Katastrophenalarm wegen Vogelgrippe auf ganz Vorpommern ausgeweitet
Schwerin - Katastrophenalarm in nahezu ganz Vorpommern: Zu diesem Schritt hat sich die Landesregierung in Schwerin entschlossen. Zudem wurden alle Landkreise und großen Städte an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns zur Überwachungszone erklärt. Die Bundeswehr stockte ihre Kräfte auf Rügen um 250 Mann auf, Ostvorpommern forderte ebenfalls Hilfe der Streitkräfte an. Die mit Schutzanzügen ausgestatteten Soldaten sollen auch heute auf der Ostseeinsel tote Vögel einsammeln. Bisher gibt es 81 Fälle von H5N1 in Deutschland.
Dienstag, 21. Februar 2006, 4:02 © RZ-Online GmbH & dpa-infocom
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20. Februar 2006
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PROZESS
Irving zu drei Jahren Haft verurteilt
Ein österreichisches Gericht hat den rechtsextremen Historiker David Irving wegen Leugnung des Holocausts schuldig gesprochen. Der Hitler-Biograf wurde zu drei Jahren Haft
verurteilt.
WILDSCHWEIN-FLEISCH
Gefährlicher Parasit in Tier auf Usedom gefunden
SPIEGEL ONLINE - 20. Februar 2006, 18:32
URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,402107,00.html
Seuche auf Rügen
 
Tornados suchen verendete Vögel
Die Ausbreitung der Vogelgrippe wird inzwischen mit allen Mitteln bekämpft. Die Bundeswehr setzte gar Tornado-Kampfjets ein, um die Seuche auf Rügen einzudämmen. Der schleppende Beginn der Gegenmaßnahmen löste unterdessen eine neue Debatte über den Föderalismus aus.
Berlin/Brüssel - Mit ABC-Schutzanzügen und -masken ausgestattete Bundeswehrsoldaten haben auf Rügen mit dem Einsammeln toter Vögel begonnen. Tornados der Luftwaffe sind zu Aufklärungsflügen aufgestiegen, um auf der Ferieninsel an der Seuche verendete Tiere aufzuspüren. Die inzwischen für die Einsatzleitung zuständige Regierung von Mecklenburg-Vorpommern will mit Hilfe der Soldaten die Lage auf der Insel in den Griff bekommen, erklärte Landesagrarminister Till Backhaus (SPD).
DPA
Feuerwehrleute am Strand von Prerow im Kreis Nordvorpommern: Desinfektion soll Seuchen-Ausbreitung verhindern
Mittlerweile helfen alleine auf Rügen über 300 Soldaten. 59 ABC-Abwehrspezialisten der Bundeswehr sind an drei Kontrollstellen beim Desinfizieren von Fahrzeugen und Booten im Einsatz. Weitere 250 Soldaten sammeln tote Vögel ein. Die Tornados sollen weitere tote Tiere insbesondere in unwegsamem Gelände ausfindig machen.
Backhaus forderte die zuständigen Behörden auf, die gesamte Küste Mecklenburg-Vorpommerns bis zehn Kilometer tief ins Landesinnere unter Beobachtung zu stellen. Derzeit sei die Lage weiterhin "sehr ernst" und noch nicht im Griff. Mittlerweile gibt es nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums 81 bestätigte Vogelgrippe-Fälle.
Auf Rügen und dem benachbarten Festland hatte sich die Situation zuvor verschärft. Nach dem Landkreis Rügen hatten auch die Landkreise Ostvorpommern und Nordvorpommern Katastrophenalarm ausgelöst, nachdem dort am Sonntag erste H5N1-Infektionen bei Wildvögeln bestätigt worden waren. Durch den Katastrophenalarm können in diesen Regionen Soldaten zur Unterstützung herbeigerufen werden.
