SPIEGEL ONLINE: Seit dem Ende des Libanon-Krieges im vergangenen Sommer steht die Regierung Ehud Olmerts stark unter Druck. Hat sie auch Ihrer Ansicht nach versagt?
Shalev: Auch das schlechte Ergebniss des Libanon-Krieges zeigt, welchen Preis die Besatzung hat. Unsere Armee ist zu einer Art Polizei geworden. Die Soldaten wissen, wie man Menschen verhaftet, aber nicht, wie man gegen andere Soldaten kämpft. Das Problem der israelischen Führung ist, dass sie eine Vision hat, die nicht länger ist als ihre eigene Nase. Die Regierung benimmt sich wie eine Truppe Feuerwehrleute, die Wasser nur dahin sprengt, wo es brennt. Das ist brandgefährlich.
SPIEGEL ONLINE: Warum?
Shalev: Die Hamas zum Beispiel hat eine Vision. Eine, die sich hoffentlich nicht erfüllen wird. Sie will den Staat Israel zerstört sehen. Wenn aber unsere Feinde so konkrete Vorstellungen haben, wo ihre Reise hingehen soll, würde ich doch vorschlagen, dass wir etwas dagegen setzen. Meine Vision ist die von zwei Staaten für zwei Völker. Aber je länger wir warten, desto schwächer werden die moderaten Kräfte auf der anderen Seite.
SPIEGEL ONLINE: Hätten Israel und der Westen versuchen müssen, dem Extremismus der Hamas die Spitze zu nehmen, indem sie diese als gleichwertige Gesprächspartnerin akzeptiert?
Shalev: Es war ein großer Fehler, nicht mit der Hamas zu reden. Ein Fehler, der in Israel fast schon Tradition ist. In den Anfangsjahren hat Premierministerin Golda Meïr sogar noch bestritten, dass es überhaupt ein palästinensisches Volk gibt, dann auf einmal wurden die Palästinenser zu Gesprächspartnern. Als nächstes durfte man nicht einmal darüber nachdenken, mit Yassir Arafat zu sprechen, später ging es dann. Jetzt ist es verboten, mit der Hamas zu verhandeln. Das ist doch Unsinn, man muss mit jedem reden. Mit dem Iran, mit Syrien, der Hisbollah und der Hamas, und zwar je früher desto besser. So wie mit Deutschland: Nur sechs Jahre nach dem Holocaust hat Israel mit der deutschen Regierung über Entschädigungen verhandelt. Dabei ist das, was uns die Deutschen angetan haben schlimmer, als alles, was die Palästinenser jemals verübt haben.

Die heutige Bundeskanzlerin in Deutschland wird sehr gelobt als mächtig und geschickt.

Als sie ihrer Antrittsbesuch in Israel machte, half sie den Israelis wenig, indem sie es ablehnte, mit der Hamas zu sprechen. Das war eigennützig, dumm, feige und schlecht für Israel. Wenn man Politik machen, Zeichen setzen und helfen will. Ein schlechter Start. Gut auf der Ebene, wie man sich klug durchwurstelt. Wie dort. Dafür gibts dann auch Lob. Von wem. Vielleicht wären wir heute, Isreal und die ganze Welt die daranhängt, woanders, wenn sie gesprochen hätte, das Eis brechend, wenn sie wirklich stark gewesen wäre und gut.