SPIEGEL ONLINE - 04. Januar 2007, 15:21
URL: http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,457208,00.html
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MEIN FÜHRER"-REGISSEUR DANI LEVY
"
Hitler hätte in Therapie gehört"
Dani Levy hat mit "Mein Führer" eine Komödie über
Adolf Hitler gedreht. Kann man über den Nazi-Diktator lachen? Man muss
es sogar, erklärt der Regisseur im Interview mit SPIEGEL ONLINE. Nur so
komme man dem Unfassbaren etwas näher.
SPIEGEL ONLINE: Der "Shoah"-Regisseur Claude Lanzmann plädiert
dafür, den Holocaust nur traumatisch zu erinnern. Fiktionalisierung käme
für ihn nicht in Frage. Sie hingegen wagen nicht nur eine komische Erzählung,
sondern verdonnern Hitler sogar zur Therapie.
Dani Levy: Ich glaube, dass alle Verfahren - sei es das von Guido Knopp, das
von Bernd Eichinger oder eben die Herangehensweise Lanzmanns - immer auch ein
stark subjektives Bedürfnis befriedigen. Auch für mich war dieses
Projekt nichts Überlegtes, sondern eine Art von Ausbruch.Hitler-Komödie "Mein
Führer": Darf man über den Nazi-Diktator lachen?
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SPIEGEL ONLINE: Ein Unbehagen an der Filmkultur?
Levy: Bei mir hat sich über die Jahre beim Ansehen vieler Dokumentationen
und Spielfilme zum Thema eine Art Unruhe eingestellt. Man wird mit der immer
gleichen moralischen Haltung konfrontiert, einem autoritären Abbilden
der Realität, das darauf basiert, die Verbrecher dieser Zeit zu dämonisieren.
Hier hilft Humor: Wenn, wie in "Mein Führer", Blondi Hitler
bespringt, bewirkt das eine Entmystifizierung. Wir brauchen andere Bilder.
Wir können nicht immer wieder sehen, wie der Führer als guter Onkel
auf dem Berghof herumläuft oder mitreißende Reden hält.
Foto: X-Filme
SPIEGEL ONLINE: Der Dokumentarfilm und der dokumentarisch beglaubigte Film
haben zur Vergegenwärtigung der historischen Schuld der Deutschen erheblich
beigetragen. Die Wiederholung bestimmter Bilder macht sie noch lange nicht
falsch.
Levy: Das stimmt natürlich. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde
viele Filme, vor allem Dokumentarfilme über das Dritte Reich enorm wichtig.
Sie liefern nötige Informationen und klären moralische Fragen. Auch
bei Filmen wie "Der Untergang" oder "Schindlers Liste" ist
alles faktisch unterfüttert. Die Opfer und Geretteten stehen Pate, aber
diese Authentizität ist auf Dauer lähmend. Ein Film, der in die Oberfläche
des Dokumentarismus hineinhackt, sie aufspaltet, kann etwas zu Tage fördern.
Für mich war es wichtig, etwas über die Beschaffenheit diktatorischer
Autorität herauszufinden. Die Autorität des Diktators beruht auf
blindem Gehorsam, und wenn Film Gehorsam einfordert, wird er gefährlich.
Er setzt das Unrechtssystem mit seinen Mitteln fort. Ein guter Film hingegen
ist dialektisch und basiert auf einer Praxis des Zweifelns.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Film "Mein Führer" (Bundesstart: 11. Januar)
sieht die Ursache von Hitlers Verbrechen in seiner grausamen Kindheit, für
die er sich an den Juden rächt. Wird bei der Reduktion aufs Psychologische
nicht jeder verstehbar und entschuldbar?
Levy: Entschuldigen hat mit Verstehen nichts zu tun. Im Gegenteil: Verständnis
beugt eilfertigen Entschuldigungen vor. Aber wenn ich bestimmte Aspekte des
Menschlichen verurteile, nur damit ich keine Empathie für das Unerklärliche
empfinden muss, dann ist das gefährlich.