Keulung gesunder Vögel angeordnet
Um ein Übertragung der bislang nur unter Wildvögeln verbreiteten Vogelgrippe auf Nutztiere zu verhindern, haben die Behörden in einem großen und vier kleinen Betrieben auf Rügen 2463 Stück gesundes Hausgeflügel töten lassen. In fünf weiteren kleinen Betrieben wurde die Schlachtung angeordnet. Es handelt sich laut Backhaus vor allem um Geflügelhalter, deren Tiere etwa durch die Nähe zu Fundorten kranker Wildvögel einem erhöhten Risiko ausgesetzt waren.DIE VOGELGRIPPE
Das Virus
Die Vogelgrippe, auch als Aviäre Influenza bekannt, ist eine hoch ansteckende Viruskrankheit und befällt vor allem Hühner und Puten, aber auch Wildvögel, Fasane und Perlhühner. Für 80 bis 100 Prozent der erkrankten Tiere führt die Krankheit innerhalb weniger Tage zum Tod. In seltenen Fällen können sich auch Menschen anstecken. In Asien wurden bisher 117 solche Fälle angegeben, 60 Menschen starben. Die meisten hatten beruflich mit Geflügel zu tun.
Ü bertragung
Ü bertragen wird die Seuche von Tier zu Tier durch direkte Berührung, über Kot, Speichel und Tränenflüssigkeit oder über Kontakt mit infiziertem Material wie Transportkisten oder Eierkartons. Bei starker Staubentwicklung ist auch eine indirekte Ansteckung über die Luft möglich.
Symptome
Die Zeit von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit beträgt meist 3 bis 14 Tage. Oft treten hohes Fieber, Atemwegsprobleme, Schwarzfärbung von Kamm und Kehllappen, Mattigkeit, Fressunlust, verminderte Legeleistung und Durchfall auf. Die Tiere können aber auch plötzlich tot umfallen oder ersticken.
Gefahr für Menschen
Forscher sind besorgt, dass H5N1 mutieren könnte, bis es von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Neuere Forschungsergebnisse bestätigen diese Befürchtung: Der Subtyp H1N1, der von 1918 bis 1920 als Spanische Grippe grassierte und bis zu 50 Millionen Tote forderte, war ein reines Vogelvirus, das sich an den Menschen angepasst hat. Denkbar ist auch eine Doppelinfektion eines Menschen oder eines Schweins mit menschlichen und tierischen Erregern. Dabei könnte sich eine Virus-Variante bilden, die eine verheerende weltweite Seuche - eine sogenannte Pandemie - auslösen könnte. Insgesamt gibt es nach Angaben des Schweriner Landwirtschaftsministeriums 400.000 Stück Hausgeflügel auf Rügen. Im Januar waren allein im Nordosten der Insel 69.000 Wildvögel gezählt worden, darunter viele Schwäne, aber auch Möwen, Gänse, Kormorane, Enten und Bussarde.
Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer verteidigte das vorsorgliche Keulen von Geflügel. Dies sei beispielsweise zu empfehlen, wenn wie auf Rügen Geflügel in den vergangenen Wochen Kontakt zu Schwänen gehabt haben könnte. Es müsse "besonnen, aber konsequent" gegen die Tierseuche vorgegangen werden, sagte Seehofer.
Eine vorsorgliche Impfung von Nutzgeflügel lehnte Seehofer dagegen ab. Derartige Maßnahmen könnten dazu führen, dass sich das Virus verdeckt weiterverbreite. Geimpfte Tiere könnten den tödlichen Erreger H5N1 übertragen, ohne dass die Krankheit bei ihnen ausbreche. Außerdem sei es mit den gegenwärtig verfügbaren Impfstoffen schwierig, geimpfte Tiere von infizierten Tieren zu unterscheiden. Auch sei ungeklärt, ob geimpfte Tiere aus dem Handel genommen werden sollten oder nicht.
Vogelgrippe befeuert Föderalismus-Debatte
Die Kritik an der Reaktion der Behörden auf Rügen hat unterdessen eine Debatte über die Kompetenzen von Bund und Ländern beim Katastrophenschutz ausgelöst. "Der Fall zeigt, dass der Föderalismus bei der Krisenbekämpfung überfordert ist", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Ernährung und Verbraucherschutz, Manfred Zöllmer, dem Berliner "Tagesspiegel".VOGELGRIPPE
Infografik:
Die Ausbreitung der Vogelgrippe
Es sei notwendig, in vergleichbaren Fällen mehr Kompetenzen auf den Bund zu verlagern, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die geplante Föderalismus-Reform. Auch der Mikrobiologe Alexander Kekulé forderte, die föderalen Strukturen zu überdenken. "Wir brauchen dringend eine Bundeszuständigkeit für biologische Gefahren", sagte der Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle-Wittenberg der Zeitung.
