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Ahmadinedschad: Er fühlt sich ständig falsch verstanden
Zweieinhalb Tage verbrachte Ahmadinedschad in New York. Er wurde dämonisiert
- die "Daily News" nannte ihn "Hitler" und "das
Böse". Er wurde als "engstirniger und grausamer Diktator" bezeichnet
- von Lee Bollinger, dem Präsidenten der Columbia University Er wurde
ignoriert - Tony Blair kehrte ihm in der Uno-Lobby den Rücken zu, Amerikas
First Lady Laura Bush rauschte wortlos an ihm vorbei. Und er wurde wohlwollend
beklatscht - nach seiner überlangen Rede vor der Vollversammlung, bei
der er die USA als "arrogante Macht" schimpfte - immer ein Publikumsrenner
im Uno-Plenum.
Doch bei all dem Gebrüll, Gezeter und schrillen Polit-Theater, das Ahmadinedschad
allein durch seine Anwesenheit provozierte, ging schnell unter, was er denn
wirklich gesagt hat. Erst zum Ende seiner Reise bot sich die Gelegenheit,
dies ungeschminkt zu erleben, bei einer geradezu rabaukenhaften Pressekonferenz
im Uno-Untergeschoss.
"
Woher kommen Sie?"
Der Saal war grell erleuchtet, die Nerven lagen blank. Beide Seiten, die
Korrespondenten wie Irans Präsident, waren spürbar erschöpft.
Und wer erschöpft ist, der lässt nun mal leichter die Maske fallen.
Es war Ahmadinedschad unplugged - direkt, live und ohne Manuskript.
Zu den Drohungen gegen Israel: Nachdem Ahmadinedschad die erste Frage danach
unbeantwortet gelassen hatte, unterbrach er den Fragesteller beim zweiten
Mal barsch: "Woher kommen Sie?" Der Reporter war vom konservativen
US-Kabelsender Fox News. Daraufhin sagte Irans Präsident: "Wir
sind der Meinung, dass das zionistische Regime eine usurpatorische, illegale
Besetzung ist." Jemand rief laut dazwischen: "Beantworten Sie die
Frage!" Ahmadinedschad verwies auf das bekannte Schicksal der Sowjetunion: "Wo
ist sie heute? Sie ist verschwunden."
AHMADINEDSCHAD-BESUCH: WÜTENDE PROTESTE IN NEW YORK
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Zur Atom-Debatte: "Irans Nuklearfrage ist nunmehr abgeschlossen",
hatte Ahmadinedschad vor der Vollversammlung erklärt - seine Redezeit
von 15 Minuten überzog er dabei um gut 30 Minuten. Irans Atomforschung
gehe "friedlich" weiter, fügte er auf der Pressekonferenz
hinzu. Iran kooperiere mit der Uno-Atomaufsichtsbehörde IAEA: "Wir
meinen wirklich, was wir sagen."
Tatsächlich hatte IAEA-Chef Mohamed ElBaradei erst kürzlich festgestellt,
dass Iran seine "Anreicherungsaktivitäten nicht eingestellt" und "seinen
Bau des Schwerwasserreaktors in Arak fortgesetzt" habe. ElBaradei nannte
das "bedauernswert". Darauf angesprochen, bestätigte Ahmadinedschad
dies gestern nach einigem Hin und Her doch noch - aber mit dem Zusatz: "Beide
diese Aktivitäten sind legal."
"
Die Fragen sind überhaupt nicht wahr"
Zur Rolle Irans im Irak: "Der Irak und Iran repräsentieren zwei
große Nationen, die Freunde sind. Unsere Freundschaft ist historisch." Wenn
jemand im Irak Schmerz empfinde, schmerze das auch in Iran. "Wir sind
gegen jegliche Art von Unsicherheit im Irak." Berichte über eine
Unterstützung schiitischer Terroristen im Irak bezeichnete er als "Lügen".
