Über die Verkommenheit eines Gewerbes. Sie tun als sprächen sie über Geschichte. Und lassen das, was nicht genehm ist weg.Wer über die Penthesilea auf der Bühne heute spricht und lässt Edith Clever aus, ist natürlich ein Fälscher, eine Lügner und ein Mörder. Es ist Mord an der eigenen Seele. Zurückschauend lässt sich fragen, wie je wird wieder dieser Text sein können auf den Bühnen ohne dies, so wie der Parsifal als Kapita

Das Handbuch der DDR über die Kunstdenkmäler des Bezirks Neubrandenburg zählt unter Nossendorf die Kirche auf mit Bild nach dem Eingriff der Turmzerstörung durch sie selbst. Ohne Erwähnung in der Liste historischer Fakten. Geschichtsschreibung in Deutschland nach 45. Ost und West.

l auf den Bühnen erledigt erscheint.

So sprach der berüchtigte Theweleit in jener Diskussion der Akademie 1990 zu diesen Kleisttexten. munter drauflos ohne die an Vorabenden gezeigte Penthesilea und Marquise -Rohmer vergleichend- ohne diese hier gesehen zu haben.

Und jene Regisseurin und spätere Schaubühnenchefin wollte, als sie die Penthisilea in Frankfiurt sah, sogleich die Darstellerin haben, bis zum Scheiteren der eigenen Penth. ohne sie und mit ihr, wie denn das.

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Theater
Ich will Achill
VON PETER MICHALZIK

Liebe und Krieg (dpa)

Sie bebt wie das Schwert, das sie gerade in den Boden gerammt hat. Aber während das Zittern der großen Klinge irgendwann aufhört, kann Penthesilea nicht zur Ruhe kommen. Sie muss schreien, weil sie Gefühlen Ausdruck verleihen muss, die nicht zu sagen sind. Wenn sie es nicht sagt, wird sie zwischen ihnen zerrieben werden. Sie will und muss einerseits dem Gesetz ihres Staates folgen, ein Gesetz, das sagt, dass sie sich Männer untertan machen muss, um sie lieben zu können, sie hat sich aber andererseits auch in diesen Achill verliebt, vielleicht nicht genau so, wie es nicht nur Frauen schon immer tun, aber doch so ähnlich.

"Ich will, weil ich es will", schreit sie, aber es hilft nichts: Dem Widerspruch zwischen Liebe als Unterwerfung und als Hingabe kann Penthesilea nicht entkommen. Katja Bürkle spielt in Stuttgart die Rolle ziemlich genau so, wie man sich das vorstellt, wenn man das Stück liest. Eine Gefangene, die sich auch durch Raserei nicht befreien kann, sondern sich im Liebesmord verstrickt. In Stuttgart unter der Regie von Karin Henkel geht diese Gleichung auf, weil Katja Bürkle eine zarte Kraftschauspielerin ist, die selbst bei größtem Körpereinsatz etwas Zerbrechliches behält.

Noch mehr aber geht es, weil für Kleists "Penthesilea", ein genau 200 Jahre altes Stück, die Zeit endlich reif zu werden scheint. Unter Männern waren Wahnsinn und Raserei immer möglich, aber eine Frau, die sich aufführt wie Penthesilea, die aus der Mitte ihrer Existenz zur Bestie wird und den Geliebten zerreißt, war ein Skandal, eine Undenkbarkeit, eben Wahnsinn, der nur statthaft war, wenn er in antiken Stücken vorkam.

Heute aber ist es, wahrscheinlich nach Jahrzehnten der Emanzipation, möglich, so zu schreien wie Katja Bürkle in Stuttgart schreit, ohne dass es lächerlich wirkt - was immer der sicherste Lackmustest und die größte Gefahr im Theater ist. Ein Stück, das als das unspielbarste Drama der Theatergeschichte gilt, von dem es auch unter Theaterleuten heißt, dass man es nur lesen könne, wird zur Zeit nicht nur in Stuttgart, sondern auch an der Berliner Schaubühne gezeigt. Und wenn nicht eine Doppelachillerkrankung dazwischen gekommen wäre, würde es die "Penthesilea" auch noch in Leipzig geben. Ist Penthesileas Zeit jetzt also tatsächlich gekommen?

