HAB MITLEID

Hab Mitleid mit der Magnolie
Die der Sturm beutelt
Hab Mitleid mit der Tanne
Die unter der Schneelast ächzt
Hab Mitleid mit dem Kind
Das im Kaufhaus stiehlt
Hab Mitleid mit dem Politiker
Der scheinheilig bekennt
Mea culpa Mea maxima culpa
Hab Mitleid mit dem Piloten
Der Hiroshima bombte
Der Vietnam zerbombte
Hab Mitleid mit dem Staatsmann
Der sich und seine Taten preist
Denn ihm gehört das Wollwollen
Der Herde
Hab Mitleid mit dem Bombenleger
Der sein Gewissen atomisiert
Hab auch Mitleid mit dir selbst
Denn du bist Magnolie und Tanne
In einer Person

VON DER BARBAREI
ZUR ZIVILISATION
BEDARF ES EINES JAHRHUNDERTS
VON DER ZIVILISATION ZUR BARBAREI
JEDOCH NUR EINES TAGES

Karl-Johannes Vogt (*1919)

aus: "MEIN JAHRHUNDERT IN DER ZIVILISATION"
(Edition naHbell, G&GN-Verlag, Herbst 2010)

* der Autor..........................................
geb. am 29.10.1919, lebt in Jülich (zwischen Aachen und Köln) über sich selbst:
"Ich bin am schönsten Ort der Welt geboren, in einem romantischen Dörfchen,
fernab der großen Städte. Als ich Jahre später die Vorteile von gepflasterten
Straßen, das Angenehme einer Wasserleitung und einer Wasserklo-Spülung
erkannte, blieb trotz des Erstaunens doch der romantische Nimbus meines
Geburtsortes erhalten. Er war durch die Märchen-Erzählungen meiner Mutter
und durch die Neugier erweckenden Berichte meines Vaters über das Sonnen-
system und das Weltall für alle Zeiten gefestigt. Selbst der viel gepriesene,
gewaltige Kölner Dom war in meinem kleinen Schädel zwar bewundernswert,
aber im Vergleich zu unserer kleinen Kirche nur ein unübersichtliches Gebäude,
denn im Leben dieser Kirche war, selbst wenn sie leer war, noch ein wunderbarer
Summton, wie nach dem dröhnenden Te Deum der Orgel. All dies hat mich geprägt,
hat Träume ausgelöst und Neugier auf das Leben geweckt."

Heinrich Böll schrieb ihm einst, daß ihn seine Gedichte sehr berühren und er weiter
dichten solle. Vogt hielt diesen persönlichen Brief sein Leben lang geheim, wie es
sich eben für private Post gehört - und wurde bis heute nicht veröffentlicht...
Im Sommer 2009 wurde "dem unbekannten Dichter" Karl-Johannes Vogt durch das
Berlin-Neuköllner G&GN-Institut der 10. NAHBELL-Preis für dessen "lebenslängliche
zeitgeistresistente" Produktivität zuerkannt. Außerdem erschienen im Herbst 2009
beim G&GN-Verlag 14 ausgewählte Gedichte aus den Manuskripten "MOMENTE" I+II
unter dem Titel "DAS FLUGZEUG ÜBER MIR WECKT KEINE SEHNSUCHT" in der
Edition naHbell als Vogts allererster Lyrik-Einzelband. Im öffentlich-rechtlichen
Rundfunk gab es vor einigen Jahren ein Hörspiel. Ein Roman ist vom Autor auch
lieferbar. Für Herbst 2010 ist die Herausgabe des zweiten Gedichtbandes geplant
unter dem Titel: "MEIN JAHRHUNDERT IN DER ZIVILISATION". (G&GN-Pressetext)