VIDEOS ZUM FILM
Foto: X Verleih
"
Mein Führer" - Trailer und Ausschnitte des Films
Ausschnitt: "Der Führer braucht sie"
Ausschnitt: "Ziehen Sie Ihre Uniform aus"
Ausschnitt: "Seid Ihr Juden zu feige?"
Ausschnitt: "Ich will meinen Juden haben!"
Ausschnitt: "Sie Elefant!"
SPIEGEL ONLINE: Sie beziehen sich auf die Thesen der Psychotherapeutin Alice
Miller, die nicht gerade für Komplexität bekannt sind. Miller reduziert
historische Katastrophen auf Fehler in der Erziehung.
Levy: Ich halte die Idee der zwanghaften Reproduktion bestimmter Kindheitserlebnisse
wie Gewalt und Willkür und ihrer Auswüchse in politischen Systemen
für einen praktikablen Ansatz. Und damit meine ich keineswegs Hitler alleine,
sondern Millionen Deutsche, die mit schwarzer Pädagogik großgeworden
sind. Der Zuschauer begleitet Hitler mit Empathie, die Distanz zu dieser Figur
wird bis zu einem gewissen Grad aufgelöst. Das ist verunsichernd, denn
man darf solche Regungen für Hitler eigentlich nicht haben. Der Zuschauer
versucht, sich instinktiv von Mitgefühl freizumachen, und genau diese
Spannung ist erkenntnisfördernd.
SPIEGEL ONLINE: Ihrem Film ist Tucholskys Diktum "Küsst die Faschisten,
wo ihr sie trefft" vorangestellt. Ein wenig naiv aus heutiger Sicht, wo
wir auf ein unvergleichbares Verbrechen mit sechs Millionen Opfern zurückblicken.
Levy: Die Faschisten wollen nicht geküsst werden, vor allem nicht von
mir. Der Satz macht das Spannungsverhältnis zwischen Annahme, Verständnis
und Ablehnung deutlich, das auch meinen Film prägt. Ich seziere die Verhältnisse,
mache sie lächerlich. Ich konterkariere ein respektvolles, ehrfürchtiges,
dokumentarisches Bild, an das wir uns gewöhnt haben, und hole es in einen
Bereich urmenschlicher Kleinheit. Nur so lassen sich bestimmte Fragen diskutieren.
Was ist schäbig, was feige? Kann man jemanden für etwas verantwortlich
machen, das ihn systematisch durch kollektive Erziehungsmuster mit anderen
verbindet und das sich zu einem Schreckenssystem ausgeweitet hat?
SPIEGEL ONLINE: "Ich bin ein Krisenfall", fleht Hitler in einer Szene
den jüdischen Schauspiellehrer Adolf Grünbaum an. "Heilen Sie
mich!" Der Schauspieler als Psychoanalytiker: Ist das die Aufgabe von
Kunst - kranke Seelen heilen?
Levy: Warum nicht? Das ist vielleicht eine Qualität, die wir Juden haben:
Wir interessieren uns für die menschlichen Widersprüche, das hat
eine Hebelwirksamkeit. Und Verständnis für das Menschliche in einem
monströsen System, das gelingt vor allem durch Humor. Man erfährt
ja nicht nur etwas über die Kindheit, sondern auch einiges über die
Sehnsüchte des Menschen Adolf Hitler. Er wünscht sich einen Zuhörer.
Hitler hätte in eine Therapie gehört, nicht in eine Regierung.
Das Interview führte Daniel Haas.
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"Mein Führer": Schneider distanziert sich von Hitler-Film (04.01.2007)
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,457757,00.html
SPIEGEL ONLINE - 04. Januar 2007, 13:04
URL: http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,457757,00.html
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MEIN FÜHRER"
Schneider distanziert sich von Hitler-Film
Dani Levys Hitler-Satire "Mein Führer" ist noch nicht einmal
in den Kinos, sorgt aber mit der Frage, ob man über den Nazi-Diktator
lachen dürfe, bereits für Schlagzeilen. Jetzt distanzierte sich auch
noch der Hauptdarsteller Helge Schneider deutlich von der Komödie.