Karin Henkel erzählt das Stück als äußerst blutige, unmögliche Liebesgeschichte. Der rote Saft läuft kübelweise die Wände einer alten Lagerhalle herab, die Kämpfer vor Troja sind dick mit Blut verschmiert. Sie erzählt das Drama aus der Sicht der Frau, vom Ende her, als Penthesilea nicht begreifen kann, dass sie es war, die Achill, den Geliebten, der sich ihr anbot, zusammen mit ihren Doggen zerrissen hat. Gleichzeitig ist ihre Aufführung aber auch voller Verluste. Achill, die arrogante Kampfmaschine, bleibt in der Verkörperung von Felix Goeser blass, weil er keine eigene Geschichte hat. Die Amazonen, der kriegerische Frauenstaat, treten nicht richtig in Erscheinung. Henkel erfindet einige Nebengeschichten dazu, einen Mann, der Schwerter schleift, ein Mädchen, das an einem großen Wasserbassin spielt und dann das blutige Gesetz der Amazonen kennenlernt, die aber alle das Stück nicht erweitern, sondern verkleinern. Auch das viele Blut, das Kriegsgerät und das Wasserbecken haben eher dekorative Funktion.

Der größte Verlust aber ist, dass die berühmte Kleistsche Teichoskopie am Anfang des Stücks - die fassungslose Beschreibung, die die Griechen von der Raserei der Amazonen geben - sich in Stuttgart darin erschöpft, Nachdruck auf den Irrsinn, das Wilde und Wahnsinnige zu legen. Henkel löst Kleists Griechen und Amazonen in eine Art Chor auf, der nicht darüber hinauskommt, uns zu beteuern, dass es nicht zu glauben ist, was man sieht. Das erschöpft sich schnell, es wirkt, als würde die Aufführung Kleists Sprache nicht vertrauen, um das Auftauchen dieser dritten Kraft zwischen den Heeren der Trojaner und Griechen zu vergegenwärtigen.

Zweieinhalb tausend Jahre lang war es klar gewesen, dass die europäische Geschichte mit dem Krieg zwischen Griechen und Trojanern begonnen hatte, jeder Krieg, der danach kam, ließ sich auf diesem abbilden und durch ihn interpretieren, er war das Muster des Kampfes. Nun, mit Kleist, raste ein drittes Geschlecht, busenlose, männerüberwältigende Frauen, durch die Ebene am Skamandros, die Heere der Griechen und Trojaner niederreißend und dadurch fast, wie es bei Kleist heißt, vereinend. Eine dritte Kraft, die vom Krieg als pure Raserei kündet, weil er hier aus dem Geist des Begehrens geboren wird. Weiber einer anderen Art, an Mänaden, Bacchantinnen und Erynnien erinnernd, aber viel moderner, entfesselter, unverstehbarer, jagen über die Szene.

Wissen wollte davon kaum jemand. Goethe, dem Kleist das Drama "auf den Knien meines Herzens" dargebracht hatte, hatte es ihm befremdet und kühl zurückgereicht mit den Worten, dass es ihm wehtue, wenn ein Dramatiker auf ein kommendes Theater warte. Was verständnisvoll wirkte, aber eine Vernichtung war. Kleist war am Boden zerstört.

Und tatsächlich hätte Goethe, gerade Goethe, sich ja auch bemühen können, das Unverstehbare zu begreifen. So aber wurde die "Penthesilea", ein Stück, das eigentlich von Sentenzen strotzt wie der "Faust" oder der "Wallenstein", zu einem Knick in Kleists Biografie. Keine einzige der großartigen Wendungen wurde sprichwörtlich, keine einzige steht im Zitatenschatz des "Büchmann". Nur das leicht kalauernde Wort von den Küssen, die zu Bissen werden, gelangte in unserem Jahrhundert zu einiger Berühmtheit.

Ironischerweise war die "Penthesilea" übrigens aber das einzige seiner Dramen, von dem Kleist überhaupt je etwas auf der Bühne gesehen hat: Eine Lesung in Berlin. Die weitere Geschichte aber folgte Goethe.

Das Theater hatte dann tatsächlich seine Schwierigkeiten. Anselm Weber scheiterte vor sieben Jahren in Frankfurt mit der Eröffnungspremiere der Intendanz von Elisabeth Schweeger; Alexander Lang hat vor vielen Jahren in München gezeigt, dass Kleists Stück Racines "Phädra" verwandt ist, viel mehr aber war damals auch nicht zu sehen; Stephan Kimmig machte das Stück vor drei Jahren in Salzburg immerhin spielbar, verfehlte aber immer noch seinen skandalösen Kern. Und selbst die große Ruth Berghaus, sagt man, soll vor vielen Jahren das Drama nicht in den Griff bekommen haben.

Ein Klassiker wurde die "Penthesilea" dagegen auf anderem Gebiet. Die strukturale Textanalyse fand hier das Begehren in seiner reinsten Form, die Gender Studies fanden den Geschlechterkampf schlechthin. Die Aufführung, die seit zwei Monaten an der Berliner Schaubühne zu sehen ist (unverständlicherweise mit eher mäßigem Erfolg, auch bei der Kritik), ist die erste Aufführung, die diese seit mindestens zwanzig Jahren in der Literaturwissenschaft durchgespielten Lesarten auf die Bühne überträgt.

