Die Heine-Preis-Jury 2006
Der Heine-Preis-Jury 2006 gehörten an: als vom Rat gewählte Mitglieder Sigrid Löffler (Berlin), Prof. Dr. Julius H. Schoeps (Potsdam), Prof. Dr. Jean-Pierre Lefèbvre (Paris) und Prof. Dr. Christoph Stölzl (Berlin), ferner Prof. Dr. Dr. Alfons Labisch (Rektor der Heine-Universität Düsseldorf), der Chef der NRW-Staatskanzlei und Staatssekretär für Kultur Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (fehlte) sowie Dr. Gabriele von Arnim (für die Heinrich-Heine-Gesellschaft Düsseldorf); außerdem als Vertreter der Stadt Oberbürgermeister Joachim Erwin (Jury-Vorsitzender), Bürgermeister Dirk Elbers, Ratsherr Friedrich Conzen (Kulturausschuss-Vorsitzender), Ratsfrau Marit von Ahlefeld (stellvertretende Kulturausschuss-Vorsitzende) und Kulturdezernent Hans-Georg Lohe. Die städtischen Mitglieder des Preisgerichts haben bestimmungsgemäß bei der Entscheidung jeweils eine, die übrigen jeweils zwei Stimmen.
SPIEGEL ONLINE - 29. Mai 2006, 14:51
URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/erde/0,1518,418577,00.html
Zugvögel
 
Flug ins Winterquartier führt ins Verderben
Wendehals, Neuntöter, Turteltaube und Co. sind bedroht - und zwar erheblich stärker als ihre gefiederten Kollegen, die den Winter in Europa verbringen. Manche Zugvogel-Art zeigt 80 Prozent weniger Exemplare als 1970. Das ist das Ergebnis der ersten europaweiten Zugvögelzählung. Jahrtausendelang war der rund 1600 Kilometer weite Flug in den Süden für europäische Zugvögel eine zuträgliche Überlebensstrategie. In Afrika überwinterten sie trefflich und kehrten im Frühling wohlgenährt in ihre europäischen Brutgebiete zurück - gut gerüstet für Balz und Fortpflanzung. Doch in den vergangenen Jahrzehnten führte der Weg ins warme Winterdomizil für immer mehr Zugvögel ins Verderben.ZUGVÖGEL: DRAMATISCHER RÜCKGANG
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Seit 1970 macht sich bei mehr als der Hälfte von 121 Zugvogel-Arten eine starke Abnahme bemerkbar. Immer weniger Tiere dieser Spezies zählten Vogelkundler des Programms BirdLife International in Europa. Einige seien nahezu verschwunden, schreiben Ornithologen der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) in einer Online- Vorabveröffentlichung der Fachzeitschrift "Biological Conservation".
In England würden etwa der Wendehals und der Neuntöter nicht mehr brüten. Die Bestände von Fliegenschnäppern und Turteltauben seien um 80 Prozent zurückgegangen. "Irgendwas am Wander-Lebensstil macht diese Vögel verwundbar", sagte Fiona Sanderson, die Leiterin der Forschungsgruppe, dem Online-Magazin "ScienceNow".
Rückgang bei den Fernreisenden deutlich stärker
Dass der Rückgang mit dem Wanderverhalten zusammenhängt, ermittelten die Wissenschaftler, indem sie jeweils eine Zugvogelart mit einer verwandten Vogelspezies verglichen, die im Winter am Standort bleibt oder nur kurze Strecken wandert. In fast allen Fällen schnitten die die Zugvogelbestände schlechter ab. Der Vergleich der Zahlen für die Jahre von 1970 bis 2000 zeigt eine signifikante Abnahme. Auch im kürzeren Zeitraum zwischen 1990 und 2000 stellten die Vogelforscher noch einen negativen Trend fest. Allerdings war dieser nicht mehr statistisch signifikant.
"Diese Vögel sind uns geradezu unter unseren Augen verschwunden, ohne dass wir es in den letzten 30 Jahren bemerkt hätten", sagte Paul Donald von der RSPB der BBC. Die Autoren der Studie konnten demnach auch keine Erklärung für die Abnahme der Zugvogel-Populationen nennen. Sie führen jedoch vier mögliche Gründe an:
* die Folgen des Klimawandels,
* die Zunahme der Landwirtschaft in Afrika,
* Dürre und die davon verursachte Ausdehnung der Sahara,
* vermehrter Einsatz von Pestiziden.
In der Vergangenheit wurde auch schwacher Regen in der Sahelzone, südlich der Sahara, als Belastung für Zugvögel ins Gespräch gebracht. Dass dort die Regenfälle in den letzten Jahre wieder an Stärke zugenommen haben, spiegelt sich nicht in den Zahlen der Vogeluntersuchung wieder.
Um auf Gründe für den Rückgang in der Zugvogelpopulation schließen zu können, sei eine Menge künftiger Forschung vonnöten, sagte Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Vogelkunde in Radolfzell zu "ScienceNow". Allerdings sei auch schon die Studie der britischen Wissenschaftler "hochwillkommen und sehr nützlich".
Die Autoren hatten gefolgert, dass möglicherweise außerhalb Europas mehr Anstrengungen für den Schutz von Zugvögeln unternommen werden müssten, um jene Ziele zu erreichen, denen Europa in der Uno-Konvention für wandernde Tierarten zugestimmt hat.
stx
 
