Sonntag, den 6.Januar
als erste Seite vor den Texten die geschlossene Tür und nach den Texten vor dern Bilder geöffnet?

Aus dem Text der Rochelle Fack, Paris 1908,
für das Wiener Buch Film nach dem Film auf
Seite 4( Übersetzt in der Wiener und Münchner Version):

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Syberberg, der mit diesem HITLER einen der längsten Texte der Filmgeschichte geschrieben hatte, schrieb in seinen späteren Filmen keine Zeile mehr.( Anm. HJS: Hier irrt RF. Nach dem Hitlerfilm –und nach dem Parsifal- in der Nacht gibt es die direktesten Aussagen des filmenden und des gefilmten ICH mit eigenen Worten, das Bekenntnis dessen, derer, die das hier verantworten, und jetzt erst möglich und frei. Danach aber kein eigenes Wort mehr in Penthesilea, Marquise und Traum. Denn nicht der Hitler hatte das letzte Wort, aber in der Nacht wurde ein Vorhang geschlossen. Es war kein Spiel).PARSIFAL war das Textbuch von Wagner ( aufgenommen von Opernsängern und gespielt von Schauspielern mit Playback), die Stücke von Kleist oder Schnitzler, die er auf die Leinwand brachte, hatten ihren eigenen Text ( EDITH CLEVER LIEST JOYCE – DER MONOLOG DER MOLLY BLOOM, 1985; FRÄULEIN ELSE, 1986; PENTHESILEA, 1987 ), und in seiner NACHT ( 1985 ), die einer Wüste gleicht, montiert Syberberg Texte von Novalis, Nietzsche, Shakespeare, Platon, Beckett, Schiller... wie in EIN TRAUM, WAS SONST ? ( 1994 ) ( Goethe, Kleist, Euripides ) ohne eigene Worte hinzuzufügen. als ob der Vorschlag, den Zuschauer "Diktator spielen" zu lassen, den menschlichen Körper als beständige Wesenheit hinweggefegt hätte, den Begriff Figur in ein Auflodern ( schnelles Verderben ) von Affekten und Ansichten jagen würde.
Von nun an erforscht Syberberg den Körper des Schauspielers wie ein leeres Gefäß, um es mit Hilfe von verschiedenen Seelenzuständen zu füllen. Der Monolog, im HITLER-Film sehr gegenwärtig und sehr lang ( alle Hauptfiguren sprechen mindestens einen), wird zu einem Reigen von Worten, die nicht mehr von einer Vielzahl von Schauspielern getragen werden, die Marionetten bewegen, sondern vom einzigen Körper einer Schauspielerin, die wie eine Marionette handelt(
Marionette im Kleistchen Sinne als Seele des Ganzen und aller Bewegungen. Aus zentralem Punkt mit leichter Hand geführt. Anm.HJS): Edith Clever, Über-Setzende von Sprachen und Hoffnungen, Nachlese haltende und elliptische Persona mit der Gabe des Desinteresses (einer somnambulen Teilnahmslosigkeit, Anm.HJS), die außergewöhnliche Schauspielerin der Berliner Schaubühne. In der Ouverture des PARSIFAL (1982), mit dem Kinn auf eine Kristallkugel gestützt, blickt sie in die zoomende Kamera und zieht so das Publikum in das Herz der Kugel. Der Raum, in dem die Oper stattfindet, ist ein geistiger. PARSIFAL nimmt seinen Platz im Kopf von Wagner ein. Das Bühnenbild, die riesige Reproduktion der Totenmaske des Komponisten, teilt sich in Bruchstücke, um die Schauspieler hinein- und heraustreten zu lassen, ein dreidimensionales "Puzzle", aufgenommen von außen, um die Figuren der Oper beim Betreten der Bühne und beim Verlassen der Kulissen zu beobachten. Das Geschehen in diesem Kopf (die Oper von Wagner) stellt den Hauptteil des Filmes dar. Syberberg scheint hier nicht mehr so präsent zu sein wie in den von außen aufgenommenen Einstellungen seines Bühenbilds. Dieses Vermächtnis an die Schauspielerin erlaubt ihm wachsamer Beobachter von allem zu bleiben, was "außerhalb von Wagner" geschieht. Und es ist die Mittlerin Clever, die die Zügel der Oper in der Hand hält, in der sie die Kundry verkörperte, Urdämonin und Opfer eines Fluchs, weil sie den Heiland am Kreuzweg verlachte, die den Gralsrittern zu Hilfe kam, aber sie auch ins Verderben stürzte – sie hatte sie aus Verachtung für ihre Keuschheit verführt.
Die Reihe der Monologe bildet einen äußerst vereinfachten Raum, der nichts anderes ist als ein zeitloser Ort ohne Grenzen. Totale Dunkelheit für den Raum der NACHT
( 1985 ), die den Körper der Schauspielerin umschließt, die Langsamkeit ihrer Gesten umreisst und im Gleichgewicht hält. Clever, allein auf der Bühne, wechselt mit einer Art von besonderer Erleuchtung(Lucidite) vom Zorn zur Lust, vom Männlichen zum Weiblichen, von sadistischer und herrischer Macht zu verströmender Unterwerfung.

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Das gebrochene Wort. (R.F noch einmal, etwas verändert)

Mit DIE NACHT, dem ersten der Monologe von HJS, begann die Sprache eine überraschende Brechung in den Inszenierungen zu bewirken, mehr und mehr karger, verfolgt von einer Vielzahl von Stimmen, getragen in einem einzigen Körper. Innerhalb des von einer visionären Ästhetik geprägten Werks des Cineasten, in dem die Sprache zugleich dialektisches Werkzeug und Oratorium ist, leuchtet HITLER, EIN FILM AUS DEUTSCHLAND (1978) wie ein auf immer isolierter Stern. Ein besonderes Werk ohne gemeinsamen Platz mit einem anderen Filmen und den kein anderer Film ersetzen kann.