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SCHUSS AUF GEFESSELTEN PAL€STINENSER
Umstrittener Offizier fŠllt durch LŸgendetektortest
Von Ulrike Putz
Es wird eng fŸr Omri F. Der israelische Offizier hatte ausgesagt, der Schuss auf einen gefesselten PalŠstinenser sei ein MissverstŠndnis gewesen. Doch ein LŸgendetektortest legt nun nahe: Der Vorfall war geplant.
Jerusalem - Es waren Bilder, die weltweit fŸr Empšrung sorgten: Ein junger PalŠstinenser steht neben einem MilitŠrjeep. Er hat die HŠnde hinter dem RŸcken gefesselt, seine Augen sind verbunden. Unsicher tritt er auf der Stelle. Ein israelischer Soldat, etwa einen Meter entfernt, hŠlt zšgerlich sein Gewehr auf den Mann gerichtet. Ein Offizier scheint zu seinem Untergebenen zu sprechen, er schiebt den Gefangenen am ausgestrecktem Arm in die Schusslinie. Daraufhin zielt der Soldat, er schie§t. Der 27-jŠhrige Aschraf Abu Rahma wird am Bein getroffen, die Kamera verrei§t das ohnehin wackelige Bild. Kurz darauf sieht man, wie Abu Rahma am Boden liegt.

 

 

 

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Foto: B'Tselem
Schuss auf gefesselten PalŠstinenser
Mit diesem Video dokumentiert die israelische Menschenrechtsorganisation B'Tselem, wie ein israelischer Soldat mit einem Gummimantelgeschoss auf einen festgenommenen PalŠstinenser schie§t. Der Vorfall soll sich am 7. Juli im Ort Nilin im Westjordanland ereignet haben.

Nun scheint sich bestŠtigt zu haben, was der SchŸtze, Feldwebel L., schon wŠhrend der ersten Befragungen durch die israelische MilitŠranwaltschaft angegeben hatte: Sein Befehlshaber, Oberstleutnant Omri F., habe ihm den Befehl gegeben, auf den Gefesselten zu schie§en. Dreimal habe er wiederholt "Schie§! Schie§ auf ihn!" Der vorŸbergehende festgenommen Soldat war ob dieser Aussage wieder freigelassen worden und zu seiner Einheit zurŸckgekehrt.

