Die Bombardierung der Tanker in Kunduz ist der Supergau eines militätischen heute allen und den Tätern während der Tat einsehbaren Massenmords an Kindern und Zivilisten, von Deutschen zu verantworten, in wessen Namen auch immer. Wer sich dahinterstellt, macht sich mitschuldig. Wer sich heute davonschleicht ebenso. Dass deutsche Gerichte das als rechtlich nicht zu beanstanden erklären und damit die Täter stützen, macht sie beängstigend verdächtig. Wir sollten heute lieber 3x klüger sein und 10x öfter nachfragen als alle anderen, was auch immer diese jetzt tun. Sonst wären 65 Jahre umsonst. Und wenn wir nur dies gelernt hätten, wären manche andere Schandtaten des Alltags an Natur und Menschen schon solche unter mildernen Umständen.


 

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Es liegt ein großer Reiz in einem reinen Weibe

VON STEFAN KOLDEHOFF11. Mai 2010, 04:00 Uhr
Nach Bischof Mixa und Klaus Rainer Röhl der nächste Verdächtige: War der Expressionist Ernst Ludwig Kirchner ein Pädophiler?

Es ist eine merkwürdige Diskussion, die die gerade eröffnete Ernst-Ludwig-Kirchner-Retrospektive im Frankfurter Städel unter einigen deutschen Kunsthistorikern und -kritikern ausgelöst hat. Geschuldet ist sie auf der einen Seite der aktuellen gesellschaftlichen Debatte über die Missbrauchsskandale in vor allem katholischen Einrichtungen. Zum anderen spielt offenbar der Wunsch mancher Medien nach Skandalisierung von Kunstthemen eine Rolle, mit der man sich von den klassischen Ausstellungsrezensionen der Konkurrenz abheben kann. Schließlich zeigt selbst der "Spiegel" schon seit Jahren erfolgreich, dass sich Kunst besser als Mischung aus Sex, Crime und Atelierbesuchen denn als Auseinandersetzung mit Formen und Inhalten vermitteln lässt. "Ob ein Künstler ins Heldenpantheon der Avantgarde eingeht", kommentierte süffisant die "NZZ" das Beispiel Kirchner, "hängt maßgeblich davon ab, ob er skandalfähig war."

Diesmal geht es im Kern um nicht weniger als die Frage, ob Ernst Ludwig Kirchner ein Pädophiler war, dessen Werk nicht allein kunsthistorischen, sondern dringend auch moralischen Kriterien unterzogen werden muss. Den Anfang machte ein kleiner Text im Branchenbrief "Informationsdienst Kunst", in dem seit langem bekannte historische Ereignisse in den aktuellen Kontext eingeordnet werden. Wenig später folgte das sonst eher prüde Hamburger Kunstmagazin "art" mit einer Titelgeschichte, die ebenfalls "Das andere Gesicht des Ernst Ludwig Kirchner" versprach. Auch darin wurde dunkel davon geraunt, dass die Expressionisten "stimuliert vom Rausch des Lebens unmittelbar ihre Gefühle und Triebe auf die Leinwand fließen lassen" wollten, und darauf hingewiesen, dass sexueller Missbrauch von Kindern auch im Kaiserreich schon unter Strafe stand.

Die Vorliebe von Kirchner und seinen Kollegen Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff für sehr junge Modelle ist kein Geheimnis, das noch zu enthüllen wäre. Einen der Gründe für die Modellwahl benannte Kirchner, als er im März/ April 1919 an Heckel schrieb: "Marzella ist jetzt ganz heimisch geworden und entwickelt feine Züge... Es liegt ein großer Reiz in einem solchen reinen Weibe... Toller als in den älteren Mädchen .. Der Reichtum ist sicher größer jetzt." Aus solchen Einzelzitaten lässt sich natürlich leicht eine sexuell motivierte Faszination der Maler für ihre Modelle konstruieren, die wohl auch vorhanden war.

Der Expressionismus-Forscher Gerd Pressler, der dem Thema schon 1998 detaillierte Passagen seines Buches "Ernst Ludwig Kirchner - Seine Frauen, seine Modelle, seine Bilder" widmete, weist aber auch auf eine andere, ästhetische Deutungsmöglichkeit hin: "Kirchner schätzte die jugendlichen Modelle, die mit ihren schlanken Körperformen seinem Gestaltungswillen entgegenkamen. Marcella besitzt in anderen Werken Kirchners, darunter dem berühmten Gemälde, das Pontus Hultén für das Moderna Museet in Stockholm erwarb, eine gewisse unverbrauchte Frische, Lebendigkeit und Ungeziertheit, die Kirchner faszinierte und die er in neue Formen der Gestaltung goss."

