Wolfgang Amadeus Mozart - seine Musik untermalt "Die Nacht". (Bild: AP / Mozarthaus Wien)
Ein Liederabend mit Mozart und Schleef
"Die Nacht" als deutsche ErstauffŸhrung in der Bayerischen Theaterakademie
Von Bernhard Doppler
Es ist eine ungewšhnliche Kombination, die Anna Viebrock mit "Die Nacht" in MŸnchen auf die BŸhne gebracht hat. Inhaltlich geht es um die Jugend in der DDR und die Tristesse von Sangerhausen, wo der Regisseur Einar Schleef aufgewachsen ist. Die Musik kommt von Wolfgang Amadeus Mozart - doch es gelingt, die ModernitŠt des Komponisten zu vermitteln.
Ziemlich rŠtselhaft, was fŸr eine Art von Theaterabend "Die Nacht" eigentlich ist. Wie sehr ist er Ÿberhaupt Einar Schleef zuzuordnen und wieweit trifft der Titel zu? UraufgefŸhrt wurde "Die Nacht" in Spoleto 1987 in der Regie von Bertrand Sauvat.

Die italienische Kritik sprach damals von einer "stimmungsvollen, reizenden Theaternacht mit Mozart", arrangiert in historischen KostŸmen mit Zofen und Aristokraten. Aber ist so ein bekšmmlicher Rokoko-Abend nicht geradezu der von Einar Schleef gewohnten Theatersprache entgegengesetzt?

Von "Die Nacht" existiert lediglich ein eineinhalb Seiten langer Text - gemeinsam verfasst von Schleef, Sauvat und Schleefs Freundin Gabriele Gerecke: Er handelt von einer Sommernacht und einem unglŸcklichen Verliebten, der in einer Lichtung zurŸckkehrende AusflŸgler erwartet. Sind diese eineinhalb Seiten bereits der Dramentext? Oder nur eine Regieanweisung?

Im Mittelpunkt des Projekts "Die Nacht" steht eine Liste von siebzig meist sehr entlegenen Werken Mozarts in kleiner Besetzung (oft mit Hammerklavier, bisweilen mit Bassetthorn) vor allem von Liedern, darunter einige Kanons und Fragmente. Bei einem zweistŸndigen Theaterabend (wie nun in MŸnchen) lŠsst sich von dieser Liste hšchstens ein Drittel abarbeiten.

Was ist aber bei "Die Nacht" das "Schleefsche", war die Frage, die Regisseurin Anna Viebrock und ihre sechzehn Musik- und Schauspielstudenten von der Bayrischen Theaterakademie bestimmte. Die Skizze zu einem Theaterabend Ÿber den entlegenen Mozart verwandelte Viebrock in einen Abend Ÿber Schleef und Ÿber Jugend in der DDR: Ÿber die Tristesse von Sangerhausen um 1960.

ZunŠchst war fŸr die Studenten zur Spurensuche eine Exkursion nach Sangerhausen angesetzt, um das Projekt durch eigene Recherchen zu erden. Abgearbeitet wurden die Exkursions-EindrŸcke in einem "italienischen" Ambiente. Von der VolksbŸhne hatte Viebrock sich nŠmlich ihr BŸhnenbild zur Christoph Marthaler-Inszenierung der neapolitanischen "Zehn Gebote" erworben: eine Kirche mit KirchenbŠnken, ein Platz mit leuchtendem Neonlichtpfeil und eine morsche KleinkunstbŸhne; statt des Beichtstuhls aber ein šffentliches Telefon, die Verbindung mit dem "Westen", vor dem man lange Schlange stehen muss.

Als Texte werden in erster Linie AuszŸge aus Schleefs posthum erschienenen "Tagebuch 1953-1963. Sangerhausen" szenisch umgesetzt. Das funktioniert verblŸffend gut: Tagebucheintragungen als verzweifelter Chor in den KirchenbŠnken, als sich absondernde, in Musik Ÿbergehende Einzelstimme. ZunŠchst aber gibt ein Originalton Schleefs - er erklŠrt, mit seiner Sprachstšrung kŠmpfend, die Umgebung seines Geburtshauses - die Melodie vor.

Die MŸnchner AuffŸhrung ist eine einleuchtende Alternative im Zugang zu Schleef. †blicherweise bringt man Schleef eher mit Richard Wagners Rausch-Musik in Verbindung als mit Mozart; und Ÿblicherweise denkt man bei Schleef an martialische expressive ChoraufmŠrsche und gerade nicht an die schŸchterne Traurigkeit Marthalerscher Liederabende.

Mag sein, im Vergleich zu Marthaler-Inszenierungen fehlt dem Abend hin und wieder Stringenz, zu schnell wird auf eine Pointe gesetzt, doch der Sangerhausener Liederabend Ÿberzeugt vor allem dann, wenn wie bei den "TanzvergnŸgungen" Schleefs Bilder und Fotos szenisch wiederbelebt erscheinen.

Dazu kommt noch ein Nebeneffekt. Denn bei aller Schleef-Ehrung hat man - vor allem dank Christoph Hammer und dem Kammerensemble der Neuen Hofkapelle MŸnchen - doch gleichzeitig auch, so wie Schleef es sich 1987 wŸnschte, einen Eindruck von Mozarts "geheimnisvoller, schriller und leiser ModernitŠt" mitgenommen.

Die Nacht
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Inszenierung: Anna Viebrock
Bayerischen Theaterakademie MŸnchen
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