24.
August 2006, Neue Zürcher Zeitung
Die Dekomposition des Günter Grass
Kleine Zwischenbilanz einer schwer zu beruhigenden Debatte...
Was bleibt von Grass? Das ist die Leitfrage. Mit der Debatte hat eine neuerliche
Sondierung des Grassschen Schaffens angehoben. Sie trägt, so unvollständig
sie sein mag, schon jetzt die Züge einer veritablen Dekomposition. Passagen
in den Büchern des Nobelpreisträgers rücken in eine andere Beleuchtung,
und das SS-Geheimnis des Autors, eine schwärende Wunde, erscheint als
die massgebliche Triebkraft seiner Produktivität. Für Grassens Freunde
ist es schwieriger geworden, seine Verdienste uneingeschränkt zu rühmen,
für seine Gegner noch leichter, sie zu relativieren.
Hat er denn nicht beispielhaft die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen
vorangetrieben, die demokratische Selbstaufklärung der jungen Bundesrepublik
befördert und dabei nicht nur die wieder zu Amt und Würden gekommenen
Altnazis gegeisselt, sondern auch den Fanatikern unter den 68er Revoluzzern
die Warnung vor einem «linken Faschismus» entgegengeschleudert?
Die ungeteilte Würdigung dieser Meriten, die manchem einst durchaus möglich
war, ist einem «Ja, aber» gewichen. Ja, er war ein unbeirrter Mahner
und Warner, der sich die Humanität auf die Fahne geschrieben hatte, aber
er war als moralischer Richter auch ein Günter Gnadenlos, und sein stetes
Wittern eines untergründigen Nazismus hat das historische Verstehen oft
genug blockiert. Jetzt, nach dem Geständnis, steht er als Doppelmoralist
da, dem überdies in der «Welt» (und durch die Blume auch im «Spiegel»)
attestiert wird, die SS sei seiner Biografie nicht einfach als Unfall eingeschrieben.
Vielmehr sei er mit seiner derb-sinnlichen Aversion gegen das Bürgerliche,
das Feine und Wohlerzogene, für Himmlers Truppe wie geschaffen gewesen: «Für
Naturen wie ihn, die von sexueller Frustration, Sozialneid, Ressentiment und
seelischer Unempfänglichkeit geprägt waren, wurde sie erfunden.»....
24.
August 2006
ATOMARE AUFRÜSTUNG
Streit um deutsche U-Bootlieferung nach Israel
Deutschland liefert zwei U-Boote an Israel, die nach Meinung von Fachleuten
mit Atomwaffen nachgerüstet werden können. Die Oppositionsparteien
kritisieren, dass die Bundesregierung die Lieferung genehmigt und auch noch
mit 333 Millionen Euro finanziert.Berlin - Der Verkauf von zwei U-Booten an
Israel ist besiegelt. Bereits am 6. Juli habe Israel mit der Bundesrepublik
einen Vertrag über die Finanzierung geschlossen, teilte das Bundeswirtschaftsministerium
am Donnerstag auf Anfrage mit. Grüne und Linkspartei kritisierten die
Lieferung. "Es war eine falsche Entscheidung der Bundesregierung, die
Lieferung der U-Boote zu genehmigen und auch noch zu finanzieren", sagte
der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Winfried
Nachtwei, der "Tageszeitung".
24.
August 2006
DEUTSCH-POLNISCHE SCHARMÜTZEL
Warschau protestiert gegen Bundesmarineübung
Die polnische Regierung hat wegen eines Zwischenfalls auf der Ostsee offiziell
Protest eingelegt. Deutsche Schiffe seien bei einer Übung in polnisches
Gewässer eingedrungen.
Polen fordert "Gustloff"-Glocke zurück
Um die Berliner Vertriebenen-Ausstellung gibt es neuen Ärger. Die polnische
Küstenwache will aus Protest gegen die umstrittene Dokumentation die Glocke
des 1945 versenkten Flüchtlingsschiffes "Wilhelm Gustloff" zurückziehen.Berlin
- Ein Vertreter der Küstenwache habe den Ausstellungsmachern im Gespräch
mitgeteilt, dass die Glocke zurückgezogen werden müsse, sagte ein
Sprecher des Bundes der Vertriebenen (BdV). Er bestätigte damit einen
Bericht des 3Sat-Magazins "Kulturzeit".
AP
Die Schiffsglocke der Gustloff: Polen fordert sie zurück
Hinter der Ausstellung stehe nur der Bund der Vertriebenen und seine Vorsitzende
Erika Steinbach, begründete der Sprecher der Küstenwache in Gdingen
(Gdynia), Tomasz Sagan, den Rückzug der Schiffsglocke. "Wir fühlen
uns überrascht und getäuscht. In den Vorgesprächen wurde uns
angegeben, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident
Norbert Lammert als Schirmherren fungieren würden", sagte Sagan in
3sat.
Die Glocke solle bis Ende August oder spätestens Anfang September zurückgegeben
werden und danach einem polnischen Museum gestiftet werde, sagte Sagan. Die "Wilhelm
Gustloff" war 1945 mit rund 10.000 deutschen Flüchtlingen an Bord
von einem sowjetischen U-Boot in der Ostsee versenkt worden.