Aus
dem Text der Rochelle Fack, Paris 1908,
für das Wiener Buch Film nach dem
Film auf
Seite 4( Übersetzt in der Wiener und Münchner Version):
....
Syberberg, der mit diesem HITLER
einen der
längsten
Texte der Filmgeschichte geschrieben hatte, schrieb in seinen späteren
Filmen keine Zeile mehr.( Anm. HJS: Hier irrt RF. Nach dem Hitlerfilm –und
nach dem Parsifal- in der Nacht gibt es die direktesten Aussagen des filmenden
und des gefilmten
ICH mit eigenen Worten, das Bekenntnis dessen, derer, die das hier verantworten,
und jetzt erst möglich und frei. Danach aber kein eigenes Wort mehr
in Penthesilea, Marquise und Traum. Denn nicht der Hitler hatte das letzte
Wort,
aber in der Nacht wurde ein Vorhang geschlossen. Es war kein Spiel).PARSIFAL
war das Textbuch von Wagner ( aufgenommen von Opernsängern
und gespielt von Schauspielern mit Playback), die Stücke von Kleist
oder Schnitzler, die er auf die Leinwand brachte, hatten ihren eigenen Text
( EDITH CLEVER LIEST
JOYCE – DER MONOLOG DER MOLLY BLOOM, 1985; FRÄULEIN ELSE, 1986;
PENTHESILEA, 1987 ), und in seiner NACHT ( 1985 ), die einer Wüste gleicht,
montiert Syberberg Texte von Novalis, Nietzsche, Shakespeare, Platon, Beckett,
Schiller...
wie in EIN TRAUM, WAS SONST ? ( 1994 ) ( Goethe, Kleist, Euripides ) ohne eigene
Worte hinzuzufügen. als ob der Vorschlag, den Zuschauer "Diktator
spielen" zu
lassen, den menschlichen Körper als beständige Wesenheit hinweggefegt
hätte, den Begriff Figur in ein Auflodern ( schnelles Verderben ) von
Affekten und Ansichten jagen würde.
Von nun an erforscht Syberberg den Körper des Schauspielers wie ein leeres
Gefäß, um es mit Hilfe von verschiedenen Seelenzuständen zu
füllen.
Der Monolog, im HITLER-Film sehr gegenwärtig und sehr lang ( alle Hauptfiguren
sprechen mindestens einen), wird zu einem Reigen von Worten, die nicht mehr
von einer Vielzahl von Schauspielern getragen werden, die Marionetten bewegen,
sondern
vom einzigen Körper einer Schauspielerin, die wie eine Marionette handelt(Marionette
im Kleistchen Sinne als Seele des Ganzen und aller Bewegungen. Aus zentralem
Punkt mit leichter Hand geführt. Anm.HJS):
Edith Clever, Über-Setzende von Sprachen und Hoffnungen, Nachlese haltende
und elliptische Persona mit der Gabe des Desinteresses (einer
somnambulen Teilnahmslosigkeit, Anm.HJS),
die außergewöhnliche Schauspielerin der Berliner Schaubühne.
In der Ouverture des PARSIFAL (1982), mit dem Kinn auf eine Kristallkugel
gestützt,
blickt sie in die zoomende Kamera und zieht so das Publikum in das Herz der
Kugel. Der Raum, in dem die Oper stattfindet, ist ein geistiger. PARSIFAL
nimmt seinen
Platz im Kopf von Wagner ein. Das Bühnenbild, die riesige Reproduktion
der Totenmaske des Komponisten, teilt sich in Bruchstücke, um die Schauspieler
hinein- und heraustreten zu lassen, ein dreidimensionales "Puzzle",
aufgenommen von außen, um die Figuren der Oper beim Betreten der Bühne
und beim Verlassen der Kulissen zu beobachten. Das Geschehen in diesem Kopf
(die Oper von Wagner) stellt den Hauptteil des Filmes dar. Syberberg scheint
hier
nicht mehr so präsent zu sein wie in den von außen aufgenommenen
Einstellungen seines Bühenbilds. Dieses Vermächtnis an die Schauspielerin
erlaubt ihm wachsamer Beobachter von allem zu bleiben, was "außerhalb
von Wagner" geschieht. Und es ist die Mittlerin Clever, die die Zügel
der Oper in der Hand hält, in der sie die Kundry verkörperte, Urdämonin
und Opfer eines Fluchs, weil sie den Heiland am Kreuzweg verlachte, die den
Gralsrittern zu Hilfe kam, aber sie auch ins Verderben stürzte – sie
hatte sie aus Verachtung für ihre Keuschheit verführt.
Die Reihe der Monologe bildet einen äußerst vereinfachten Raum,
der nichts anderes ist als ein zeitloser Ort ohne Grenzen. Totale Dunkelheit
für den Raum der NACHT
( 1985 ), die den Körper der Schauspielerin umschließt, die Langsamkeit
ihrer Gesten umreisst und im Gleichgewicht hält. Clever, allein auf der
Bühne, wechselt mit einer Art von besonderer Erleuchtung(Lucidite) vom
Zorn zur Lust, vom Männlichen zum Weiblichen, von sadistischer und herrischer
Macht zu verströmender Unterwerfung.
....
Das gebrochene Wort. (R.F noch einmal, etwas verändert)
Mit DIE NACHT, dem ersten der Monologe von HJS, begann die Sprache eine überraschende Brechung in den Inszenierungen zu bewirken, mehr und mehr karger, verfolgt von einer Vielzahl von Stimmen, getragen in einem einzigen Körper. Innerhalb des von einer visionären Ästhetik geprägten Werks des Cineasten, in dem die Sprache zugleich dialektisches Werkzeug und Oratorium ist, leuchtet HITLER, EIN FILM AUS DEUTSCHLAND (1978) wie ein auf immer isolierter Stern. Ein besonderes Werk ohne gemeinsamen Platz mit einem anderen Filmen und den kein anderer Film ersetzen kann.