NAHOSTPOLITIKAutor: Robin Alexander und Clemens Wergin|08:49
So lief Kanzlerin Merkels U-Boot-Deal mit Israel
Angela Merkel hat den Export eines weiteren deutsche U-Boots nach Israel genehmigt – nach langen Verhandlungen. Dafür ist Premier Netanjahu der Kanzlerin entgegengekommen.

Eine der heikelsten Entscheidungen der deutschen Außenpolitik seit Langem fiel in dieser Woche beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit. Die Bundesregierung genehmigte die Lieferung eines weiteren in Deutschland gebauten U-Bootes an Israel. Die Bundeskanzlerin hatte die Entscheidung persönlich an sich gezogen – und lange hinausgezögert.

FOTO: PICTURE ALLIANCE
Ein U-Boot der Dolphin-Klasse (vorne rechts). Solche U-Boote will Deutschland nun nach Israel liefern
Es ging um viel: Denn das in der Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH in Kiel bestellte Schiff der Dolphin-Klasse könnte mit Mittelstreckenraketen nachgerüstet werden. Dass Israel über Atomwaffen verfügt, gilt als offenes Geheimnis.

Da Israel aber ein sehr kleines Land ist, werden diese erst mithilfe von U-Booten und Cruise-Missiles zu einem wirksamen Mittel der Abschreckung. Die iranische Führung träumt offen von der Vernichtung des jüdischen Staates und lässt mit Hochdruck an atomarer Bewaffnung bauen.

Dank der in Deutschland gebauten U-Boote kann der Iran jedoch nicht erwarten, Israel mit einem atomaren Erstschlag vollständig entwaffnen zu können. So gesehen werden in Kiel schwimmende Lebensversicherungen für Israel gebaut.

Existenz Israels ist deutsche Staatsräson

Die Existenz des jüdischen Staates zu sichern gehört zur deutschen Staatsräson. Die Lieferung von U-Booten, die schon unter Helmut Kohl begann, gilt als materieller Ausdruck dieser Maxime. Auch der Sozialdemokrat Gerhard Schröder sah das so: 2005 beschloss das rot-grüne Sicherheitskabinett in seiner allerletzten Sitzung die Lieferung von zwei U-Booten und eine Option auf ein drittes.

Merkel erklärte 2008 in der Knesset, dem israelischen Parlament, mit Blick auf Iran: „Die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar – und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bedrohung keine leeren Worte bleiben.“

In Sachen U-Boote war die Sicherheit Israels aber dann offenbar doch verhandelbar. Denn nachdem beide Seiten Anfang 2010 in Tel Aviv bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen die Aufnahme von Verhandlungen über das sechste U-Boot beschlossen hatten, fingen die Deutschen bald an, diese Frage mit Konzessionen im Friedensprozess zu verknüpfen.

Damit hatte Merkel unbemerkt einen radikalen Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik vorgenommen: Bis dahin hatte über alle Parteigrenzen hinweg gegolten, dass politischer Streit mit Israel ausgetragen werden kann, aber nie mit existenziellen Sicherheitsfragen verknüpft werden darf.

Deutschen haben ein gutes Druckmittel

Und die Deutschen hatten ein gutes Druckmittel in der Hand. Denn die bisher gelieferten Boote haben nur noch sieben bis zehn Jahre, bis sie ans Ende ihres üblichen Dienstalters kommen. Die Haltung Berlins ist äußerst wichtig für das kleine Land am Mittelmeer.

Deutschland gilt den Israelis in einem zunehmend kritisch bis feindseligen Europa als letzter verlässlicher Verbündeter. Durch die Entfremdung der Regierung Netanjahu von Barack Obamas Administration ist Merkel für Jerusalem noch wichtiger geworden.

Die Israelis verweigerten sich dennoch dem deutschen Anliegen, politische Fragen mit der U-Boot-Lieferung zu verknüpfen. Auf der Fachebene wurde derweil zügig Einigkeit erzielt. Ein ausformuliertes Memorandum lag rasch vor: Vom Kaufpreis in Höhe von 407 Millionen Euro übernimmt Deutschland ein Drittel, etwa 135 Millionen Euro.

