SPIEGEL ONLINE - 31. Mai 2007, 21:11
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INSIDERHANDEL
Tonbandmitschnitt bringt EADS-Manager in Erklärungsnot
Bislang bestreiten Manager des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS vehement, Insiderwissen über Lieferverzögerungen benutzt zu haben, um rechtzeitig Gewinn bringende Aktienoptionen zu nutzen. Jetzt sind belastende Aussagen eines Airbus-Geschäftspartners bekannt geworden.
Paris - Schon auf einer Sitzung des Verwaltungsrates am 7. März 2006 wurden "schwere industrielle Schwierigkeiten und sich daraus ergebende Lieferverzögerungen" erörtert, schrieb die Pariser Finanzzeitung "La Tribune" heute unter Berufung auf einen Insider. Noch am selben Tag begannen Spitzenmanager, allen voran der damalige EADS-Chef Noël Forgeard, ihre Aktien zu verkaufen.

DPA
Startender Airbus A380: Börsenaufsicht untersucht neue Beweise
Forgeard hatte im März mit dem Verkauf einen Gewinn von 2,5 Millionen Euro erzielt. EADS-Marketing- und Strategiechef Jean-Paul Gut konnte sich 1,15 Millionen Euro aus den Verkäufen gutschreiben. Vier weitere EADS-Vorstandsmitglieder machten Gewinne zwischen 365.000 und 1,2 Millionen Euro. Der deutsche Chef der Rüstungssparte, Stefan Zoller, konnte 492.880 Euro verbuchen. Nach den Regeln von EADS dürfen Mitglieder des Exekutiv-Komitees vier Mal pro Jahr Aktien verkaufen. Dies ist jeweils nach Veröffentlichung der Quartalszahlen drei Wochen lang möglich.
Laut "La Tribune" korrigierte EADS am 6. März vergangenen Jahres seinen Plan von zunächst 29 auf 24 A380-Auslieferungen im Jahr 2007 nach unten. Dies sei aber nicht im Protokoll der Aufsichtsratssitzung einen Tag später festgehalten worden. Von EADS heißt es bislang, die industriellen Schwierigkeiten beim A380 seien an dem Tag nicht thematisiert worden.
" La Tribune" beruft sich auf den früheren Airbus-Geschäftspartner Jean Galli Douani, der mit dem Flugzeugbauer seit langem im Clinch liegt. Kurz nach der Verwaltungsratssitzung im März telefonierte er nach eigenen Angaben mit dem technischen Direktor von Airbus, Alain Garcia. In dem Telefonat habe dieser mitgeteilt, dass "schwere industrielle Schwierigkeiten beim A380 und sich daraus ergebende Lieferverzögerungen" vom Verwaltungsrat angesprochen worden seien.
Das Gespräch habe Galli Douani aufgezeichnet und einen Mitschnitt an die Pariser Finanzpolizei übergeben, die ihn am 2. Mai vernahm, schrieb die Zeitung. Das Büro von Ermittlungsrichter Xavièr Simeoni wollte sich dazu zunächst nicht äußern.
Stellt sich der Mitschnitt als beweiskräftig heraus, dann wären die folgenschweren Probleme beim Superjumbo A380 den Verantwortlichen des Airbus-Mutterkonzerns EADS drei Monate früher bekannt gewesen, als bislang eingeräumt.
Der Konzern teilte erst am 13. Juni des Jahres mit, dass es wegen Fertigungsproblemen zu Verzögerungen beim A380 kommt. Nach der Gewinnwarnung brach der EADS-Kurs um 26 Prozent ein. Bis dahin hatten 85 Prozent der 800 Manager ihre Aktienoptionen geltend gemacht.
Auch die industriellen Hauptaktionäre Daimler und Lagardère verkauften in der Zwischenzeit je 7,5 Prozent des Kapitals. Die Pariser Finanzpolizei und die Börsenaufsicht ermitteln deshalb wegen Verdachts auf Insiderhandel.
mik/AP/Dow Jones/dpa-AFX
Anm. der Red: Im Vorspann des Artikels war ursprünglich der Satz enthalten, es sei ein Tonbandmitschnitt der entscheidenden Aufsichtsratssitzung aufgetaucht. Die EADS-Pressestelle weist darauf hin, dass kein Tonbandmitschnitt der betreffenden Sitzung existiert. Wir bedauern die fehlerhafte Formulierung.

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