Sie
ist keine wirklich starke Figur. Erst ein pubertäres Küken. Dann
will sie so halbwegs mit Walter abhauen. Im dritten Akt muss sie sich bei jedem
drückenden Schuh helfen lassen und dann gefällt sie sich als weiblicher
Preispokal,
Nike
Wagner fordert im Interview den Stiftungsrat der Bayreuther Festspiele auf,
bei der Nachfolge-Entscheidung für Wolfgang Wagner endlich die "Fixation
an dynastische Kontinuitätsträume" (sprich: Wolfgangs Tochter
Katharina) abzulegen. "Jetzt muss der 'Eignungsparagraph' der Stiftungssatzung
ernst genommen und genauer definiert werden. Nicht noch einmal darf einer,
nur weil er Wagner heißt, sich die Lizenz zuschustern, in Bayreuth auch
künstlerisch tätig zu sein. Der Corpus Bayreuth verdirbt nicht, wenn
Fremdblut in seine Adern gepumpt wird. Haus, Festspielkonzept und die musikalisch-theatralische
Qualität der Wagnerschen Werke bürgen dafür: Bayreuth geht so
leicht nicht unter."
Dienstag, den 17. Juli
nach Bayreuth abgegangen in DVD
50 Winifred
25 Hitler
25 H+WW
10 Boxen
25 Parsifal
25 Ludwig
10 Boxen RW
2 Monologe
das für den Anfang
WELT
ONLINE: Sie sagten vorher, Sachs sei restaurativ geworden. Warum?
Wagner: Vielleicht weil er was mit Eva hatte und dann zurückgewiesen worden
ist? Ab dem „Wahnmonolog“ wird er ekelig reaktionär, was in
der Schlussansprache gipfelt. Was vorher in der Prügelfuge passiert ist,
das Anarchische, das überfordert ihn. Vielleicht kann er im dritten Akt
auch sexuell nicht mehr? Sein Konservatismus, der die ‚heil’ge
deutsche Kunst“ retten will, könnte auch Sublimierung sein.
WELT ONLINE: Und wie verhält sich Eva dazu?
Wagner: Sie ist keine wirklich starke Figur. Erst ein pubertäres Küken.
Dann will sie so halbwegs mit Walter abhauen. Im dritten Akt muss sie sich
bei jedem drückenden Schuh helfen lassen und dann gefällt sie sich
als weiblicher Preispokal, läuft glücklich in den Ehe- und Familienhafen.
Eva als Eva Herman. Da hat Wagner interessantere Frauenfiguren geschaffen.
WELT ONLINE: Wer ist Beckmesser?
Wagner: Ein kluger Außenseiter, den ich sehr ernst nehme. Der eigentlich
Modernste von allen. Das ist nicht neu, doch es fasziniert mich nach wie vor.
Mehr noch interessiert mich der Walter. Im ersten Akt ist er sehr innovativ.
Er stößt später beispielsweise eine Skulptur um und pinselt
darauf herum. Ist das nun Vandalismus oder malt sich da jemand in einen Raum
ein à la Jonathan Meese? Ein Beginn auf dem Alten. Ein wirkliches „Fanget
an“. Im dritten Akt bedient Walter dann nur noch harfenumrauscht dem
Mainstream. Und das kritisiere ich.
WELT ONLINE: Womit aber ihr erster Stolzing, Robert Dean Smith, nicht zurecht
kam?
Wagner: Leider. Wir haben uns aber im Guten getrennt. Auch hier gab es trennende
Welten in der Auffassung von Kunst. Kunst ist eben nicht nur schön. Auch
wenn der Stolzing am Ende eben diese Meinung bedienen will. Um Evas willen,
weil er zum Establishment gehören will, oder weil er alt geworden ist
und die ewige Rebellion zu anstrengend findet, dass muss sich jeder selbst
denken.
WELT ONLINE: Wollen Sie provozieren?
Wagner: Ich muss es. Sonst hätte ich dieses Stück nicht verstanden.
Das wird in den ersten Akten noch angehen. Aber warten wir mal die Festwiese
ab, was da passiert. Das wird sicher ein Kampfplatz des Konservatismus gegen
das sich einlassen Wollen und Können auf andere, in Bayreuth in diesem
Werk noch nicht gesehene Bilder sein.
WELT ONLINE: Also auch ein Stück über Ekeltheater, Peter-Stein-Beharren
und den überdrehten Kunstmarkt?
Wagner: Natürlich. Und über angebliche Überfremdung durch Einwanderer
und eine angebliche neue Bürgerlichkeit, über Achtundsechziger-Überwindung
und die Frage, was uns die kaum noch Neues schaffende Oper heute noch bedeutet.
Das sind zumindest alles Phänomene, die in meine Inszenierung eingeflossen
sind.
Nun
haben wir noch immer keinen Kirch-Turm, aber dafür den Turm der Begrüssung
am Eingang des Dorfes. Und der Blick kippt nicht mehr weg da vorne.
Das Behaupten -nach dem gewaltsamen und provokativen Tod der Birke gerade
dort- als erstes Gebot des Lebens.