wer?
steckt ein solches Sujet.
in einen Goldrahmen?
diskreditiert.
total.
weckt den Wunsch,
das Buch zu lesen.
den Film zu meiden.
um Authentisches zu erfahren.
den Sinn suchen?
als Opfer?
die die davon gekommen sind.
und sei es durch späte Geburt.
fühlen sich schuldig.
darum werden mögliche
die Schuld der Täter mindernde
Erklärungen.
immer mitgedacht.
und sei es in Form
von Wissenschaft.
erschüttert die Schilderung
des Gesprächsverlaufs.
besonders im Vergleich
der Geschehnisse von Ivenack.
und wenn wir wissen.
wie es in N. war.
müssen die Befreier
die Guten bleiben.
in einer Stadt,
in der so viele Verzweifelte
sich das Leben nahmen
aus (berechtigter) Angst vor ihnen.
(existiert nicht dazu ein Denkmal?)
es gibt keine Rechtfertigung.
für Vergewaltigung.
und zu beurteilen,
ob es eine ist.
obliegt nur dem Opfer.
wie kaputt.
ist dieses Land.
seine Menschen.
tröstend nur das Schlusswort.
dass die Deformation.
zumindest benennt.
den Krieg.
gegen Land und Tier und Baum.
als hätten wir nichts gelernt.
haben wir wohl nicht.
Form und Inhalt
unserer Gedenkorte.
Zeugnisse,
dass keine Identität vorhanden ist.
der ganz andere Ansatz.
am Eigenen.
einzig.
würde Lernen.
und Verständigung
möglich machen.
belegt am Beispiel.
des Kulturoffiziers nach der Vorstellung.
von Ein Traum, was sonst?

Tagespost, Würzburg
Katholische Zeitung für Politik Gesellschaft und Kultur

Forum - Ausgabe Nummer 54 vom 8.5.2010

Menschliche Gesichter mit wölfischen Augen

Der Roman „Alles fließt“ von Wassili Grossman erzählt von grausamen Lagererfahrungen im bolschewistischen Russland

Von Ingo Langner

Wieder gilt es einen Lagerroman anzuzeigen. Wieder müssen wir uns der schmerzlichen Pflicht unterziehen, einen literarischen Bericht aus der Stacheldraht-, Hunger- und Terrorwelt des 20. Jahrhunderts anzupreisen. Doch diesmal ist es nicht ein Buch über nationalsozialistische, sondern eines über die sozialistische Menschenverachtung. Es stammt aus der Feder des jüdisch-russischen Schriftstellers Wassili Grossman.

„Ja, alles fließt, alles ändert sich, man steigt nicht zweimal in denselben Transport.“ Möglicherweise ist mit diesem Satz schon alles gesagt. Möglicherweise genügt schon die Hervorhebung dieser titelstiftenden Zeile, um bei den Lesern dieser Buchrezension den Impuls auszulösen, Wassili Grossman unbedingt lesen zu wollen. Der 1905 geborene Autor fasst in dieser Sentenz eine Epoche zusammen, die von Historikern heute totalitär genannt wird, aber zu ihrer Zeit jubelnde, hochfahrende Hoffnung bei jenen Abermillionen auslöste, die in nicht endenwollenden Marschkolonnen hinter blutroten, im Winde klirrenden Fahnen marschierten. Mit seinem Meisterwerk „Leben und Schicksal“ hat Wassili Grossman Weltliteratur geschrieben. „Alles fließt“ ist sein weltliterarischer Epilog dazu. Zweifellos möchte Grossman mit diesem Titel einen weiten gedanklichen Bogen spannen, der bis ins antike Griechenland reicht.

