„Es wäre ein Irrtum und Fehler, die Notwendigkeit des Mythos zu leugnen, den Mythos als Antwort auf die nicht einzuholende Realität. Der Wille zum Mythos heißt, dem Sachbuchwissen entkommen.” Hans Jürgen Syberberg (1978)
Innenseiten „Man muss so tief in die Wunde gehen, dass man in Verdacht gerät.” Fragen zu „Hitler, ein Film aus Deutschland”
Revolver: Sie haben einmal behauptet, die Irrationalität sei eine der größten Stärken deutscher Kultur, eine Stärke, die verlorengegangen sei. Hans Jürgen Syberberg: Wenn man sich geistig entwickeln will, muss man ja immer andersherum denken - das, was auf dem Markt gerade gehandelt wird, umkehren. Und ich merkte bald, wie fruchtbar das war, wenn man bestimmten Phänomenen speziell in der deutschen Geschichte begegnen will. Und es ist sehr produktiv, wenn man versucht, ästhetische Kategorien dafür zu finden. Die Gestaltung und Nachgestaltung des Lebens mit künstlichen Mitteln ist ja immer der Versuch, die Realität in den Griff zu kriegen. Es geht ja in der Kunst nicht darum, Leben einfach zu reproduzieren. Das tut man ja sowieso, indem man sich fortpflanzt und sein Leben lebt. Aber wenn man eine Form finden will, und zwar so, dass man Leben versteht, dass man sich darüber erhebt und es erhöht, dann wird man versuchen müssen, solche Begriffe zu fassen. R. Ihre Filme gehen sehr weit weg von der Illusionsmaschine Kino, die den Zuschauer in einer Voyeursposition miteinbezieht. Viele ihrer Filme versuchten eine Art episches Kino im Sinne Brechts zu verwirklichen, ganz und gar antirealistisch. S. Wenn Sie die Filme ganz genau anschauen, dann sehen Sie, dass sie sehr einfach gemacht sind, und zwar nicht nur, weil so wenig Geld da war. Diese Filme setzen sich aus dem einfachsten zusammen, was es gibt. Zum Beispiel die Aufzeichnungen von Hitlers Diener, das ist das Einfachste, was man an Trivialliteratur, auch an Realliteratur finden kann. Ein Dienstbotenbericht. Dann habe ich dazu die Umwelt, von der er berichtet, projiziert. Das war billig, weil die Realität ja nicht mehr existierte. Aber dadurch, dass ich ihn da hineinstelle, bekommt die Erzählung einen Wert, der über das Realistische hinausgeht. Der Film hat Mittel, Dinge sehr real darzustellen, überhaupt Dinge sichtbar zu machen, was im Theater oder auch im Roman so nicht möglich ist. Aber sobald ich schneide, muss der Zuschauer Bilder überbrücken, also eine gedankliche Verbindung herstellen. Mit diesen Verbindungen arbeitet der Film von Natur aus, weil der Eindruck von Bewegung erst durch die schnelle Abfolge stehender Bilder entsteht. Film ist also von Anfang an ein Medium, das mit Täuschung arbeitet, mit einem Fehler des Auges. Aber aus diesem Fehler heraus hat man etwas gemacht, aus einem Nachteil wurde ein Vorteil. Und so arbeitet Film immer, wenn er klug ist. R. Sie arbeiten mit einer Fülle von Referenzen, Quellen und Verweisen... S. Ich bin – man kann sagen leider – nach meinen ersten Versuchen mit Film und Theater auf die Universität gegangen und habe dort die Zeit genutzt, mir sehr viele Quellen zur Geschichte anzueignen. Ich habe Lehrer gehabt, die darauf sehr viel Wert gelegt haben. Hinzu kam meine Brechtsche Schule. All das zusammen hat bewirkt, dass ich die Dinge gerne von vielen Seiten untersuche, also weniger Geschichten erzähle als Geschichte. Man kann schon sagen ‚erzählen‘, aber im Grunde entsteht da ein Muster aus Bildern und Tönen, unterteilt in verschiedene Kapitel. Das war damals die Phase, in der ich versucht habe, kaleidoskopartig Geschichte darzustellen. R. Sie haben damals mit einem beeindruckenden Zorn gefordert, man müsse sich von der Schuss-Gegenschuss-Diktatur befreien und den Film als “Musik der Zukunft” begreifen. S. Ich habe auch da wieder nachgedacht und mich gefragt, was im Konzert der Völker eigentlich die Stimme Deutschlands sei. Und so bin ich auf die Musik gekommen. Hollywood steht für das erzählerische Kino, das machen die ganz gut, Frankreich und Italien für eine bestimmte Realitätsnähe – wir könnten die Ästhetik des Films pflegen, die der Musik entspricht. Da gibt es sehr viele Möglichkeiten. Man kann viele Instrumente zusammenbringen oder man kann in ein Instrument alleine einen ganzen Kosmos legen. Wenn sie genau nachdenken, welche deutschen Filme besonders interessant waren und sich unterschieden haben von anderen, dann waren das in ihrer Machart sehr stark musikalische. Das ist unsere Chance. Man braucht nicht sehr viel Geld, aber man müsste sich von Vielem freimachen, was heute auf dem Markt geschieht. Und das sehe ich überhaupt nicht. Weder im Fernsehen noch in den Förderrichtlinien, in der Finanzierung oder in der späteren Prämierung. Es würde bedeuten, dass man total anders denkt. (Auszug aus einem Interview mit Hans Jürgen Syberberg, erschienen 1999 in Revolver Heft 3)
Hans Jürgen Syberberg
Geb. 1935 in Nossendorf, Vorpommern. 1953 West-Berlin, 1956-63 Studium der Germanistik und Kunstgeschichte in München. Freier Filmemacher und Autor. Filme (Auswahl): "Fünfter Akt, siebte Szene. Fritz Kortner probt Kabale und Liebe" (1965), "Ludwig – Requiem für einen jungfräulichen König" (1972), "Karl May" (1974), "Winifried Wagner und die Geschichte des Hauses Wahnfried" (1975), "Hitler, ein Film aus Deutschland" (1977), "Parsifal" (1982), „Die Nacht“ (1985), „Penthesilea“ (1987), „Syberberg filmt Brecht“ (Dok., 1993). Video-Installation: "Höhle der Erinnerung" (1997).
* DVD-Scheibe Syberberg Hitler, ein Film aus Deutschland FSK X 451-LOGO Revolver Edition
versucht sie machen zu lassen, ihre Version, der nachfolgenden Generation. Darf aber nicht gegen aktuelle Positionen, Dringlichkeiten gehen, solange wir noch da sind. Wie umnterpretation, die Fragen fordern Antworten, die aber nicht den eigenen entsprechen.

Mittwoch 18. April

weiter Materialien zur Gestalung des Umschlags einer Hitler-DVD durch die Zeitschrift Revolver herausgegeben

also doch Mythos?

Vorne das Bild mit RW Grab aus dem H.steigt . Frage was hinten drauf. aus 7 Stunden etwas was ergänzend illustriert.

Texte innen und hinten. Das Mythos-Text zuviel Übergewicht auf ein damals historisches Phänomen, wie die damals wichtige Beobachtung des Irrationalismusund DL?

vorne Hülle

hinten

eigentlich wäre das Bild in NY damals zum historischen Text der Rezeption in NY das logische. Es entsteht vielleicht die Neugier, wie haben die damls und dann inder Welt das verstanden.

 

Titel in der NY Review of Books anl. der Premiere des Hitlerfilms USA Februar 1980