Auch Felix Krämer, Kurator der aktuellen Frankfurter Kirchner-Retrospektive, macht keinen Bogen um dieses Thema. Er beschreibt - im Katalog, aber auch mit Hilfe ausgestellter Werke wie den selten gezeigten siebenteiligen "Erotica"-Lithographien von 1910 - die Bedeutung des Themas Sexualität für Kirchners Schaffen. Dessen Atelier war voll von Aktdarstellungen - als Bilder, Ofenkacheln, Wandbehänge, Skulpturen und selbst als Möbel. Die Fotos, die Kirchner dort aufnahm, zeigten häufig ebenfalls nackte Menschen. Gerade sie belegen aber auch deutlich, wie inszeniert die Sexualisierung dieser Kunstwelt gewesen ist: Mindestens so sehr, wie man die nach außen getragene Sexualität zu leben vorgab, posierte man auch nur für sie.

Wie weit diese Selbstinszenierung ging, wo die Wahrheit endete und die Dichtung begann, lässt sich heute kaum noch rekonstruieren. Krämer glaubt Kirchner nicht alles, was dieser zu Lebzeiten in Wort und Bild behauptet hat. Dass der Maler ein begnadeter und erfolgreicher Selbstvermarkter und als Kontrollfreak auch ein egozentrischer Zeitgenosse war, der zur Eigeninszenierung als Genie auch viel erfand, ist die große Erkenntnis der aktuellen Frankfurter Ausstellung. Dazu, sagt Krämer, gehöre aber auch die Überbetonung des Sexuellen. Junge, testosterongesteuerte Kerle, die sie waren, hätten die Expressionisten der "Brücke" auch im Hinblick auf ihre Lebensumstände vieles erfunden, um sich und ihre Kunst als viril und kraftstrotzend vermarkten zu können.

Was trotzdem bleibt, sind die Werke: Zeichnungen der jungen Mädchen, mal mit weit gespreizten Beinen und geöffnetem Geschlecht, mal nackt auf dem Rücken eines Mannes sitzend, werfen natürlich Fragen auf: Hätten die Kinder diese Posen verweigern können? Warum forderten die jungen Maler sie überhaupt? Und wie weit ließen sie sich auf die offensichtlich vorhandene erotische Anziehung ein? Ein schriftlich überliefertes Bild mit dem Titel "Fränzi mit Liebhaber", das mehr verraten könnte, gilt als heute verschollen.

Und es gibt die oft zitierten Selbstzeugnisse, auch von Kirchner. Sie allerdings müssen sehr genau gelesen werden, bevor sie zu posthumen Verurteilungen führen können. Das Magazin "art" zum Beispiel zitiert Kirchner mit dem Satz: "Heckel als geiler Sachse stürzte sich auf sie (Fränzi) und vögelte sie ab". Erweckt wird damit der Eindruck, Erich Heckel habe Geschlechtsverkehr mit einer Achtjährigen gehabt.

Tatsächlich zogen die jungen Maler Pechstein, Kirchner und Heckel ab 1909 mit ihren noch jüngeren Modellen regelmäßig an die Moritzburger Teiche in einem Naherholungsgebiet nördlich von Dresden. "Wir lebten in absoluter Harmonie, arbeiteten und badeten", beschrieb Erich Heckel in seinen Lebenserinnerungen jene Zeit. Als Modelle dienten den Malern neben den eigenen Freundinnen unter anderem zwei minderjährige Mädchen: Lina Franziska Fehrmann, die die Maler "Fränzi" nannten, und ein zweites, bislang nicht identifiziertes etwas älteres Mädchen, das Postkarten mit Marcella unterschrieb und zu dem eine Ausstellung im Herbst im Sprengel-Musuem Hannover erstmals biografische Details benennen will. Viele Gemälde und Zeichnungen geben auch diese beiden Kinder in eindeutig zweideutigen Posen wieder. Dass sich der von "art" zitierte Kirchner-Satz über seinen Freund Heckel allerdings auf eines dieser beiden Kinder bezog, wäre erst noch zu belegen.

Tatsächlich schrieb Ernst Ludwig Kirchner in seinem "Davoser Tagebuch" nämlich wie folgt: "Wir hatten in Dresden ein kleines Mädchen als Modell von 12 Jahren an. Es kam oft zu uns, und wenn Heckel da war, so zeichnete er mit. Es vergingen Jahre, und plötzlich erschien einmal die Kleine wieder als junges Mädchen von 16 Jahren. Heckel als geiler Sachse stürzte sich gleich auf sie und vögelte sie ab. Wir gingen mit ihr nach Moritzburg, und Heckel lag oft bei ihr."

Dass es sich dabei um Franziska Fehrmann handelte, wie "art" behauptet, sagt Kirchner nicht. Das wäre auch rechnerisch kaum möglich gewesen: Die Dresdner Handwerkertochter war im Oktober 1900 geboren worden. Sie war, als im August 1909 die Werkserie an den Moritzburger Teichen entstand, also weder 12 noch 16, sondern acht Jahre alt und deshalb kaum das von Kirchner beschriebene Mädchen. Als Kirchner Franziska Fehrmann im Februar 1926 bei einem Deutschlandbesuch wiedersah, notierte er in sein Skizzenbuch: "Ihre Jugenderinnerungen an Moritzburg etc. sind auch ihr das Liebste im Leben."

