Jobst-Ulrich Brand
Grass-Interview
Kuscheliges Familientreffen
Ulrich Wickert im Gespräch mit Günter Grass
| 18.08.06, 02:00 |
Ulrich Wickert interviewt Günter Grass zu seiner braunen Vergangenheit – traut
sich aber nicht, das Dichter-Denkmal ernstlich anzukratzen.
Es ging gemütlich zu in einem dänischen Hotel, als Ulrich Wickert den
einstigen Waffen-SS-Burschen Günter Grass zu seiner Vergangenheit befragte:
Nein, wehtun wollte der gutmütige Nachrichtenonkel dem Großvater der
deutschen Literatur keinesfalls. Aggressiv war nur eine Wespe, die die beiden
Brüder im Geiste hartnäckig plagte. Wickert spülte seine Fragen
kuschelweich, und wer gestern Abend lange aufblieb, weil er sich ein bisschen
Aufklärung in eigener Sache vom Aufklärer der Nation erwartete, der
musste sich die Augen reiben – vor Langeweile.
Wie schon beim FAZ-Interview vom vergangenen Samstag, war das Bemühen, das
Dichter-Denkmal nicht anzukratzen, deutlich zu spüren. FAZ-Herausgeber Frank
Schirrmacher hatte seine verschmuste Haltung damit gerechtfertigt, das Gespräch,
das gedruckt immerhin zwei Zeitungsseiten einnahm, sei nicht die richtige Gelegenheit
gewesen, um ins Detail zu gehen. Von der Freundlichkeit des sympathischen Märchenopas
gefangen schien auch Ulrich Wickert. Ein Verhör war das jedenfalls gestern
nicht, eher gab Wickert dem Gescholtenen verständnisvoll die Gelegenheit
zum Plädoyer. Der Journalist als Verteidiger des Befragten, nicht als Anwalt
seiner Zuschauer.
Vernebelt wie von Pfeifenrauch
Die Frage, warum der Großdichter 60 Jahre lang nichts erzählt hat
von seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS, warum er so eisern schwieg und alle
guten Gelegenheiten zum Bekenntnis verstreichen ließ, sie blieb dann auch
in diesem Interview ungeklärt. Wickert hat sie zwar gestellt, auch nachgehakt,
Grass aber konnte oder wollte ihm eine befriedigende Antwort nicht geben. Stattdessen
mäanderte er drauflos, wie schon in seinem Buch, wie auch im Interview mit
der FAZ. Seltsam unscharf blieben seine Erklärungen, vernebelt wie von Pfeifenrauch: „Das
lag bei mir begraben. Ich kann die Gründe nicht genau nennen. Es hat mich
immer beschäftigt, es war mir immer präsent und ich war der Meinung,
dass das, was ich tat, als Schriftsteller, als Bürger dieses Landes, was
all das Gegenteil dessen bedeutete, was mich in meinen jungen Jahren während
der Nazi-Zeit geprägt hat, dass das ausreicht.“
Begraben war es also, aber gleichzeitig immer präsent. Warum er geschwiegen
hat, das kann er auch nicht so genau sagen – und irgendwie hat der alte
Grass das Gefühl, die Schuld des jungen langsam abgetragen zu haben. Es
klingt nach der Forderung, doch endlich den berühmten Schlussstrich zu ziehen
unter die Diskussionen um die braune Vergangenheit. Eine Forderung, die Grass
stets verdammt hat.
Immer an den „Endsieg“ geglaubt
Keine Frage auch nach der Glaubwürdigkeit des Erinnerungsbuches, in dem
Grass immer wieder Zweifel am eigenen Gedächtnis äußert. Eigentümlich
distanziert spricht er davon, wie er zur Waffen-SS kam. Bis zum Schluss habe
er an den „Endsieg“ geglaubt. Von den Verbrechen des NS-Regimes will
er erst spät, während der Nürnberger Prozesse erfahren haben.
Ist so viel Naivität möglich? Grass war 17, als er zur Waffen-SS kam,
nicht sieben. Hat er nicht zugehört, als die Kameraden von Fronterlebnissen
erzählten? Ist ihm nichts aufgefallen auf den Zugfahrten durch das zerbombte
Deutschland? Hat er wirklich nie nachgefragt, wenn Verwandte oder Lehrer verschwanden.
Vieles will ihm inzwischen entfallen sein, wie er aber mal in den Kaffee-Pott
pisste, um sich bei seinen Vorgesetzten für Schindereien zu rächen,
daran erinnert er sich bis ins Detail. Und immer wieder darf er sagen, dass alles,
was er zu diesem Thema von sich zu geben hat, in seinem Buch steht. So deutlich
hätte er gestern gar nicht mehr zu werden brauchen – „Beim Häuten
der Zwiebel“ verkauft sich ohnehin schon wie Bolle.
Sorge um die Karriere
Welche Rolle, wie bei anderen Altnazis auch, die Sorge um die eigene Nachkriegskarriere
gespielt haben mag – die Frage stellte Wickert vorsichtshalber nicht. Wäre
Grass als ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS zu den Treffen der Literatenvereinigung
Gruppe 47 eingeladen worden, die seinen Aufstieg so beförderten? Wohl kaum.
Hätte er je den Nobelpreis bekommen, an dem ihm so viel lag? Wahrscheinlich
auch nicht. Erst nachdem er sich dazu entschlossen habe, autobiografisch zu schreiben,
sei ihm dieses Bekenntnis möglich gewesen, sagte Grass. Vielleicht auch
erst, nachdem er die große Stockholmer Ehrung endlich eingeheimst hatte.
Nein, das alles wollte Wickert nicht wissen, sein Publikum allerdings hätte
es interessiert. Viel war von Schuld und Scham die Rede im gestrigen Fernseh-Gespräch,
eigentümlich schamhaft war auch der Interviewer.
Sie
wollen ihn so. Und man muss immer fragen bei jedem warum wohl.
Ivan Nagel, der sonst unbarmherzige, wenn es um das Schicksal seiner familien
und die Tätetrgruppen geht
Salman Rushdi,John Irving,(ein Held),Martin Walser(Selbstunthüllung in unserem
Medientreiben? dem Freunde in der Not) Schindler(schon immer gewusst, und
sgate nix, ausgerechnet der Vielredner von beruf)
Warum
braucht Deutschland einen Grass und die anderen ihn so? keine schöne
Rolle.Wer die spielt.
Schon wieder unter den Panzern, Hosen voll, mit allerlei Spässen, wie man
hört, Bilder, die verschleiern, Nachkriegs-Poetik, statt Wahrheit der Kunst,
direkt auf den Tisch, und um Entschuldigung bittend für die Täuschungen
und
die Anklagen seines Lebens an die anderen. Wer das nicht versteht, will keine
Dichtung, sondern Schmuss. Der SS-Mann Grass ist die schönste Pointe seiner
Erscheinung, als Zwerg und als Vater, der sich am Parteiabzeichen zu Tode
verschluckt und als ein Nobelpreisträger aus DL.