutiger Möglichkeiten diesen Stoff Grenzen überschreitend, -alle Weltkatastrophen mit drin und überwindend durch Kunst - darzustellen.

Was bei Füssli von ihr aus in Gedanken geschieht. geschieht hier bei Kleist ihr von aussen. Dieser Frau, eingewickelt im Kokon der Unschuld ihres Seins, kann man sich nicht von aussen bemachtigen. Schon bei Füssli nicht, und nicht in dem ziemlich plumpen Plagiat des Films. Da kommt ausser in Gedanken, niemand ran. Und der Film ist zuende bevor er anfängt. Der vom Anblick der Liegenden überwältigte Mann müsste seine Hose wieder zumachen, den Degen einstecken und gehen. Sie ist in der Eile des Geschehens eines Krieges geschützt durch ihr Gewand.

In Allen Versionen, der vermutlichen Vorlage Kleists, nämlich einer Geschichte Montaignes als Beispiel der Trunksucht der Frau, wird in der entschiedenden Szene dieser Untat, wert darauf gelegt zu betonen, wie esüberhaupt möglich war sich Ihrer zu bedienen, nämlich sie vorgefunden zu haben: .."unziemlich in Schlaf versunken" oder in "unschicklicher Haltung". Und man hört geradezu die Fliegen summen, als der Knecht die Beute nahm und wie sie dalag, zu Greifen nahe.

Diese Frau des Füssli auch im der filmischen Fassung ist uneinnehmbar, weder unziemlich oder unschicklich, noch schlafend oder betrunken, es sei denn die russischen Soldaten in Kleists Krieg hätten ihr Werk vorher solcher Art vorbereitet, dass der rettende Graf nun zum liebenden Gewaltäter werden konnte, sich der Willenlosen zu bemächtigen. Das aber zeigt dieses Bid und Zitat eben auch nicht.
Im Text selbst wird die Marquise vom Vater als"zehnmal die Schamlosigkeit einer Hündin, mit zehnfacher List des Fuchses gepaart" beschrieben und als eine, die womöglich behauptete, sie habe es Schlaf getan. Also alle Varianten der rätsalhaften Schwägerung ohne Wissen werden von Kleist selbst durchdekliniert und verworfen. Er hat also nicht Zweifel geschürt an ihrer Reinheit und der Film hat sich nicht bemüht, der Geschichte des Autors treuer zu sein als dieser selbst, wenn er die Unschuld der Frau in ihrer verzweifelten Not beschreibt, die Ursache der Tat nicht zu kennen.
Es sei denn in ihrem Inneren langsam ahnend zu verzeihen, was Untat war als Himmelsfügung zu nehmen, vor Ihr nicht anders zu können als so zu handeln, im Aufruhr der Sinne, im Kampfe sich ihrer gar nicht anders bemächtigen zu können als solcher Art. Das aber müsste jede adäquate Darstellung des Textes zulassen. Wovon in diem Film keine Spur sichtbar ist, auch nicht möglich ist, denn dieser Mann sieht nichts derartiges und der Zuschauer wird nicht woanders hingeführt als Ins Museum des Coffetable-Buchs und diese Frau ist ohne diese Möglichkeit des Ungeheuren Anlass, zugeschnürt wie eine Mumie im Grab, zur Schändung nicht geeignet, das Leben daraus wird, ausser der Zerstörung auch noch der schützenden Hülle.

Der einschüchternde Hinweis auf Deleuze ist der seltsame Beweis einer Qualität, wenn zugleich auf die mangelnde Kenntnis der Franzosen in Sachen Kleist und also des Urtextes, dem hier filmisch entsprochen werde, hingewiesen wird.

 

Übrigens waren es die Franzosen die nach 1945 den Prinz von Homburg mit vollem Ende eines Triumpfs von Preussen über seine Feinde mit Gerard Philippe aufführten.

Auf gebogenen Wegen erlaubt sich des Geschichte der Künste ihr Irren, wenns nur am Ende ankommt in realen Formen, die halten.