Seuche kommt in Nigerias Hauptstadt an
In anderen Teilen der Welt breitet sich die Vogelgrippe derweil ungebremst aus. In Nigeria wurden am heutigen Montag Vogelgrippe-Herde in drei weiteren Bundesstaaten sowie in der Hauptstadt Abuja gemeldet. Damit sind insgesamt bereits sieben Regionen des westafrikanischen Landes von der Epidemie betroffen.
In Malaysia ist zum ersten Mal seit gut einem Jahr wieder das Virus H5N1 aufgetreten. Im Zentrum des asiatischen Landes sei der auch für Menschen gefährliche Erreger bei mehreren toten Hühnern festgestellt worden, teilte das Landwirtschaftsministerium in Kuala Lumpur mit. Es handele sich um einen Einzelfall. Menschen seien nicht betroffen.
mbe/AFP/AP/dpa/rtr
 
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Zum Thema in SPIEGEL ONLINE:
  
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Vogelgrippe-Abwehr: Katastrophenalarm in weiteren Landkreisen (20.02.2006)
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Vogelgrippe auf Rügen: Erste Touristen stornieren Sommerurlaub (20.02.2006)
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Vogelgrippe: Virus erreicht das Festland (19.02.2006)
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Vogelgrippe: Hunderte Vögel verendet, Bundeswehr schickt Experten (18.02.2006)
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Vogelgrippe: Notschlachtung von Enten und Hühnern (manager-magazin.de)
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Verwirrung über angebliche Peymann-Kündigung in Berlin
Ü bersicht

Der Dramatiker Rolf Hochhuth ("Der Stellvertreter") hat Claus Peymann als Hausherr am Berliner Ensemble "gekündigt". Das teilte Hochhuth, der die Rechte der Ilse-Holzapfel-Stiftung an der Immobilie vertritt, gestern mit.
Unklar ist aber, ob Hochhuth dazu überhaupt rechtlich fähig ist, da Peymann nicht sein Vertragspartner ist. Dementsprechend hieß es auch von Seiten des Geschäftsführers des Berliner Ensembles, Oliver Beckmann, Hochhuts Erklärung sei "absolut unverständlich" und weder Peymann noch er wären davon in Kenntnis gesetzt worden.
" Vertragswidrige Vermietung"
Als Grund nannte der Dramatiker, dass Peymann das Theater am Schiffbauerdamm und das von Bertolt Brecht gegründete Berliner Ensemble "unzählige Male vertragswidrig" zu Zwecken vermietet habe, "die weder mit Kunst noch mit Schauspiel das Geringste zu tun haben", wie zum Beispiel zuletzt für eine CDU-Jubiläumsveranstaltung mit Angela Merkel.
Kultursenator weiß von nichts
Hochhuth will die Enkeltochter Brechts, Johanna Schall, bitten, als Schauspieldirektorin gemeinsam mit einem ihrer Regiekollegen an das BE zu kommen. Dazu sagte Schall, die noch bis 2007 Schauspieldirektorin am Volkstheater Rostock ist, sie wisse davon nichts und wolle damit auch nichts zu tun haben
Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) sollte laut Hochhut Peymann "ans Schillertheater versetzen". Auch ein Sprecher Flierls zeigte sich "überrascht" von der angeblichen Kündigung. "Weder bei uns noch bei Herrn Peymann ist bisher eine Kündigung eingegangen." Aber man sei selbstverständlich zu Gesprächen über die Beschwerden des Dramatikers bereit. "Uns liegt das Wohl des Berliner Ensembles und auch des Dramatikers am Herzen."
