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USA-Raketen für Prag un Warschau

08. Juli 2008, 17:20 Uhr
KULT-REGISSEUR COPPOLA
"Ich fühlte mich, als hätte mich der Blitz getroffen!"

Zehn Jahre nichts - und jetzt ein Film, der Fans und Kritiker verstört: Im SPIEGEL-ONLINE-Interview verrät Francis Ford Coppola, wie "Jugend ohne Jugend" seine Kreativpause beendete, was Filmemachen mit Wein zu tun hat - und warum er Alexandra Maria Laras Gesicht liebt.

SPIEGEL ONLINE: Herr Coppola, Ihr neuer Film beruht auf einer Novelle des rumänischen Autors Mircea Eliade und erzählt die Geschichte eines schwermütigen Professors, der vom Blitz getroffen wird und fortan immer jünger wird. Was hat Sie gerade an dieser Geschichte so fasziniert?

Coppola: Nun, es war offensichtlich: Der Professor, Dominique Matei, und ich sind in einem ähnlichen Alter. Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ein Mann, der so alt ist wie ich, zu den Wurzeln zurückkehrt und wieder eine Art Studentenfilm macht, über einen Mann, der zurückkehrt und die Dinge tut, die ihm die Chance eines zweiten Lebens bieten. Diese Parallele habe ich relativ früh erkannt. Es gefällt mir, wenn die Realität meines Lebens in die Fiktion meiner Filme einbricht und beide Seiten sich vermischen, denn die Arbeit an einem Film ist aufwendig und konsumiert viel Zeit.

SPIEGEL ONLINE: Warum hat Sie in den Jahren vorher ganz offensichtlich nichts mehr inspiriert, dass Sie diesen Kraftaufwand auf sich genommen hätten?

Coppola: Ich habe ja an einem großen Projekt gearbeitet. Der Titel war "Megalopolis", eine Art utopische, politische Fantasie, angesiedelt in Manhattan, denn ich halte Manhattan für eine Art Rom der Moderne. Das Problem war nur, dass ich die Sache wieder einmal mit viel zu viel Ehrgeiz angegangen bin, viel mehr, als ich tatsächlich umsetzen kann. So habe ich es schon immer gehalten. Es ist gut, sich die Messlatte so hoch wie möglich legen, auch wenn man am Ende versagt und aufgeben muss.

SPIEGEL ONLINE: Klingt doch vielversprechend. Was geschah dann?

Coppola: Dann kam der Anschlag auf die "Twin Towers", und das veränderte New York so grundlegend, dass der Kontext, in dem ich arbeitete, nicht mehr passte. Ich habe alles versucht, um mit der Geschichte doch noch die Kurve zu kriegen. Ein weiteres Problem war die Größe des Projekts. Der Film war teuer, also musste ich Finanziers finden. Und die finanzieren heute nur noch risikofreie Projekte, also Fortsetzungen oder Remakes. Mit einer Originalstory hast du kaum noch eine Chance. Ich saß also in der Falle und war unendlich frustriert, weil alle meine Bemühungen zu nichts führten. So vergingen die Jahre und ich beschäftigte mich mit Themen wie Zeit und Bewusstsein. Als ich dann "Jugend ohne Jugend" fand, fühlte es sich tatsächlich an, als hätte mich der Blitz getroffen.

SPIEGEL ONLINE: Selbst die Ihnen sehr wohlgesonnenen italienischen Kritiker waren im vergangenen Herbst nach der Weltpremiere des Films auf der Biennale in Rom etwas verwirrt. Überfordern Sie mit diesem Film sogar Ihre Fans?