Tatsächlich ignoriert Ahmadinedschads Freundschaftsgeschichte mit dem
Irak den ersten Golfkrieg zwischen beiden Staaten (1980-1988), bei dem schätzungsweise
eine Million Menschen starben, die meisten auf iranischer Seite. Und eine
aktuelle Verbindung Teherans zu Milizen im Irak kristallisiert sich nach
Berichten von US-Medien inzwischen immer stärker heraus. General David
Petraeus und Botschafter Ryan Crocker beschuldigten Iran vor dem Kongress,
die Terroristen im Irak aktiv zu unterstützen, um so "einen Stellvertreterkrieg
gegen den irakischen Staat und die Koalitionstruppen im Irak zu führen".
Zur Unterdrückung kritischer Wissenschaftler in Iran: Eine Reporterin
sprach Ahmadinedschad auf die Inhaftierung und Verfolgung politisch unliebsamer
Dozenten und Studenten in Iran an. Ahmadinedschads Reaktion: "Die Fragen,
die Sie aufwerfen, sind überhaupt nicht wahr." Im Gegenteil: Alle
fraglichen Personen seien weiter "aktiv". Und, kryptischer: "Die
Freiheit, die man heute in Iran genießt, ist Freiheit."
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Tatsächlich verweist die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch
(HRW) auf mehrere prominente Fälle, die dem widersprechen. "Die
zunehmende Inhaftierung und Internierung von iranisch-amerikanischen Gelehrten
in Iran deutet auf eine Kampagne der iranischen Regierung hin, kommunale
Bürgeraktivisten davon abzuschrecken, mit Iranern im Ausland zu interagieren",
heißt es in einer Erklärung der HRW. HRW-Nahostdirektorin Sarah
Leah Whitson fügte hinzu: "Geheimdienstagenten versuchen, diese
Inhaftierten dazu zu zwingen, falsche Geständnisse abzulegen, um die
breitere Gemeinschaft iranischer Aktivisten und Gelehrten zu belasten." Ahmadinedschad
beschrieb diese Verhöre gestern so: Die Akademiker seien "von der
Polizei eingeladen worden, eine Unterhaltung zu führen".
"
Geben Sie mir die Adressen!"
Zur Verfolgung von Minderheiten in Iran: "In Iran haben wir keine Homosexuellen
wie in Ihrem Land", hatte Ahmadinedschad am Montag an der Columbia University
behauptet, als er nach der Hinrichtung Schwuler in Iran gefragt wurde. Die
Frage wurde ihm gestern erneut gestellt. Er wand sich etwas und sagte dann: "Im
Ernst? Ich kenne keine." Die Reporterin entgegnete, sie kenne aber welche. "Homosexuelle?",
sagte Ahmadinedschad mit kaum verhohlenem Unwillen. "Geben Sie mir die
Adressen!"
Tatsächlich ist Homosexualität in Iran strafbar. Küssen unter
Männern wird mit Peitschenhieben bestraft, Sodomie mit dem Tod. Menschenrechtsgruppen,
darunter Amnesty International, haben über die Jahre etliche Exekutionen
iranischer Schwuler dokumentiert. "Das beharrliche Leugnen unserer Realität
durch den iranischen Präsidenten reflektiert die andauernde Weigerung
seiner Regierung, die grundlegenden Menschenrechte lesbischer, schwuler,
bisexueller und transsexueller Menschen anzuerkennen", erklärte
Paula Ettelbrick, die Chefin der International Gay and Lesbian Human Rights
Commission (IGLHRC).
Zur Verbindung Irans mit der Hisbollah: Karnit Goldwasser, die Ehefrau des
israelischen Soldaten Ehud Goldwasser, der im Juli 2006 von der iranisch
unterstützten Hisbollah verschleppt worden war, fragte Ahmadinedschad
gestern nach dem Verbleib ihres Mannes: "Warum erlauben Sie dem Roten
Kreuz nicht, ihn zu besuchen?" Ahmadinedschad ignorierte sowohl die
Frage wie auch die Frau, die vor ihm in der ersten Reihe saß, und wandte
sich stattdessen einer Frage nach der Erderwärmung zu.
Zu allen Zweifeln an seinen Antworten sagte er: "Ich lade Sie ein, einzeln
nach Iran zu kommen, Sie alle, und sich mit uns zusammenzusetzen."
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