Luk Percevals Aufführung ist eher eine Installation als eine Aufführung. Perceval setzt viele starke Zeichen neben- und gegeneinander. Eine E-Gitarre spielt teilweise so laut, dass man den Text nicht mehr verstehen kann, hetzt mit seinen Tönen aber gleichzeitig das federnd rennende Heer der Griechen über die Bühne, Soldaten von unwiderstehlich männlicher und körperlicher Energie. Später zieht die Oberpriesterin der Amazonen als uralte Frau hier ihre schlurfenden Kreise.

Im Halbrund der Apsis der Schaubühne wirkt dieses ewige Im-Kreis-Laufen wie eine Vergegenwärtigung von Paul Virilios Dromologie. Das Theater habe sich aus dem Dromos, dem Wettkampf, dem Im-Kreis-Laufen, dem rasenden Stillstand, entwickelt, indem in der Skene der einzelne aus diesem Kreis heraustrete, sagte Virilio. Weil sie solche Ebenen berührt, scheint Percevals "Penthesilea" an den Grund des Theaters selbst zu rühren. Auch Perceval hat Penthesilea mit einer körperlich zarten Schauspielerin besetzt. Katharina Schüttler, weibliche Protagonistin der Schaubühne, spielt, getragen auf dem Rücken einer anderen Amazone, nicht nur die Raserei, sie spielt auch die Zerbrechlichkeit dieser Frau, der Frauen und dieses Staates überhaupt, mit dem sich die Amazonen in der Welt der Männer zu behaupten suchen.

Perceval exponiert den Gegensatz zwischen den athletischen Männerkörpern und Frauen in weißen Gewändern, die an ein Hospital oder die Psychiatrie erinnern. Selbst in Penthesileas Hasstiraden und Gewaltphantasien wird der verletzte Kern sichtbar.

Da passt auch die lässige Arroganz, mit der Rafael Stachowiak den Achill spielt. Selbst in der Unterwerfung unter Penthesilea bleibt er in seiner selbstherrlichen Selbstsicherheit der Überlegene. Man kann Percevals Aufführung zu zeichenhaft finden, sicher aber packt sie das Drama endlich mal an seiner Wurzel.

Grundsätzlich kann man "Penthesilea" von heute aus gesehen auf zwei Arten lesen. Einerseits als blutiges Kriegsmärchen, als Liebesgeschichte mit Splatterelementen, als frühe Fantasyliteratur. Zu dieser Kategorie gehört die Aufführung in Stuttgart. Andererseits kann man das Stück als Sprache für das verstehen, was immer wieder das Unsagbare, das Unverstehbare, das Inkommensurable genannt wird. "Penthesilea" wird dann zum Prototext eines Diskurses über Wahnsinn, entfesseltes Begehren, Amok, Kriegslüsternheit. Das ist in Berlin zu sehen.

Eine dritte Spielart wollte Volker Lösch in Leipzig zeigen. Die Aufführung hätte sich ganz auf die Amazonen konzentriert, scheiterte aber an den Männern. Erst verletzte sich Till Wonka, der erste Darsteller des Achill, dann auch noch der Ersatz, Andreas Keller. 28 Leipzigerinnen, die nach ihrer Bereitschaft zu Körpereinsatz und ihrem Willen zum Feminismus ausgesucht worden waren, hätten den Amazonenstaat gespielt. Die Freundschaft Penthesileas zu Prothoe wäre eine sexuelle Beziehung gewesen. Das Rosenfest, bei dem Frauen Männer vergewaltigen und von dem bei Kleist nur berichtet wird, wäre ebenfalls ausgespielt worden.

Volker Lösch hätte das Drama als Versuchsanordnung auf die Frage verstanden, ob Gleichberechtigung heute wirklich verwirklicht ist, wie viele anzunehmen scheinen. "Wir haben die Geschichte vom Frauenstaat sehr ernst genommen. Auch heute gibt es keine Gesellschaft, in der die Männer abgeschafft wären", sagt er, als würde er hoffen, dass das wenigstens einmal Wirklichkeit würde.

Schaubühne Berlin: 11.-13. Mai. www.schaubuehne.de

Staatstheater Stuttgart, Schauspielhaus: 9., 17., 26 Mai.
www.staatstheater.stuttgart.de

 

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Dokument erstellt am 01.05.2008 um 16:44:02 Uhr
Letzte Änderung am 01.05.2008 um 17:46:49 Uhr
Erscheinungsdatum 02.05.2008