22. April 2008, 09:56 Uhr
NAHRUNGSMITTELKRISE
Grünen werfen Bundesregierung falsche Agrarpolitik vor

Im Kampf gegen weltweit steigende Lebensmittelpreise fordern die Grünen eine Wende in der Agrapolitik - und werfen Landwirtschaftsminister Seehofer "verbale Luftnummern" vor. Die Fraktionsspitze um Renate Künast legte jetzt ein Positionspapier zu dem Thema vor.

Berlin - Schluss mit den EU-Exportsubventionen: Die Grünen-Bundestagsfraktion fordert entschiedene Maßnahmen im Kampf gegen steigende Lebensmittelpreise und den weltweiten Hunger. "Denn nur, wenn wir die Nahrungsmittel nicht auf dem Weltmarkt künstlich verbilligen, haben Kleinbauern in Entwicklungs- und Schwellenländern eine Chance, ihre eigenen Lebensmittel selbst anzubauen", sagte Fraktionschefin Renate Künast der "Münsterschen Zeitung".

Der Bundesregierung und Agrarminister Horst Seehofer (CSU) warfen die Grünen Versäumnisse vor. "Um Hunger wirksam bekämpfen zu können, brauchen wir keine verbalen Luftnummern von Seehofer, sondern eine wirkliche Agrarwende. Dazu muss die Subventionspraxis massiv verändert werden", sagte Künast.

In einem fünfseitigen Positionspapier fordern Künast und ihre beiden Stellvertreter auch, die Bundesregierung solle sich international für eine "wirksamere Regulierung der Warenterminbörsen und die Einführung einer Börsenumsatzsteuer" einsetzen.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatte am Montag einen "Neun-Punkte-Plan" gegen steigende Lebensmittelpreise vorgelegt, der unter anderem einen vorübergehenden Stopp der Verwendung von Getreide und Ölfrüchten zur Produktion von Agrartreibstoffen vorsieht. Biosprit gilt als einer der stärksten Preistreiber bei Grundnahrungsmitteln. Agrarminister Seehofer bekräftigte seine Forderung nach einer Wende in der Agrarpolitik.

Der Bremer Umweltsenator Reinhard Loske fordert angesichts der weltweiten Nahrungsmittelkrise eine Debatte über die westliche Lebensweise. "Wenn wir über die Welternährung sprechen wollen, müssen wir vor allem über unseren Fleischkonsum und unseren Lebensstil sprechen", sagte der Grünen-Politiker der "Welt". Sowohl bei der Regenwaldzerstörung als auch bei der Verdrängung von Ackerfrüchten, die dem menschlichen Verzehr dienen, sei der wichtigste Faktor die Produktion von Soja und Mais für die Viehzucht. "Wenn alle so leben wie wir, verkraftet das die Erde nicht", sagte Loske.

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner wies eine Mitverantwortung der EU-Agrarpolitik an der weltweiten Nahrungsmittelkrise zurück. "Wir müssen die wirklichen Ursachen beim Namen nennen. Da geht es nicht um unsere Bioenergie oder die europäischen Subventionen", sagte Sonnleitner der "Passauer Neuen Presse". In einer Reihe von Entwicklungsländern und Schwellenländern habe die Landwirtschaft einen fantastischen Fortschritt gemacht, werde die städtische Bevölkerung heute gut mit Nahrungsmitteln versorgt. In anderen Ländern werde auf dem Land nicht mehr gearbeitet, seien die Menschen in die städtischen Slums geflüchtet. Deshalb müsse der Kampf gegen Korruption und für die traditionelle Landwirtschaft die Antwort auf die Probleme in den Entwicklungsländern sein, sagte der Bauernpräsident.

Zudem warnte er vor Risiken durch Spekulationen mit Agrarrohstoffen: "Die Börsenspekulationen werden immer stärker. Die Heuschrecken richten sich nun auch auf Agrarrohstoffe", sagte Sonnleitner. Bei den Nahrungsmitteln trieben Spekulanten genauso ihr Unwesen wie bei den Banken.

hen/ddp/dpa