Ü bersicht
Schlingensief: «Stadelmaiers Zeiten sind vorbei»
20. Feb 14:41
Regisseur Schlingensief
Foto: dpa
Nach Ansicht des Berliner Regisseurs Schlingensief beschädigt sich «FAZ»-Kritiker Stadelmaier im Theater-Eklat an der Städtischen Bühne Frankfurt selbst. Im Theater sieht Schlingensief die Steinzeit anbrechen.
Von Tilman Steffen
Der Regisseur Christoph Schlingensief geht mit scharfen Worten gegen einen Theaterkritiker der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ), Gerhard Stadelmaier, vor. Mit der Intervention der Zeitung wegen eines angeblichen Angriffs auf ihren Kritiker und die Pressefreiheit «hat sich Stadelmaier selbst entzaubert», sagte Schlingensief der Netzeitung. «Seine Zeiten als Starkritiker sind vorbei.»

Bühnenverein verteidigt «FAZ»-Kritiker
20. Feb 15:24
Stölzl nach Bühnen-Eklat für Theater-Debatte
20. Feb 14:20
Peymann bietet Lawinky «Asyl» an
20. Feb 14:09
CDU-Expertin verteidigt pöbelnden Schauspieler
20. Feb 12:11
Regisseur bedauert Theater-Eklat in Frankfurt
20. Feb 09:54
« FAZ»-Kritiker schlägt gegen Schauspiel zurück
18. Feb 15:06
Gefeuert: Schauspieler griff «FAZ»-Kritiker an
17. Feb 15:25, ergänzt 17:27
In der Inszenierung «Das große Massakerspiel oder Triumph des Todes» von Eugène Ionesco, die stark auf die Interaktion mit dem Publikum setzt, hatte der Schauspieler Thomas Lawinky in der Premiere am Donnerstagabend den Kritiker Stadelmaier beschimpft und ihm seinen Notizblock entrissen. Daraufhin intervenierte die «FAZ» bei der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU), die dem Aufsichtsrat der Theater-GmbH vorsitzt. Roth soll dann bei Intendantin Elisabeth Schweeger die Trennung von dem Schauspieler durchgesetzt haben. Regisseur Sebastian Hartmann schilderte, Stadelmaier habe zuvor durch Gesten zum Ausdruck gebracht, dass er das Stück in seiner Kritik verreißen werde.
Wissen, worauf man sich einlässt
Schlingensief beklagte, dass «die Strippen hinten rum gezogen werden» und Lawinky ausschied, ohne dass sich Intendantin Schweeger den Vorgang selbst angesehen habe. «Das ist total falsch.» Er sei nach dem Vorgehen der Zeitung und der Stadtverwaltung jedoch «superoptimistisch gestimmt, dass nun die Dunkelzone erleuchtet wird und sich Stadelmaier endgültig in den Club der Peinlichen begibt». Für Schlingensief hat der Eklat auch einen finanziellen Hintergrund: «Wenn man die Bankentürme ständig vor Augen hat und weiß, wie Theater-Förderkreise funktionieren, dann trifft man solche Entscheidungen.»
Der Regisseur setzt auch auf die Verantwortung des Zuschauers: «Wer in eine Inszenierung von Hartmann geht, der müsste wissen, worauf er sich einlässt.» Zudem sieht er das Theater im Vergleich zu anderen Kunstformen im Rückstand: «Wir feiern im Film die Rückkehr des Obsessiven, im Theater scheint gerade die Steinzeit wieder aufzuleben.» Wenn Stadelmaier, wie am Montag in der «Süddeutschen Zeitung», darauf verweise, dass Theater Regeln folgen müsse, «dann hat er noch nie etwas von Brecht gehört, von Piscator oder sogar von Peter Zadek», so Schlingensief.
Theatersprecherin Leonore Leonardy sagte der Netzeitung, der Gast-Schauspieler Lawinky sei nicht gekündigt worden. «Er hat die Verantwortung auf sich genommen und seinen Vertrag aufgelöst.» Das Stück stand am Montag für Donnerstag und Samstag wieder auf dem Spielplan der Frankfurter Bühne. Zur Frage, ob es weiter aufgeführt wird, wolle sich das Theater noch äußern, sagte dessen Sprecherin. Bei der Vier-Personen-Besetzung werde es «natürlich Veränderungen geben».