„In dieselben Flüsse steigen wir hinab und nicht hinab, wir sind es und sind es nicht, denn in denselben Strom vermag man nicht zweimal zu steigen.“ So hat es Heraklit formuliert, der um 520 vor Christus geboren wurde, ein vorsokratischer Philosoph aus dem ionischen Ephesos war und um 460 vor Christus starb. Auf dem berühmten Monumentalgemälde „Schule von Athen“ hockt Heraklit ziemlich weit vorn auf einer Stufe, den Kopf in die linke Hand gestützt, seine federhaltende Rechte hat bereits fünf oder sechs Zeilen auf ein Blatt Papier geworfen, als Schreibunterlage dient ihm ein weißer Marmorsims. Raffael, der sein Fresko über die abendlandprägende antike Denkschule um 1511 im Auftrag von Julius II. für die päpstliche Stanza della Segnatura malte, hat die Philosophen Platon und Aristoteles ins Zentrum seines herrlichen Bildes gesetzt. Als Modell für die Figur des Heraklit nahm er – ohne dass der es ahnte – seinen Konkurrenten Michelangelo; der damals, zeitgleich mit ihm, ebenfalls im apostolischen Palast tätig war, um dort die Decke der Sixtinischen Kapelle auszumalen und von seinem schroffen Wesen her einen markanten Widerpart zum weltmännischen Raffael bildete.

„Dem ganzen griechischen Altertum galt Heraklit als der Dunkle“, schreibt Erich Friedell über ihn. „Die Zeit ist ein spielendes Kind, das Brettsteine hin und her schiebt.“ Wir dürfen getrost vermuten, dass Wassili Grossman auch diesen heraklitischen Ausspruch gut gekannt hat. Er würde auf fatale Weise auch gut zu den bolschewistischen Gulags passen, in denen sich kristallisiert, was die Sowjetunion ausmacht: „Oft hatte man den Eindruck, dass nicht nur die Menschen diese Fabriken, Meere, Kanäle in der Einöde nicht brauchten, sondern auch der Staat nicht. Manchmal schien es, als würden diese gewaltigen Bauvorhaben nur gebraucht, um Millionen Menschen mit Schwerarbeit in Ketten zu schlagen.“ Grossman hat in der russischen Arbeitslagerwelt das eigentliche Wesen des Roten Russenreiches erkannt. Kein Wunder, dass „Alles fließt“ ebenso vom sowjetischen Geheimdienst beschlagnahmt worden ist, wie Jahre zuvor „Leben und Schicksal“, wo es ebenso unmissverständlich, wie für die Sowjetmacht unerträglich heißt: „Es gibt nur eine Wahrheit. Zwei Wahrheiten gibt es nicht. Es ist schwer, ohne Wahrheit zu leben oder nur mit einem Splitter, einem Teilchen, mit beschnittener oder frisierter Wahrheit. Ein Teil der Wahrheit ist keine Wahrheit.“

Grossmans Romanhauptfigur Iwan Grigorjewitsch kehrt nach dreißig Jahren Lager und Gefängnis in die sowjetische Alltagsscheinfreiheit zurück. Er begegnet in Moskau und Leningrad alten Freunden und Feinden. Es sind Romanfiguren, die wir schon aus „Leben und Schicksal“ kennen. Er bemüht sich letztlich vergeblich, in eine „Normalität“ zurückzufinden. Iwan Grigorjewitsch spricht als alter ego seines Autors all das aus, was Wassili Grossman als Schriftsteller und Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg und in seinen unablässigen Kämpfen mit Zensur und Geheimdienst von der Natur des Bolschewismus bis in die abgründigsten Tiefen hinein erkannt hat, und worüber er um der Wahrheit willen nicht schweigen kann.

