ORF Wien

Zehn Prozent des Rettungspakets
Die Finanzbranche gerät wegen der Prämien in Kritik.
Trotz des Finanzchaos an der Wall Street streichen die Banker nach einem Zeitungsbericht noch immer milliardenschwere Bonuszahlungen ein. Allein die Bezüge der Mitarbeiter der sechs größten Banken summierten sich für die bisherige Arbeit in diesem Jahr auf über 70 Milliarden US-Dollar (50 Milliarden Euro).
Davon entfällt ein Großteil auf Boni, wie die britische Zeitung "The Guardian" am Samstag berichtete. Das entspricht etwa zehn Prozent des Volumens vom Rettungspaket der US-Regierung.

Prämien verdreifachten sich
In Großbritannien hat sich die Höhe der Bonuszahlungen für Banker in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdreifacht.

Während im Jahr 2003 das Volumen der Sonderzahlungen bei fünf Milliarden Pfund lag, wurden zum Ende des Steuerjahres im vergangenen April 16 Milliarden Pfund (20,6 Milliarden Euro) ausgeschüttet, wie aus der offiziellen Statistik hervorgeht.

Branchenübergreifend bekamen Beschäftigte in Großbritannien Boni in Höhe von 28 Milliarden Pfund.

"Guardian": Kein Verhältnis zu Wertverlust
An der Wall Street stünden die Zahlungen in keinem Verhältnis zu dem Wertverlust, den die Aktien der Banken seit Jahresbeginn verzeichnen mussten, schrieb der "Guardian" weiter. Die Papiere der Citigroup und von Goldman Sachs fielen um über 45 Prozent.

Gesamtbezüge teils höher als Börsenwert
Die Titel von Merrill Lynch und Morgan Stanley gingen sogar um über 60 Prozent in den Keller. Die bisherigen Gesamtbezüge der Morgan-Stanley-Mitarbeiter von fast 10,7 Milliarden Dollar seien zwischenzeitlich sogar höher als der Börsenwert des Unternehmens gewesen.

Bei den Citigroup-Mitarbeitern summierten sich die Bezüge inklusive Boni in den ersten neun Monaten dieses Jahres nach Recherchen des "Guardian" auf 25,9 Milliarden Dollar. Die Bank hatte eine Geldspritze aus dem Rettungspaket der Regierung in annähernd derselben Höhe erhalten.

Die Bezüge der Goldman-Sachs-Mitarbeiter addierten sich den Recherchen zufolge bisher auf 11,4 Milliarden Dollar. Bei Morgan Stanley lag die Summe bei 10,7 Milliarden Dollar, bei JP Morgan waren es 6,5 Milliarden Dollar und bei Merrill Lynch 11,7 Milliarden Dollar, wie der "Guardian" weiter berichtete.

Lehman Brothers: Untersuchungen ausgedehnt
Gut einen Monat nach der spektakulären Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers haben US-Justizbehörden laut Medien ihre Untersuchungen in dem Fall deutlich ausgeweitet. Die Ermittler versandten demnach mindestens ein Dutzend Vorladungen an Bankmanager, darunter auch Lehman-Chef Richard Fuld.

Öffentlich falsche Angaben gemacht?
Die Behörden prüften, ob die Manager noch kurz vor dem Zusammenbruch öffentlich falsche Angaben zum Zustand der Bank machten und Investoren so in die Irre führten, berichtete etwa die "New York Times" am Samstag.

Höhepunkt der Finanzkrise
Als Folge des Scheiterns der einst viertgrößten US-Investmentbank Mitte September erreichte die Finanzkrise ihren jüngsten dramatischen Höhepunkt. Weltweit strauchelte wegen der Lehman-Pleite eine ganze Reihe von Finanzhäusern, so auch die deutsche Hypo Real Estate (HRE).

Suche nach Beweisen für Betrug
Die Ermittler in den US-Bundesstaaten New York und New Jersey suchen den Berichten zufolge nach Beweisen für einen Betrug der Anleger durch das Lehman-Management. Öffentlich wies Fuld bisher alle Vorwürfe zurück.

Er habe seine Aussagen über die Lage bei Lehman stets auf Basis seines zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Wissens gemacht. Die Bank musste wegen ihrer Milliardenverluste und eines dramatischen Kurssturzes Teilinsolvenz anmelden und wird derzeit zerschlagen.

Links:

"Guardian"-Artikel
"New York Times"-Artikel

DER SPIEGEL