NEWS IM WEB 
ANDERE ONLINE-MEDIEN ZUM THEMA:
Frankfurter Theater-Eklat löst bundesweit ...
Frankfurter Rundschau - 20.02.06 17:34 Uhr
Frankfurter Theater-Eklat löst bundesweit ...
Wendlinger Zeitung - 20.02.06 17:20 Uhr
Frankfurter Theater-Eklat löst bundesweit ...
Westdeutsche Allgemeine - 20.02.06 17:17 Uhr
Frankfurter TheaterEklat löst bundesweit ...
Rhein-Zeitung - 20.02.06 16:31 Uhr
Frankfurter Theater-Eklat löst bundesweit ...
mainecho - 20.02.06 16:16 Uhr
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SPIEGEL ONLINE - 20. Februar 2006, 17:17
URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,402100,00.html
Stadelmaier-Eklat
 
Peymann hofiert Kritiker-Pöbler
Dass beim Block der Spaß aufhört, weiß jeder Rapper. Thomas Lawinky wusste es nicht. Jetzt ist er arbeitslos. Wie gut dass BE-Intendant Claus Peymann einen Job im Angebot hat.
Berlin - Hätte Thomas Lawinky nur mal bei Sido reingehört: In seinem Song "Mein Block" macht der Hauptstadtreimer klar, wem und was unbedingt Respekt zu zollen ist: "Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend, meine Straße, mein Zuhause, mein Block."
Die Sache mit dem Block ist ziemlich schief gelaufen: Lawinky, Schauspieler an der Frankfurter Werkraumbühne, bezog bei der Premiere des Ionesco-Stücks "Das große Massakerspiel" den Star-Kritiker Gerhard Stadelmaier derart aggressiv mit in seine Darstellung ein, dass der Journalist die Konsequenzen zog. Beschimpft und um den Block, eines der grundlegenden Utensilien kulturdiagnostischer Tätigkeit, gebracht, schlug Stadelmeier zurück, natürlich nur metaphorisch. Lawinky verlor den Job.
BE-Intendant Claus Peymann nutzte heute die Chance, dem ausgemusterten Artisten ein Engagement anzubieten. Was Lawinky laut Stadelmeier und Elisabeth Schweger, der Frankfurter Intendantin, für den Beruf des Schauspielers disqualifiziert - er habe "außerhalb des künstlerischen Konzepts und der Festlegung der Inzenierung" überreagiert -, das macht ihn für Peymann gerade zum Idealkandidaten. Denn in Berlin seien die "Haupttugenden des Theaters" ausdrücklich erwünscht, so Peymann zur Nachrichtenagentur dpa.
Dazu gehörten "Phantasie und Improvisation", "Irrsinn und Gelächter", "Ironie, Publikums-, Kritiker- und Selbstbeschimpfung und so weiter und so fort bis ans Tor der Hölle".
dan/dpa
 
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Theater-Eklat: Schauspieler greift "FAZ"-Kritiker an - gefeuert (17.02.2006)
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,401541,00.html


Der FAZ-Theaterkritiker: „Noch nie so beleidigt und beschmutzt gefühlt“ Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier (55) beschreibt den Theaterabend:
„ Es handelt sich um einen offenen Spielraum, die Schauspieler agieren auch inmitten der Zuschauer. Ich saß also da, als neben mir eine hochschwangere Frau einen toten Schwan gebar, nachdem man ihr das Fruchtwasser abgezapft und getrunken hatte. Eine andere Schauspielerin masturbierte beidhändig zwei Männer, nachdem diese ein Bier verlangt hatten. Als ich für diese Szene nur ein müdes Lächeln übrig hatte, sagte der Schauspieler Thomas Lawinky seiner Kollegin: ,Zeig DEM doch mal das Kind‘, woraufhin sie mir den Plastikschwan auf den Schoß legte.