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Zum Thema im Internet:   
Rückgang europäischer Zugvögel:Fachartikel von Sanderson u.a.
http://www.rspb.org.uk/Images/migrantmystery_tcm5- 106408.pdf
Royal Society for the Protection of Birds
http://www.rspb.org.uk/
BirdLife International
http://www.birdlife.org/
Max- Planck- Institut für Ornithologie
http://www.orn.mpg.de/
"Science Now"
http://sciencenow.sciencemag.org/

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12 zu 5 für Handke
Wie kam es zum Votum der Heine-Preis-Jury für den Dichter? Düsseldorfs Stadtrat könnte die Verleihung verhindern
von Florian Stark
Durch die Verdoppelung der Preissumme auf 50 000 Euro hat die Stadt Düsseldorf ihren Heine-Preis in diesem Jahr zu einer der höchstdotierten literarischen Auszeichnungen des Landes gemacht. Sie versprach sich, wie sie auf ihrer Homepage vermerkt, von der Verleihung der Auszeichnung am 13. Dezember "den würdigen Abschluß der Feierlichkeiten anläßlich des 150. Todesjahres von Heinrich Heine". Nachdem die Jury den Preis nun mit einer unüberhörbar politischen Begründung Peter Handke zusprach, scheint es zur Zeit aber unsicher zu sein, ob die Verleihungsfeier tatsächlich stattfindet. Wegen des von bizarren öffentlichen Äußerungen begleiteten Eintretens Handkes für das nationalistische serbische Regime Slobodan Milosevics wird die Preisvergabe scharf kritisiert und dem Rat der Stadt Düsseldorf nahe gelegt, der Jury-Entscheidung die notwendige politische Bestätigung bei seiner entsprechenden Sitzung am 22. Juni zu verweigern.
Allerdings waren Politiker Düsseldorfs an der Entscheidung durchaus beteiligt. Der Jury gehörten nach Angaben der Stadt Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU), Bürgermeister Dirk Elbers (CDU), der Vorsitzende des Kulturausschusses Friedrich Conzen (CDU) und dessen Stellvertreterin Margit von Ahlefeld (Grüne) an. Diese politischen Jury-Mitglieder verfügten allerdings nur über je eine Stimme. Je zwei Stimmen hatten die Fachjuroren: die Literaturkritikerin Sigrid Löffler, die Historiker Julius H. Schoeps und Christoph Stölzl, der Literaturwissenschaftler Jean-Pierre Lefèbvre, die Schriftstellerin Gabriele von Armin (für die Heine-Gesellschaft), der Rektor der Düsseldorfer Universität Alfons Labisch (Historiker und Mediziner) sowie der nordrhein-westfälische Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU), der allerdings bei der Jury-Sitzung fehlte. Wegen dieser "in höchstem Maße unverantwortlichen" Abstinenz, so die Grünen, haben sie eine Befragung Grosse-Brockhoffs im Landtag angekündigt.
Nach Informationen der "Westdeutschen Zeitung" waren vor allem Sigrid Löffler und der Universitäts-Rektor Labisch nachdrückliche Fürsprecher Handkes. Es sollen in der Jury keine lebhaften Debatten ausgetragen worden sein, sondern recht zügig drei geheime Wahlgänge stattgefunden haben, bis ein Ergebnis von 12 zu 5 Stimmen und damit eine Zweidrittel-Mehrheit erreicht war.
Christoph Stölzl hat in der Zwischenzeit öffentlich Distanz zur Preis-Entscheidung erkennen lassen: "Handke war nicht mein Kandidat." Nach Stölzls Angaben habe sich vor allem Sigrid Löffler "leidenschaftlich und wortgewaltig" für Handke eingesetzt und politische Bedenken gegen den Kandidaten zurückgewiesen. Das Jury-Mitglied Julius H. Schoeps sagte der WELT: "Ich bin der einzige, der für Amos Oz gestimmt hat. Aber was wollen Sie machen, wenn Sie in einer Jury sitzen? Da entscheidet die Mehrheit. Ich hätte kein Problem damit, wenn Handke den Preis nicht bekäme." Sigrid Löffler wollte zur Abstimmung der Jury nicht Stellung nehmen. Sie merkt allerdings an, daß sie die Reaktion der Medien an das erinnere, was Elias Canetti die "Konstituierung einer Hetz-Meute" genannt habe.
Die Vorsitzende der FDP-Fraktion im Düsseldorfer Stadtrat Marie-Agnes Strack-Zimmermann schlägt vor, für die entscheidende Abstimmung am 22. Juni den Fraktionszwang aufzuheben. Für sie ist klar: "Wer Mord, Vertreibung, Massenfolter und Vergewaltigung relativiert, ist für die Auszeichnung nicht denkbar." Selbst ihr CDU-Amtskollege Dirk Elbers spricht von Irritationen in seiner Fraktion. Grünen-Fraktionschef Günter Karen-Jung geht davon aus, daß seine Parteifreunde gegen Handke stimmen werden. Auch SPD-Fraktionschef Günter Wurm kritisiert die Entscheidung für Handke: "Ich kann nicht verstehen, daß die Jury sich politisch so unsensibel verhalten hat."
Artikel erschienen am Di, 30. Mai 2006