Unzählige Skizzen und Gemälde von den Moritzburger Seen belegen, dass sich die Maler dort keineswegs nur allein mit den Mädchen aufhielten, sondern zu ihrer Entourage auch ältere Frauen gehörten. Dass dieses libertäre Zusammensein der Macho-Maler mit den Modellen ihre wilhelminisch-prüde Umwelt schockierte, beschrieb Heckel selbst, als er sich an das Auftauchen eines Ortsgendarmen erinnerte: "Ohne dass wir es ahnten, war er uns nachgeschlichen. Er fragte uns, was wir hier trieben. Schnell huschten die beiden Mädchen in ihre Bademäntel, und wir standen vor ihm, nach seiner Meinung ertappt bei gröblicher Versündigung gegen die Sittlichkeit. Es nutzte nichts, ihm klarmachen zu wollen, dass das Aktmalen unsere berufsmäßige Arbeit sei und dass nicht nur wir, sondern auch die Malklassen der Königlich Sächsischen Akademie nackte Menschen in Gottes freier Natur zum Studium benötigten." Anschließend seien die Maler mit den Mädchen regelmäßig auf eine Insel geschwommen, die Malutensilien auf dem Kopf balancierend, und hätten dort ihre Arbeit "desto grimmiger" fortgesetzt.

Kein Wort von Sex, nur von Skandal. Kirchner könnte sich darüber gefreut und die Vermutungen der braven Bürger nur zu gern durch Geschichten bestätigt haben, die nicht immer auch der Realität entsprachen. Wie gern er so verfuhr, ist im Frankfurter Ausstellungskatalog ausführlich nachzulesen. "Kirchner war auch ein Angeber", bestätigt Felix Krämer. "Mit dieser Erkenntnis will ich nichts unter irgendeinen Teppich kehren. Aber überprüfbare Belege für Kindesmissbrauch habe ich bislang auch nicht gefunden."

Sollten sie sich doch noch finden lassen, stünde einmal mehr die Frage zur Diskussion, wo mit der moralischen Beurteilung von Künstlern anzufangen, wo aufzuhören wäre. Paul Gauguin nahm auf Tahiti die 13-jährige Teha'amana zur Frau und ließ sie 1893 bei seiner Abreise schwanger zurück. Bei seiner Rückkehr 1895 wurde die 14-jährige Pau'ura Gauguins Geliebte. Das erste gemeinsame Kind starb kurz nach der Geburt, das zweite, der 1899 geborene Emile Marae a Tai, überlebte. Egon Schiele zeichnete minderjährige Mädchen in pornografischen Posen und wurde wegen angeblicher sexueller Übergriffe, die sich als haltlos erwiesen, inhaftiert. Heinrich Zille verewigte in seinen "Hurengesprächen" auch minderjährige Prostituierte beim Sex. Otto Meyer-Amden zeichnete seine detaillierten Knabenakte. Balthus unterhielt unter anderem Liebesbeziehungen zur 16-jährigen Laurence Bataille, zu seiner eben so alten Nichte Fréderique Tison und zu einer Freundin seines damals noch jugendlichen Sohnes. Seine Bilder nackter junger Mädchen wurden unter anderem mit dem Kunst-Nobelpreis "Praemium Imperiale" ausgezeichnet.

Lewis Carroll fotografierte vor allem leicht bekleidete Kinder. Seine Beziehung zu Alice Liddell, dem Vorbild für seinen Roman "Alice im Wunderland" sollte nie geklärt werden: Carrolls Erben vernichteten nach dessen Tod alle entsprechenden Tagebuchseiten, Liddells Eltern verbrannten die von Carroll an das Kind gerichteten Briefe. Novalis verlobte sich an deren 13. Geburtstag mit Sophie von Kühn, die zwei Jahre später starb. Edgar Allen Poe heiratete seine damals 13-jährige Cousine Virginia Clemm. Damals, so ist heute häufig zu lesen, sei so etwas nicht ungewöhnlich gewesen.

FAZ
würdigt, freut sich informiert von Geschichte und Widerauferstehung eines Kleinods das ein grosses ist. in Wismar. Nichts davon als jüngst in Königsberg der Dom wieder erstand, auf nun russischem Gebiet von den Russen selbst organisiert. Müniger Jounalismus? 65 Jahre danach.
Spiegel on-line: Claudia Schiffer macht die Moore . Die erste so eine Erfindung, über die man nachdenken kann. Zum soundsovielsten Mal nachgemacht eine journalistische Replik.
Die Welt. Wahllos, abgelagert, weltweit wahllos? doch wohl kaum. Gezielt, höchst absichtsvoll, okkupierend. Die Berlinische Galerie, das Museum der Stadt, lesen wir, kann nun zur Untermiete sich anmelden.
Google/Wikipedia.
Der Staatsbürger in Uniform ist das Leitbild der Inneren Führung der Bundeswehr und damit der zentrale Aspekt zur Ausgestaltung des Selbstverständnis eines Soldaten. Es ist seit der Gründung der Bundeswehr gültig.