Vernichtung der Demokratie

Nach Heraklit ist ein jegliches Ereignis das Ergebnis einer Selbstentzweiung und Wiederversöhnung, ist der Krieg der Vater aller Dinge und der Streit der Pulsschlag der Welt. Auf diesem Grundgedanken beruht bekanntlich auch Hegels Philosophie, für den das Treibende in der Weltentwicklung der Widerspruch und dessen Auflösung ist. Lenin folgte Karl Marx darin, die hegelsche Dialektik vom Kopf auf die Füße zu stellen und sie so für eine theoretische Überhöhung von Hass und Gewalt, von Klassenkampf und Revolution nutzbar zu machen. Wassili Grossman hält dagegen: „Das 20. Jahrhundert hat Hegels Prinzip des weltgeschichtlichen Prozesses – ,Alles Wirkliche ist vernünftig‘ – ins Wanken gebracht. Just in der Zeit, da die Staatsmacht über die Freiheit des Menschen triumphiert, wird von russischen Denkern in Lagerwattejacken Hegels Gesetz umgestoßen und das höchste Prinzip der Weltgeschichte entwickelt: ,Alles Unmenschliche ist sinn- und nutzlos‘.“ Dieser Gedanke ist Grossmans Credo. Daran hält er beharrlich auch in der größten Dunkelheit fest und singt tapfer sein Loblied auf die trotz allem unzerstörbare Freiheit des Menschen: „Die bolschewistische Generation glaubte nicht an den Wert der Freiheit des Individuums, des Wortes und der Presse in einem bourgeoisen Russland. Wie Lenin hielten sie die Freiheiten, von denen viele Arbeiter träumten, für beschränkt und nichtswürdig. Der neue Staat hatte die demokratischen Parteien vernichtet und damit die Bahn für den Aufbau des sowjetischen Russland freigemacht, (...) und der Staat, der vermeintlich das Mittel gewesen war, hatte sich als Zweck entpuppt. (...) Der Staat war zum Herrn geworden, das Nationale wurde von der Form zum Inhalt und Kern, es verbannte das Sozialistische in die Hülle, in die Phraseologie, in die Schale, in die äußere Form.“

Grossmans Analyse der sowjetischen Wirklichkeit ist tiefgründig und messerscharf. Furchtlos bringt er zu Papier, was er über die scheinbare „Gottgleichheit und Unfehlbarkeit des unsterblichen Staates“ erkannt hat. Ein Staat, der „den Menschen nicht nur unterdrückt“, denn er „hatte ihn auch geschützt, in seiner Schwäche getröstet und seine Nichtigkeit gerechtfertigt; der Staat hatte die ganze Last der Verantwortung auf seine ehernen Schultern genommen und die Menschen vom Hirngespinst des Gewissens befreit.“

Grossman scheut sich nicht, den „Kannibalismus während der Kollektivierung“ anzuprangern und dessen schrecklichste Details zu enthüllen: „Die Hungernden liegen da und krepieren. Manche werden wahnsinnig. Die beruhigen sich bis zum Schluss nicht. Man sieht es an ihren glänzenden Augen. Diese Wahnsinnigen haben die Toten zerlegt und gekocht und ihre Kinder getötet und aufgegessen. In ihnen kam das Tier hoch, wenn der Mensch in ihnen gestorben ist. Ich habe eine Frau gesehen, Gesicht eines Menschen, aber Augen wie ein Wolf. Diese Menschenfresser sollen allesamt erschossen worden sein. Aber sie sind nicht schuldig, schuldig sind die, die eine Mutter dazu gebracht haben, ihre Kinder zu essen.“

Freimütig formuliert Wassili Grossman auch, was er über den für viele immer noch unantastbaren Staatsgründer Lenin denkt: „Lenin opferte und tötete um der Machtergreifung willen das Heiligste, was Russland hatte – seine Freiheit. (...) Lenins Synthese aus Unfreiheit und Sozialismus frappierte die Welt stärker als die Entdeckung der Atomenergie. Die europäischen Apostel der nationalen Revolutionen erblickten die Flamme im Osten. Die Italiener und nach ihnen die Deutschen entwickelten eigene Ideen des Nationalsozialismus. Die Flamme loderte immer höher – Asien und Afrika nahmen sie wahr. Nationen und Staaten können sich im Namen der Stärke auch gegen die Freiheit entwickeln. Das war keine Nahrung für Gesunde, das war die betäubende Arznei für Gescheiterte, Kranke und Schwache, Abgehängte und Geschlagene. Das tausendjährige russische Gesetz der Entwicklung wurde durch Lenins Willen, Leidenschaft und Genie zum Weltgesetz. Das war das Verhängnis der Geschichte. (...) Die (russische) Leibeigenenseele steckt auch in Lenins Revolution.“