Eine ähnliche Konstruktion wurde auch für die bisher gelieferten und bestellten U-Boote gewählt. Der Anteil des deutschen Steuerzahlers ist, einerseits, als Wirtschaftsförderung für die strukturschwachen Küstenregionen zu verstehen, andererseits aber auch eine Form der Entschädigung für nationalsozialistische Verbrechen. Israel hatte 2005 im Umfeld des U-Boot-Deals darauf verzichtet, von der DDR nie anerkannte Forderungen erneut an Deutschland zu richten.

Merkel pokerte mit Netanjahu

Das Geschäft war seit einem Jahr ausgehandelt. Und ruhte doch monatelang, ohne dass es unterzeichnet wurde. Es ruhte bei Merkel persönlich.

Als Mitte November der Haushaltsausschuss des Bundestages Informationen verlangte, verwies das für den Zuschuss zuständige Finanzministerium an das Verteidigungsministerium. Das wiederum richtete den Abgeordneten aus: Sache des Kanzleramtes. Schriftliche Informationen gab es keine.

Die Kanzlerin wollte sich nicht in die Karten schauen lassen. Denn sie pokerte mit Benjamin Netanjahu. Ein schönes Spiel war das nicht: Merkels Verhältnis zum israelischen Premierminister wurde immer schlechter. Im Februar kam es bei einem Telefonat gar zu offenem Streit.

Merkel warf Netanjahu vor, sich nicht an Absprachen zu halten. Israelische Berichte, die Kanzlerin habe persönlich gedroht, das U-Boot nicht zu genehmigen, werden im Kanzleramt nicht bestätigt. Allerdings berichteten mehrere Abgeordnete der „Welt am Sonntag“, die Regierung habe sie im Vertrauen darüber informiert, das U-Boot-Geschäft liege auf Eis – wegen der Siedlungspolitik.

Grüne und Linke frohlockten: Sie sehen in dem Geschäft einen Verstoß gegen die Rüstungsexportrichtlinien, die Waffenlieferungen in „Spannungsgebiete“ untersagen. Jetzt glaubten die Kritiker, Merkels Regierung würde sich dieser Argumentation annähern.

Heftige Reaktionen der Opposition

Umso heftiger reagieren sie jetzt, da Merkel doch noch unterschrieben hat: „Die israelische Regierung hält nach wie vor an ihrer Siedlungspolitik fest und genehmigt ständig neue Wohneinheiten. Es ist daher ein falsches Signal, dass die Lieferung der U-Boote doch noch erfolgt“, sagt etwa die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Müller.

Die Bundesregierung verteidigt sich gegen solche Vorwürfe auf eine bemerkenswerte Weise. Sie hat nach Informationen der „Welt am Sonntag“ sowohl Fraktionsvorsitzende als auch führende Außenpolitiker vertraulich informiert, dass es ein Entgegenkommen der Israelis gegeben habe.

Tatsächlich hat die Regierung Netanjahu am Mittwoch – an genau dem Tag, an dem die U-Boot-Lieferung bekannt wurde – einen Schritt auf die palästinensische Autonomiebehörde zu getan: Sie beschloss, die Überweisung von 100 Millionen Euro.

Bei dem Geld handelt es sich um Steuereinnahmen aus den besetzten Gebieten, die Israel für die Autonomiebehörde eingetrieben, aber wegen des palästinensischen Antrags auf Vollmitgliedschaft in der Unesco nicht weitergereicht hat. Der Eindruck, es bestehe ein Zusammenhang zwischen Steuern für die Palästinenser und U-Booten für Israel wird vom Kanzleramt auf Nachfrage nicht zerstreut.

Plausibler ist eine andere Theorie

Implizit ist das ein Eingeständnis des Politikwechsels: Die elementaren Sicherheitsinteressen Israels und Fragen der Tagespolitik sind also doch zusammen verhandelt worden. Abgeordnete der Regierungsfraktionen nehmen die Bundesregierung allerdings in Schutz: Man habe nie ernsthaft versucht, mit den U-Booten Druck zu machen.

