SPIEGEL ONLINE - 13. Dezember 2006, 18:55
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MÄNGEL IM RECHTSSYSTEM

US-Gerichte benachteiligen ausländische Firmen

Vor dem Gesetz sind alle gleich, sagt die Theorie - die Praxis vor US-Gerichten sieht einer Studie zufolge ganz anders aus. Ausländische Unternehmen haben dort demnach viel schlechtere Karten als ihre heimischen Konkurrenten.
Hamburg - "Ausländische Firmen glauben nicht, dass sie vor US-Gerichten fair behandelt werden", sagt Utpal Bhattacharya, Professor an der Universität Indiana - und sie haben recht. Der Professor ist Hauptautor einer Studie, die 3000 Verfahren untersucht hat, in denen seit 1995 nicht-amerikanische Unternehmen vor US-Gerichten als Beklagter auftraten.
Sein Ergebnis: Ausländische Firmen verlieren vor US-Gerichten viel häufiger als inländische Unternehmen - und sie werden obendrein zu höheren Geldstrafen verurteilt. Die Studie, über die die "Financial Times" heute berichtet, soll im kommenden Jahr veröffentlicht werden.
Hinzu kommt: Ausländische Firmen landen in den USA überproportional häufig vor Gericht. Noch im Jahr 1995 seien bei 20 Prozent aller Verfahren gegen börsennotierte Unternehmen ausländische Unternehmen die Beklagten gewesen, so die Studie. Inzwischen sei dieser Anteil sogar auf 29 Prozent gestiegen.
Unbekannte Hintertürchen
Teilweise sei das durch Diskriminierung und Mängel des US-Rechtssystems zu erklären, heißt es in dem Bericht. Die Studie stütze die These, "dass das amerikanische Rechtssystem kaputt" ist, sagte Linda Kelly vom Institut für Rechtsreform.
Zum andern Teil sind die Ergebnisse aber vermutlich auch dadurch bedingt, dass ausländische Unternehmen die Möglichkeiten und Hintertürchen des US-Rechts nicht so souverän ausnutzen wie einheimische Konkurrenten. So machen US-Konzerne viel häufiger als Tochterunternehmen ausländischer Firmen von der Möglichkeit Gebrauch, Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße einzustellen.
Die Ungleichbehandlung gehe aber noch weiter, so Bhattacharya: Nichtamerikanische börsennotierte Unternehmen, die verklagt würden, büßten seiner Studie zufolge am Tag der Klage im Schnitt 930.000 Dollar an Börsenwert ein. US-Konkurrenten kämen glimpflicher davon: Ihre Marktkapitalisierung falle im Schnitt nur um 366.000 Dollar.
itz

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