Die Tagespost Würzburg
Katholische Zeitung für Politik Gesellschaft und Kultur
Feuilleton - Ausgabe Nummer 149 vom 15.12.2009
Schauspielerin mit vielen Gesichtern
Romy Schneider – eine umfangreiche Ausstellung in der „Deutschen
Kinemathek“ in Berlin
Von Ingo Langner
„
Romy, Du wirst immer in meinem Herzen bleiben.“ Dieser Satz, unterzeichnet
mit „Heide R.“, findet sich im Gästebuch der Ausstellung „Romy
Schneider. Wien-Berlin-Paris“ die, von der Deutschen Kinemathek ausgerichtet
und von Daniela Sannwald kuratiert, noch bis zum 30. Mai 2010 am Potsdamer
Platz zu sehen ist. Der Satz im Gästebuch ist anrührend und sentimental.
Ja, und kitschig ist er natürlich auch. Aber er trifft den Kern. Denn
ganz offenbar hat die Schauspielerin Romy Schneider in jeder Phase der Zeit,
die auf Erden ihr gegeben war, immer und überall die Herzen ihrer Zuschauer
erreicht.
Dabei scheint es so zu sein, also ob sie es darauf gar nicht angelegt hätte.
Eigentlich wollte sie wohl immer nur spielen, wollte schon als Schulmädchen
aus der wirklichen Wirklichkeit hinaus und lieber hinein in die sogenannte
Scheinwirklichkeit des Theaters oder des Films. Wer Schauspielereltern hat – und
Rosemarie Magdalena Albach, die Tochter von Magda Schneider und Wolf Albach-Retty,
hatte ebensolche und was für welche! – der will es ihnen oft genug
gleich tun. Aber für das Mädchen, von dem hier die Rede ist, ging
es wohl vor allem auch darum, der Einsamkeit des eigenen Herzens zu entfliehen,
und wie viele vor und nach ihr hoffte Romy darauf, im Spiel vor der Kamera
genau das zu finden, was ihr jenseits davon – und gerade auch von den
Eltern – zu wenig geboten wurde: echte menschliche Zuneigung nämlich.
Man kann es auch Liebe nennen.
Wer die Ausschnitte aus ihren frühen Filmen sieht – und die Berliner
Ausstellung bietet aufs Beste die Gelegenheit dazu – der erkennt schnell,
dass hier jemand im Wortsinne um sein Leben spielt. Diese Intensität und
Frische einer Fünfzehn-, Sechzehnjährigen, diese bezaubernde und
verwirrende Mischung aus selbsterkennender Naivität, die gerade und wohl
nur jungen Mädchen gegeben ist, wirkt auch noch mehr als fünfzig
Jahre danach und geht unter die Haut – und wie sie ihre eigene Mutter
Magda Schneider, als deren Filmtochter sie vielfach auftrat, mehr als einmal
glatt an die Wand spielt, hat auch etwas Gnadenloses. Doch das ist eben genau
jene Gnadenlosigkeit, die alle großen Schauspieler in sich tragen, in
sich tragen müssen, wenn sie in einem Gewerbe überleben wollen, das
aus Blut, Schweiß und Tränen gemacht ist und nur davon zusammengehalten
wird.
Wer da einmal drin ist, kommt so leicht nicht wieder heraus. Romy Schneider
hat es versucht, als sie die Sissi-Bürde hinwarf, als sie für ein
Millionenpublikum nicht mehr die Kaiserin der Herzen sein wollte, sondern eine
moderne Frau ganz von hier und ganz von heute. In dem gewiss besten
Dokumentarfilm den es über sie gibt – er wurde 1966 gedreht, stammt von Hans-Jürgen
Syberberg und wird zumindest ausschnittsweise in Berlin gezeigt –, sehen
wir die erst Achtundzwanzigjährige bereits in einer Lebens- und Schaffenskrise.
Die „Kaiserinnenjahre“ liegen hinter ihr, die deutschen Verdammungsurteile
wegen ihrer angeblich unverständlichen Flucht nach Paris und zu ihrem
Dauerverlobten Alain Delon stecken ihr noch in den Knochen und vor ihr scheint
auf wie ein Dämon: das sie entsetzende Nichts. „Siehe, ein Mensch!“,
möchte man zu diesem Porträt einer Künstlerin als junge Frau
sagen. Aber was ist in diesem Falle schon jung? Romy Schneider war das zwar,
und sie war es sehr lange und hinreißend genug, aber sie war gleichzeitig
und im Rückblick viel zu wenig beachtet, immer auch die Frau mit den vielen
Gesichtern.
Gerade das und vor allem das wird in der Berliner Schau sichtbar gemacht. Denn über
die dort präsentierten Kapitel „Tochter, Aufbruch, Weltstar, Zerstörung,
Mythos“ hinaus, ist das heimliche Zentrum jener Monitor, auf dem in einer
Endloschleife Bild für Bild für Bild ein immer wieder neues Gesicht
und vor allem ein immer wieder vollkommen anderes Gesicht dieser gewiss besten
und bedeutendsten deutschen Nachkriegsschauspielerin gezeigt wird. Wer vor
der Endlosschleife lange stehen bleibt, fragt sich mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit irgendwann, ob jedes dieser vielen Gesichter wirklich zu
immer derselben Frau gehören. Ganz ohne Zweifel: die Antwort muss ja lauten.
Aber wie ungemein wandelbar die Aktrice Romy Schneider gewesen ist, wird nirgendwo
sonst in der fachkundig und einfühlsam präsentierten Wirkungsgeschichte
so intensiv sichtbar wie gerade hier.
Alles sehen wir dort: Freude, Leid, Sehnsucht, Hoffnung, Trauer, Schmerz und
Glück. Und wir verstehen jetzt auch, warum Romy Schneider das war, was
sie tatsächlich war: eine deutsch-französische Märchenfee, ein
Glücksfall für Regiegrößen wie Claude Sautet, Luchino
Visconti, Claude Chabrol und Orson Welles, eine Männerphantasie, ein Objekt
der Begierde für Dutzende Paparazzi – doch eben auch jene wunderschöne,
bezaubernde Frau, die nicht nur für die Ausstellungsbesucherin Heide R.
immer in unseren Herzen bleiben wird. Aber das Herz ist bekanntlich ein sehr
verletzbares Ding. „Wenn Papa geht dann schlafen wir Beide ein“.
Exakt so hat es mit eigener Hand die frisch entbundene Mutter Rosemarie Magdalena
Albach im Dezember 1966 in das Photoalbum zur Geburt ihres Sohnes David Christopher
geschrieben. Der Papa war der Schauspieler und Theaterregisseur Harry Meyen.
Der nahm sich 1979 das Leben. David Christopher verunglückte 1981 tödlich
im Alter von 14 Jahren, und das Herz seiner Mutter hörte am 29. Mai 1982
in Paris auf zu schlagen; da war die am 23. September 1938 in Wien Geborene,
erst vierundvierzig Jahre alt.
Ecce
homo
aus Bad Arolsen/Aufgen.(Frau Jädicke)auf meine Bitte zugeschickt "Tischbein
d.Ä." als der bisher vermutete Maler der Demminer Kreuzigung.
Was heisst das für Romy Schneider im Sinne des von anderen geschundenen
und verspotteten, nicht erkannten Menschen noch vor 30 Jahren?
Am Ende wird man sich fragen, wie sie selbst mit sich umgegangen ist..