Coppola: Mir ist bewusst, das der Film und seine Themen sehr komplex sind. Einige der Themen sind tatsächlich sehr langweilig und ermüdend, wenn man sie als Buch liest, langweilige philosophische Diskurse. Aber genau darin habe ich die Herausforderung gesehen! Auf der Leinwand sollten diese Szenen spannend werden. Es gab viele Mitarbeiter aus meinem Team, die mir nahegelegt haben, auf bestimmte Szenen zu verzichten, weil sie angeblich niemanden interessierten. Aber ich habe für jede einzelne dieser Szenen gekämpft. Und was soll's? Ich wusste ja, dass dieser Film nie ein kommerzieller Erfolg werden wird. Haben wir damals Bergman verstanden? Waren seine Filme Kassenschlager? Nein. Ich wollte, dass dieser Film wie ein opulentes Abendessen für das Publikum ist. Und ich wollte, dass sie es genießen. Schöne Bilder, guter Sound und tolles Schauspiel.

SPIEGEL ONLINE: Gehen Sie nicht doch ein bisschen weit? In einigen Traumsequenzen stellen Sie zum Beispiel ganze Szenen auf den Kopf.

Coppola: Meine Idee war, dass Träume ja nun einmal nicht realistisch sind. In Filmen sind Traumsequenzen in der Regel mit Weichzeichner aufgenommen oder irgendwie eingefärbt, im schlimmsten Falle in Rosa. Also habe ich experimentiert und alles auf den Kopf gestellt. Ich wollte dem Publikum helfen, die Geschichte zu verstehen. An bestimmte Einstellungen hat sich der Zuschauer einfach noch nicht gewöhnt, dabei ist die im Film oft verwendete Nahaufnahme doch eigentlich auch völlig unrealistisch! Aber das Publikum fühlt sich gut damit, weil es dieses filmische Mittel kennt. Es ist Teil der Filmsprache geworden.

SPIEGEL ONLINE: Viele Ihrer Visionen sind in die Filmsprache eingegangen. Meinen Sie, es funktioniert heute noch einmal?

Coppola: Viele Sachen, die ich gedreht habe und die heute als klassisch gesehen werden, sind durch Zufall entstanden. Erinnern Sie sich an die Szene im "Paten", in der alle Gangmitglieder getötet werden? Ich habe das damals geschrieben, um Platz im Drehbuch zu sparen...(lacht). Ich wollte dreißig Seiten Roman in drei Seiten Drehbuch adaptieren. Ein Wunder, dass es gut gegangen ist.

SPIEGEL ONLINE: Eine prominente Rolle in "Jugend ohne Jugend" spielt die deutsche Schauspielerin Alexandra Maria Lara? Was hat Sie bewogen, gerade Ihr die Rolle der Laura zu geben, Mateis großer Liebe?

Coppola: Alexandra ist ganz offensichtlich eine schöne, junge Frau. Aber darüber hinaus liebe ich, dass ihr Gesicht extrem durchlässig ist. Es scheint, als ließe sie uns direkt in ihre Gefühle sehen. Sie ist sehr transparent. Du siehst sie an, und da sind all diese inneren Reflexionen. Die besten Filmmomente sind die, in denen wir Gefühle nicht mit Text erklären müssen. Und mit Alexandra konnte ich diese Emotionen auch ohne seitenlange Dialoge auf die Leinwand bringen.

"Es tut verdammt weh, das kann ich Ihnen sagen!"

SPIEGEL ONLINE: Sie haben den Film zum großen Teil aus den Einkünften Ihres Weingutes finanziert, sogar einen Wein mit dem Namen "Director's Cut" auf den Markt gebracht. Was haben Filme- und Weinmachen gemein?