Inszenierung einer toten Freiheit

Nach Lenins Tod setzte sich Stalin an die Spitze der Sowjetunion. Ein Sechstel der Menschheit glaubte in ihm den Meisterdenker und Meisterlenker der Weltrevolution vor Augen zu haben. Ein Sechstel der Menschheit ignorierte oder verdrängte wie in einem pathologischen Massenwahn Stalins offenkundiges Wesen. Grossman beschreibt es so: „Stalin versammelte in seinem Charakter alle Züge des leibeigenen Russland, das kein Mitleid kannte. In seiner unglaublichen Grausamkeit, in seiner unglaublichen Treulosigkeit, in seiner Fähigkeit, sich zu verstellen und zu heucheln, in seiner nachtragenden Art und Rachsucht, in seiner Grobheit und in seinem Humor äußerte sich der asiatische Potentat.“

Nach all dem kann Grossmans Generalabrechnung mit dem Sowjetkommunismus nur lauten: „Das Grundprinzip des von ihm errichteten Staates besteht darin, dass es in diesem Staat keine Freiheit gibt. Die abgetötete Freiheit wurde zum Schmuck des Staates, der jedoch nicht nutzlos war. Die tote Freiheit spielte die Hauptrolle in einer gigantischen Inszenierung, in einer Theatervorstellung nie gekannten Ausmaßes.“

Wassili Grossmans verzweifelt anmutende Hoffnung, seinen Roman, der die bittere Wahrheit über die Sowjetunion und ihre Politiker enthält, noch vor seinem Tod 1964 in seiner Heimat selbst veröffentlichen zu können, kann nur aus einer nahezu überirdischen Kraft gespeist worden sein, kann nur von einem Menschen ersehnt werden, der sich selbst als Mitarbeiter der Wahrheit begreift. Wenn „Alles fließt“ erst heute in deutscher Sprache vorliegt, kommt es zwar spät, aber doch nicht zu spät, wenn es zum Augenöffner für jene wird, die über die wahre Natur des Kommunismus noch immer im Unklaren sind. Wichtige Auszüge daraus sollten in Schulbücher eingehen – nicht nur in den neuen Bundesländern.

Wassili Grossman war Jude, kein Christ. Ob er ein gläubiger Jude war, wissen wir nicht. Nach Heraklit ist vor der Gottheit alles gleich schön, gut und gerecht, „nur die Menschen halten das eine für unrecht, das andere für recht“, und unsere Welt war für den griechischen Meisterdenker von jeher unvergänglich wie „ein ewiglebendiges Feuer, das nach Maßen sich entzündet und nach Maßen wieder erlischt“. Möglicherweise hat sich Wassili Grossman an diesem heraklitischen Gedankenfeuer erwärmt und sich so trösten lassen in nachtdunkler Zeit.

Wassili Grossman: Alles fließt. Ullstein Verlag, Berlin 2010, 240 Seiten, ISBN: 978-3- 550-08795-0, EUR 24,95

aus Maine /USA
M.Strom
zur gestrigen Veranstaltung 65 Jahre 8.Mai

Die Versammlung:
Dr. Scherstjanoi, eine neue Kommissarin? (hello, Grund 4: Ilya Ehrenburg, bitte)

Es ist für Leute wunderbar, die historischen Verbrechen ihres Landes anzuerkennen.
Ich bedauere, dass mehr Amerikaner diesen Sinn und Kenntnisse nicht hatten.
Jedoch müssen Leute auch vor Manipulanten schützen, die ein unvollständiges Verstehen aus politischen Gründen schaffen
(es sind nicht nur Nazis, die das tun).
Ich bedauere auch, dass mehr Amerikaner diesen Sinn nicht hatten.