DIE WELT

So viel MilitŠrgeschichte muss sein, wenn man fragt, wer Loriot war, bevor er Loriot war und die Deutschen das Lachen lehrte. BŸlow war Oberleutnant, stand also einen Rang Ÿber dem Leutnant und einen unter dem Hauptmann. Die drei bilden die Masse des Offizierskorps. Der Krieg war BŸlows Beruf. Jedenfalls hatte er vor dem Krieg keinen anderen gelernt, weil er direkt von der Schulbank zur Wehrmacht eingezogen wurde. Die Offizierslaufbahn lag jedoch in der Familientradition. Auch im Frieden wŠre Vicco von BŸlow mit einiger Wahrscheinlichkeit Berufssoldat geworden. Sein Geburtshaus in Brandenburg an der Havel stand gegenŸber einer Kaserne. Loriot erinnert sich: "Als ersten verbŸrgten Eindruck meines Lebens empfing ich den Blick auf eine rštliche Kasernenwand, deren wilhelminisch dekorativ geziegelte OberflŠche zunŠchst dem Auge, spŠter auch dem Griff des schwankenden Kleinkindes Zuversicht und StŸtze bot. Seither verschwimmen in meiner Erinnerung altvŠterliche Kasernenbauten und die mŸtterliche Brust zu einem harmonischen Ganzen."
Am Sinn des Krieges, an seiner Notwendigkeit zweifelte BŸlow nicht. Als preu§ischer Offizier verstand er sich natŸrlich nicht als rassenbiologischer Weltanschauungs- und Vernichtungskrieger. Herkommen und Stand mšgen ihm eine stabile ImmunitŠt gegen die nationalsozialistische Ideologie und ein gesundes †berlegenheitsgefŸhl gegenŸber den Nazis gegeben haben. Das ist das Mindeste, was man von einem Abkšmmling uralten mŠrkischen Adels erwarten konnte. Aber als militŠrische Fachkraft gab er gewiss sein Bestes. Er wird nicht umsonst mit dem Eisernen Kreuz Zweiter und Erster Klasse ausgezeichnet worden sein.
Was ist die Aufgabe eines Panzergrenadiers im Krieg? Der Panzergrenadier ist der dem motorisierten Panzerkrieg angepasste Infanterist. Auf SchŸtzenpanzern aufgesessen begleitet er die vorstŸrmenden Kampfpanzer in die Schlacht und macht alles nieder, was sie Ÿbrig lassen. Also das meiste. Der Panzer šffnet nur den Raum, den der Panzergrenadier erst noch wirklich freikŠmpfen und erobern muss. Es handelt sich bei ihm um das klassische Frontschwein. Bei der Bundeswehr spricht man mangels Fronten von der Kampfsau.
Wir mŸssen also annehmen, dass Loriot im Kaukasus und an den sich anschlie§enden KriegsschauplŠtzen seiner Division hauptsŠchlich mit dem Handwerk des Tštens beschŠftigt war. Mehr oder weniger eigenhŠndig. Daraus ist ihm kein Vorwurf zu machen. Er gab sich dazu zeitlebens eher wortkarg. Doch wenn er als Oberleutnant mit der Erfassung von Flora und Fauna eroberter Gebiete befasst gewesen wŠre, hŠtte er das wohl erzŠhlt, weil es seine Pflicht gewesen wŠre, die darin verborgenen Pointen zu heben. So viel wir wissen, hat er auch niemals erklŠrt, wie es ihm gelungen ist, als Oberleutnant den Krieg im Osten zu Ÿberleben, unversehrt. Das war fŸr einen Oberleutnant an der Ostfront der am wenigsten wahrscheinliche Fall.
BŸlow erzŠhlte, dass er den Krieg sportlich nahm, als Abenteuer. Er habe sich vorgestellt, im Wilden Westen zu sein. Wer zuerst schie§t, Ÿberlebt. In ihren geistvollsten Vertretern war die preu§ische Aristokratie in manchen Momenten very british . Und das Grauen? Da gab es die Nacht, in der ihn im verschŸtteten Graben etwas im Gesicht beim Schlafen stšrte - "es war die Hand eines Toten, die mich gestreichelt hatte". Schlimme Erlebnisse muss es auch mit einem russischen Frauenregiment und bestimmten VerstŸmmelungstechniken gegeben haben, wie in einer demnŠchst im Riva Verlag erscheinenden Biographie zu lesen ist. Dass die Steinlaus in den Stahlgewittern des Krieges wenn nicht geboren, so doch geistig gezeugt wurde, dass wissen wir aus Loriots eigenem Mund: "Ich war vier Jahre verlaust, von oben bis unten. Als sich ein junger Rekrut bei mir meldete, frisch aus der Heimat, ich war Offizier, fragte ich ihn: Haben Sie schon mal eine Laus gesehen?" Als der Rekrut verneinte, kratzte BŸlow eine Laus aus dem Kragen hervor und sagte: "Das ist eine Laus, mit diesem Tier werden Sie sich nun eine Weile beschŠftigen mŸssen."
Im Mai 1945 stand die 3. Panzerdivision in …sterreich und ging in amerikanische Gefangenschaft. Niemals ist KriegsglŸck wichtiger als im Moment der Niederlage. Vor allem fŸr den Einzelnen. Eine Voraussetzung dafŸr jedenfalls, dass aus BŸlow Loriot werden konnte, war die Tatsache, dass er im ersten Friedenswinter nicht in Sibirien, sondern im NiedersŠchsischen Solling Holz hackte. Als freier Mann. Wenn die Kriege vorbei und verloren sind, hacken die geschlagenen Krieger Holz. Vielleicht ist das eine Art †bersprunghandlung. Kaiser Wilhelm hat es in seinem niederlŠndischen Exil exzessiv getan. Er sŠgte und hackte wie ein Besessener. Sepp Bierbichler, der bayerische Schauspielberserker, zerlegt in "Holzschlachten" festmeterweise StŠmme aus seinem Privatwald auf der BŸhne und rezitiert dabei Aussagen des greisen aber unbelehrten KZ-Arztes Hans MŸnch. Im Holz hackenden Schauspieler wŸtet die Geschichte weiter.
Auch in Loriot wŸtet die Geschichte. WŠhrend er im Solling Holz hackte, tat sie das wahrscheinlich in ziemlich brachialer Weise. Als er die Axt mit dem Zeichenstift vertauschte, begann er, die Geschichtsbestie in einen Mops zu verwandeln. Dem Mops sieht jeder Hundekenner seine Kriegshund-Abstammung an. Dieses Molosser-Erbe ist bei ihm zŸchterisch ins Drollige, Groteske, ja LŠcherliche gebogen. Die alte Bundesrepublik war ein Land geschlagener Krieger, die Ÿber das Holzhacken auf den Mops kamen. Loriot ist fŸr immer ihr EhrenhŠuptling.

STERN

Ammerland am Starnberger See, so schon 1966/67 als der Pocci als letzter Akt seiner Familie und seines Schlosses gemacht wurde.

Das beneidete Haus des Flüchtlings aus dem Norden