Dann sagte Lawinky zu mir: ,Schreiben Sie bitte, daß das ein schönes Kind ist. Sie sehen doch so klug aus.‘ Ich murmelte zurück: ,Sie leider nicht‘. Da riß mir Lawinky meinen Kritikerblock aus der Hand, die Spirale ratschte über meine Hand – es tat weh. Lawinky sprang auf die Bühne, hielt meinen Block in die Höhe, rief: ,Mal sehen, was der da geschrieben hat!‘ Skandalös! Als er meine Schrift nicht entziffern konnte, gab er mir den Block zurück mit den Worten: ,Schreib weiter, Junge, der Abend wird noch furchtbar.“
Ich sagte zu meinem Nebenmann, dem Kritiker des „Mannheimer Morgen“, daß ich nun schlecht hierbleiben könne und nun gehen werde. Er nickte: ,Natürlich, unmöglich, was hier passiert.‘ Beim Rausgehen schrie mir Lawinky hinterher: „Jetzt geht er! Hau ab, du Arsch, verpiß dich! Beifall für den Kritiker!‘
Ich habe mich noch nie in meinem Kritikerleben so beschmutzt und beleidigt gefühlt. So etwas hat es noch in keinem Theater der Welt gegeben!
Ich war total fassungslos und bin es heute noch. Ich bin erst weit nach Mitternacht zum Einschlafen gekommen.
Elisabeth Schweeger, die Intendantin des Schauspiels, rief mich heute morgen an. Entschuldigte sich, sagte, daß sie das nicht gut heiße. Und daß sie dafür sorgen wolle, daß das nicht mehr vorkomme. Ja, glaubt die denn, ich setze noch mal einen Fuß in dieses Stück?
Mit Thomas Lawinky habe ich vorher noch nie etwas zu tun gehabt. Ein ,Racheakt‘ kann es also nicht gewesen sein. 
Deutschlands größter Kritiker aus Theater rausgeschmissen
„ Hau ab, du Arsch, verpiß dich!“
Von J. SCHAEFERS
Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier (55): „Ich bin erst weit nach Mitternacht zum Einschlafen gekommen“
Frankfurt – Welch ein Skandal! Deutschlands bester Theaterkritiker, Gerhard Stadelmaier von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) ist von einem Schauspieler aus dem Theater gejagt worden.
Tatort: das „Frankfurter Schauspiel“ während der Premiere von „Das Massakerspiel oder der Triumph des Todes“ von Eugène Ionesco, ein Klassiker des absurden Theaters.
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  Der Theaterkritiker: „Noch nie so beleidigt und beschmutzt gefühlt“

Das Schauspiel soll zeigen, wie egoistisch Menschen bei einer Seuche reagieren.
Einer der 119 Zuschauer: „Vier Schauspieler bespritzen sich mit Schoko-Kot, eine Frau befriedigt zwei Männer mit der Hand, eine andere gebärt einen toten Schwan auf der Bühne – widerlich!“
Schauspieler Thomas Lawinky (Jahrgang 1964), der auch oft im Fernsehen („Der Alte“) und Kino („Der Pianist“) spielt, beschimpft plötzlich den Kritiker Stadelmaier, reißt ihm brutal den Block aus der Hand, schreit: „Hau ab, du Arsch – verpiß dich!“

Schauspieler Thomas Lawinky bei der Skandal-Premiere. Er warf den Kritiker aus dem TheaterFrankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth sprach von einem „unentschuldbaren Zwischenfall“, Stadelmaier von einem „unverzeihlichen Angriff auf die Pressefreiheit“, er werde den Schauspieler anzeigen. Theater-Chefin Elisabeth Schweeger erklärte: „So etwas darf bei uns nie wieder vorkommen.“
Sie feuerte den Bühnen-Rowdy Lawinky sofort. Er will sich bei Kritiker Stadelmaier entschuldigen.  
NAHOST
Israel friert Hilfe für Palästinenser ein
Mit Ismail Hanija soll einer der moderaten Kräfte innerhalb der radikalen Hamas neuer palästinensischer Regierungschef werden. Doch bis auf weiteres will Israel keine Gelder mehr an Autonomiebehörde überweisen.