Essen - Eine Woche vor der Premiere des Films "Mein Führer. Die wirklich
wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" will Hauptdarsteller Helge Schneider
plötzlich nichts mehr von der Satire wissen. "Es geht nur noch darum,
wie Hitler gesehen werden soll: Nämlich als Schwächling. Das ist
mir zu profan", sagte der Komiker und Musiker der Schweizer Boulevardzeitung "Sonntagsblick".
Er sei von dem Film nicht mehr überzeugt: "Jetzt gefällt mir
der Film nicht mehr, weil er nichts mehr aufreißt." Er habe das
Gefühl, er solle als einziger für den Film Reklame laufen.
DPA
Hitler-Darsteller Schneider: "Ich bin davon nicht mehr überzeugt"
Sein Vorwurf: Die Aussage der Geschichte sei im Nachhinein beim Schnitt verändert
worden. Der Fokus, der ursprünglich auf Hitler gelegen habe, sei jetzt "mit
aller Gewalt" auf die jüdische Geschichte gelegt worden. Schneider: "Hätte
ich das gewusst, dann hätte ich vielleicht gar nicht mitgespielt."
Doch der Komiker holte in dem am 30. Dezember veröffentlichten Interview
noch weiter aus: Die Geschichte sei ihm schon auf Grund des Drehbuchs "ein
bisschen mau" vorgekommen. Er hätte sich "mehr Adolf Hitler" erwartet
und gewünscht, "ihn ausführlicher zu zeigen und nicht so in
kleine Szenen zu zerschnippeln, zu reduzieren." Er wolle "von dem
Hitler-Quatsch nix mehr hören". Er sei froh, wieder "zu Hause
zu sein auf der Bühne".
Die von Schneider kritisierte Neufassung des Films erklärte Regisseur
Dani Levy gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit
den Reaktionen bei einer Testvorführung der ursprünglichen Version: "Die
Leute, es waren fast 400, waren entsetzt. Die hatten das Gefühl, Hitler
sei die Stimme des Films."
Bei der Verleihfirma X Verleih ist man um Schadensbegrenzung bemüht.
Die Lage sehe mittlerweile ganz anders aus, sagte eine Pressesprecherin zu
SPIEGEL ONLINE, "Helge Schneider wird auf der Premiere mit Freude dabei
sein." Der Komiker sei in der Vorweihnachtszeit lediglich bedrückt
gewesen, dass er nur nach seiner Hitler-Rolle und nicht nach seiner Tournee
befragt wurde.
Produzent Stefan Arndt nahm die Kritik ebenfalls gelassen auf. "Da kommt
in erster Linie auch der Schauspieler und Künstler durch, der vor allem
sich selbst sehen will", sagte Arndt der dpa. Schneider sei bislang
immer sein eigener Regisseur gewesen, da sei es sicher schwer, das Ergebnis
der Arbeit einem anderen Regisseur überlassen zu müssen. "Helge
hat aber eine so überragende Leistung als Schauspieler abgeliefert,
dass wir ihm gar nicht böse sein können."
Die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen, die den Film mitfinanziert hat, steht
weiterhin zu dem Werk. "Ich glaube dass jeder künstlerische Anlauf,
die Figur Hitler zu verstehen, zulässig ist", sagte Geschäftsführer
Michael Schmidt-Ospach. Die Komödie sorge auch für Beklemmung. "Man
geht aus diesem Film sehr nachdenklich hinaus".
Trotz seiner Kritik an dem Film seien Regisseur Dani Levy und er weiterhin
Freunde, sagte Schneider im Rundfunk Berlin-Brandenburg. "Man muss ja
nicht einen Film, wo man mitgemacht hat, bloß aus irgendwelcher Loyalität
dann supergut finden." Schlecht sei sein neuer Film sicher nicht. "Aber
ich hab da nicht so einen Thrill erfahren. Tut mir leid, ich find den eben
nicht so lustig."
hoc/dpa/AP
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