F. hatte behauptet, der Schuss mit einem Gummimantelgeschoss, der Abu Rahma eine Prellung am Fu§ beibrachte, sei das Ergebnis eines MissverstŠndnisses gewesen. Er habe seinem Untergebenen nur befohlen, sein Gewehr vor den PalŠstinenser zu schwenken, um diesen einzuschŸchtern, hatte F. den Ermittlern gesagt. Diese Version - ohnehin nicht recht glaubwŸrdig, schlie§lich hat Abu Rahma die Augen verbunden und hŠtte die DrohgebŠrde mit der Waffe gar nicht sehen kšnnen - erwies sich am Montag als nicht haltbar: F. bestand den abschlie§enden LŸgendetektortest der MilitŠrpolizei nicht. Letzte Woche hatte er einen Šhnlichen Test in einem privaten Institut noch bestanden.
Sein Untergebener L. fŸhlt sich nach israelischen Medienberichten betrogen. "Er ist ein exzellenter Soldat, der nie gelogen hat und nun zum SŸndenbock gemacht werden soll", sagte ein Vertrauter L.s dem israelischen Internet-Portal Ynetnews. L. hat beide seiner LŸgendetektorentests bestanden, in beiden gab er an, den Befehl zum Schuss von F. erhalten zu haben.
"Misshandlungen sind die Regel"
Die Filmaufnahmen des Vorfalls waren vor zehn Tagen von der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem veršffentlicht worden. Sie waren am 7. Juli am Rande einer Demonstration gegen den Bau der israelischen Sperranlage im Dšrfchen Nilin im Westjordanland entstanden. Die 17-jŠhrige Saalam Amira hatte gefilmt, was sich vor dem Wohnzimmerfenster ihres Elternhauses abspielte. Die Kamera hatte sie von B'Tselem bekommen: Sie ist Teil der "ZurŸck Schie§en" Kampagne, mit der die Organisation es PalŠstinensern ermšglichen will, Menschenrechtsverletzungen seitens israelischer Siedler und Soldaten per Video zu dokumentieren. Dazu verteilte B'Tselem im vergangenen Jahr mehr als hundert Kameras an Einwohner des Westjordanlands.
"Misshandlungen von festgenommenen PalŠstinensern sind nicht die Ausnahme, sie sind die Regel", sagte Sarit Michaeli, Sprecherin von B'Tselem, SPIEGEL ONLINE. SchlŠge und Beschimpfungen seien Routine, die PalŠstinenser seitens des israelischen MilitŠrs Ÿber sich ergehen lassen mŸssten. Die Empšrung, die der Verteidigungsminister Ehud Barak anlŠsslich des gezielten Schusses auf einen Gefesselten gezeigt hatte, sei geheuchelt.
"Dies ist nicht typisch, es ist nicht akzeptabel und reprŠsentiert weder die israelische Armee noch deren Werte", hatte Barak nach Veršffentlichung des Videos gesagt. "Das ist die Ausrede, die immer kommt", sagt Michaeli: "Bei jedem Vorfall hei§t es, dass sei blo§ der eine verdorbene Apfel im Korb."
Saalam Amira, deren Video weltweite Aufmerksamkeit erregte, hat sich Ÿber ihren Scoop vermutlich nur kurze Zeit gefreut. Vor fŸnf Tagen wurde ihr Vater vom israelischen MilitŠr abgeholt. "Wir wissen nicht, warum. Er ist noch nicht angeklagt worden", sagt Michaeli. Ihr Mitarbeiter Iyad Hadad, Rechercheur vor Ort in Nilin, ist sich sicher: "Das ist natŸrlich eine Strafe dafŸr, dass seine Tochter das MilitŠr blo§gestellt hat."
Bezahlter Urlaub?
Michaeli ist zurŸckhaltender. Die Inhaftierung sei exemplarisch fŸr die Parteilichkeit der militŠrischen Gerichtsbarkeit, der sowohl Soldaten als auch PalŠstinenser im Westjordanland unterliegen, sagt sie. "Der Soldat, der seinem Untergebenen den Befehl gab, auf einen Wehrlosen zu schie§en, bekommt zehn Tage Urlaub, ich vermute mal: bezahlten Urlaub", sagt Michaeli. Die gleiche Gerichtsbarkeit lasse den Vater von Saalam nun schon fŸnf Tage im GefŠngnis sitzen, ohne dass er einen Richter zu Gesicht bekommen hŠtte.
Seit Monaten kŠmpfen die Einwohner von Nilin gegen den Bau der israelischen Sperranlage, die nach Angaben der Dorfbewohner auf ihrem, palŠstinensischem Land gebaut wird. Die Mehrheit der PalŠstinenser stšrt sich Umfragen zufolge nicht am Bau einer Sperranlage, so lange Israel sie auf eigenem Territorium errichtet. In zahlreichen von Menschenrechtsgruppen dokumentierten FŠllen nutzt Israel den Bau jedoch dazu, sich Land anzueignen.
Im Zuge Dutzender Demonstrationen kam es in den vergangenen Monaten in Nilin wiederholt zu Zusammenstš§en zwischen Protestierenden und israelischen Soldaten. Zwischenzeitlich verhŠngte Jerusalem mehrtŠgige Ausgangssperren Ÿber das gesamte Dorf. Israel gibt an, dass der Sperrzaun Israel gegen SelbstmordattentŠter aus dem Westjordanland schŸtzen soll. In lŠndlichen Gebieten besteht er aus einem Zaunsystem, in besiedeltem Gebiet aus einer bis zu acht Meter hohen Mauer. Nach Ansicht des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag und der Uno-Vollversammlung ist die Sperranlage - ob nun Mauer oder Zaun - illegal.