Coppola: Oh, da gibt es sogar viele Gemeinsamkeiten. Denn wie Filmemachen ist Weinmachen eine Kunst. Es gibt drei Phasen. Da ist zum einen die Produktion des Grundmaterials, der Trauben. Schon hier hängt viel von Faktoren ab, die man nicht beeinflussen kann. Ich habe keine Ahnung, wie das Wetter wird, ich muss davon ausgehen, dass nicht alle Trauben grandios sein werden. Du versuchst dein Bestes. Aber dann hat der Schauspieler einen schlechten Tag oder du bist nicht gut beieinander. Kurz: die Ernte wird sehr gemischt. Im Schnitt versucht du das Beste daraus zu machen, indem du selektierst. Auch das ist genau wie bei der Produktion eines Weins. Dann das Finishing: In welchen Fässern lagerst du den Wein, wie viel Eiche ist angebracht. Und das nennt man beim Film schlicht Postproduktion... (lacht). Eigentlich gibt es keinen Unterschied.

SPIEGEL ONLINE: War dieser Film, der erste seit Ihrer Grisham-Adaption "Der Regenmacher" von 1998, für Sie ein kreativer Befreiungsschlag?

Coppola: Am liebsten würde ich einen Film nach dem anderen drehen. Ich habe immer Woody Allen bewundert: Er hat tatsächlich fast jedes Jahr einen neuen Film gemacht und sie alle selbst geschrieben. Er ist der einzige, der diesen phantastischen Output an Originalmaterial hat. Die Filme sind mal besser und mal schlechter, aber ich finde immer etwas Wundervolles darin.

SPIEGEL ONLINE: Ihr zu Beginn des Films noch sehr alter Protagonist fürchtet sich davor zu scheitern. Haben Sie als Regisseur auch Angst davor?

Coppola: Wie könnte ich Angst davor haben? Eigentlich bin ich bei jeder neuen Produktion lang hingeschlagen. Und wundersamerweise habe ich überlebt! Ich habe diese peinlichen Niederlagen erlebt, wurde von der Kritik vernichtet, und zehn Jahre später sagte man, es sei interessant. Nehmen wir "Apocalypse Now": Den mochte damals auch niemand. Glücklicherweise besitze ich die Rechte an diesem Film, denn der ist heute meine "Cash Cow". Sehen Sie sich mal die Kritik aus "Variety" zur Premiere an. Sie haben nie etwas Grausameres gelesen.

SPIEGEL ONLINE: Und das tut heute, dreißig Jahre später, noch weh?

Coppola: Es tut verdammt weh, das kann ich Ihnen sagen! Ich arbeite so hart an meinen Filmen, und dann lese ich, es sei amateurhaft, langweilig, dämlich und grauenhaft. Es gibt nur eines, was noch schlimmer ist... so etwas über einen Film meiner Kinder zu lesen! (lacht)

SPIEGEL ONLINE: Sind Sie glücklich, dass Sofia in Ihre doch recht großen Fußstapfen getreten ist?

Coppola: Sie hat drei Filme gemacht, die ich alle sehr schön finde. Da bin ich ganz stolzer Vater. Aber als ich dann die Kritiken zu "Marie Antoinette" lesen musste, den ich für einen der originellsten Filme der vergangenen Jahre halte, das tat weh! Und jetzt stellen Sie sich mal vor, wie sich George Bush Senior fühlen muss, wenn er abends ins Bett geht... (lacht). Er muss völlig fertig sein. Aber Sofia geht ihren eigenen Weg, da versuche ich mir keine Sorgen zu machen.

SPIEGEL ONLINE: Müssen wir uns Sorgen um Ihren neuen Film "Tetro" machen? Angeblich wurde Ihnen Filmmaterial in Buenos Aires gestohlen?

Coppola: Wir wurden tatsächlich von vier Männern ausgeraubt. Und sie haben den rührenden, jungen Fotografen mit einem Messer verletzt, der versuchte, die Kameras zu verteidigen. Letztendlich haben sie zehn Laptops gestohlen, alle Backup-Laufwerke, Kameras und solche Sachen. Ich habe ungefähr ein Jahr Arbeit verloren, hauptsächlich Fotos und Notizen. Das ist zu verschmerzen. Und da Sie mich vorhin nach dem kreativen Befreiungsschlag fragten: Ich bin sehr enthusiastisch!

Das Interview führte Christian Aust

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