Vielmehr habe man auf eine israelische Geste gewartet, um möglichst wenig Protest in einer zunehmend kritischen Umgebung in Bundestag und Öffentlichkeit auszulösen. Glaubhaft ist der Zusammenhang mit den palästinensischen Steuern übrigens nur sehr bedingt: Diese Mittel waren nur eingefroren und sind nun – nachdem die Palästinenser ihrerseits Zugeständnisse gemacht haben – wieder freigegeben.

Hier musste Netanjahu nicht über seinen Schatten springen, sondern hat sich gegen seinen radikalen Koalitionspartner, die Partei von Außenminister Avigdor Lieberman, durchgesetzt.

Plausibler ist eine andere Theorie: Als die iranische Politik Anfang der Woche mit der Erstürmung der britischen Botschaft eine neues Niveau an Aggressivität erreichte, entschied sich Merkel, dass Druck auf Teheran erst einmal wichtiger sei als Druck auf Tel Aviv. So hat Israel seine schwimmende Lebensversicherung doch noch bekommen.

1 von 2

Und die Deutschen hatten ein gutes Druckmittel in der Hand. Denn die bisher gelieferten Boote haben nur noch sieben bis zehn Jahre, bis sie ans Ende ihres üblichen Dienstalters kommen. Die Haltung Berlins ist äußerst wichtig für das kleine Land am Mittelmeer.

Deutschland gilt den Israelis in einem zunehmend kritisch bis feindseligen Europa als letzter verlässlicher Verbündeter. Durch die Entfremdung der Regierung Netanjahu von Barack Obamas Administration ist Merkel für Jerusalem noch wichtiger geworden.

Die Israelis verweigerten sich dennoch dem deutschen Anliegen, politische Fragen mit der U-Boot-Lieferung zu verknüpfen. Auf der Fachebene wurde derweil zügig Einigkeit erzielt. Ein ausformuliertes Memorandum lag rasch vor: Vom Kaufpreis in Höhe von 407 Millionen Euro übernimmt Deutschland ein Drittel, etwa 135 Millionen Euro.

Eine ähnliche Konstruktion wurde auch für die bisher gelieferten und bestellten U-Boote gewählt. Der Anteil des deutschen Steuerzahlers ist, einerseits, als Wirtschaftsförderung für die strukturschwachen Küstenregionen zu verstehen, andererseits aber auch eine Form der Entschädigung für nationalsozialistische Verbrechen. Israel hatte 2005 im Umfeld des U-Boot-Deals darauf verzichtet, von der DDR nie anerkannte Forderungen erneut an Deutschland zu richten.

Merkel pokerte mit Netanjahu

Das Geschäft war seit einem Jahr ausgehandelt. Und ruhte doch monatelang, ohne dass es unterzeichnet wurde. Es ruhte bei Merkel persönlich.

Als Mitte November der Haushaltsausschuss des Bundestages Informationen verlangte, verwies das für den Zuschuss zuständige Finanzministerium an das Verteidigungsministerium. Das wiederum richtete den Abgeordneten aus: Sache des Kanzleramtes. Schriftliche Informationen gab es keine.

Die Kanzlerin wollte sich nicht in die Karten schauen lassen. Denn sie pokerte mit Benjamin Netanjahu. Ein schönes Spiel war das nicht: Merkels Verhältnis zum israelischen Premierminister wurde immer schlechter. Im Februar kam es bei einem Telefonat gar zu offenem Streit.

Merkel warf Netanjahu vor, sich nicht an Absprachen zu halten. Israelische Berichte, die Kanzlerin habe persönlich gedroht, das U-Boot nicht zu

Geschafft. Die Kultur machts vor.

Das Festival von Cannes hat ihm wegen seiner missglückten Hitler-Witze Hausverbot erteilt. Aber für die Filmwelt bleibt der skandalumwitterte dänische Regisseur Lars von Trier ein Genie. Sein Endzeitdrama „Melancholia“ gewann beim 24. Europäischen Filmpreis in Berlin drei Trophäen: Als bester Film, für die Kamera und das Szenenbild. ...
Europäischer Filmpreis: „Melancholia“ gewinnt – Lars von Trier schweigt -

Wie man mit Preisen Politik machen kann. Gute oder schlechte. Wie im Falle L.v.T. in Cannes und Berlin. Europa doch noch-wieder frei?