SPIEGEL ONLINE - 12. Oktober 2006, 16:01
URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,442246,00.html
Anna Politkowskaja
" Wir ernennen dich zum Terroristen"
Tschetschenien war Anna Politkowskajas Thema: Sie recherchierte zu Folter, Mord und "Verschwindenlassen" von Menschen in der russischen Kaukasusteilrepublik. SPIEGEL ONLINE dokumentiert Fragmente ihres letzten Textes, den Anna Politkowskaja für die Moskauer Zeitung "Nowaja Gaseta" schrieb.
Für viele Tschetschenen, die Opfer von Gewalt durch staatliche Strukturen wurden, war Politkowskaja eine Institution. Der Weg in die Öffentlichkeit - für die Informanten nicht weniger gefährlich als für die Journalistin - war oft die letzte Hoffnung. Was Anna Politkowskaja in ihrem letzten, unvollendet gebliebenen Text schildert, den die "Nowaja Gaseta" in Moskau jetzt veröffentlicht, weckt Déjà-vu-Erlebnisse. Ähnliches vernahm die Weltöffentlichkeit in den siebziger Jahren aus lateinamerikanischen Diktaturen wie Chile und Argentinien, in den achtziger Jahren aus der Türkei, vor allem aus Türkisch-Kurdistan und erst kürzlich aus dem von USA-Truppen besetzten Irak, aus Gegenden, in denen uniformierte Sadisten sich vor Strafe sicher fühlen.
DPA
Die ermordete Journalistin Politkowskaja: "Die überwältigende Mehrheit dieser Leute sind ernannte Terroristen"
Im Folgenden dokumentieren wir Anna Politkowskajas letzten Text:
" Vor mir liegen jeden Tag Dutzende von Mappen. Das sind Kopien von Strafverfahren gegen Leute, die bei uns wegen "Terrorismus" einsitzen oder sich noch in Untersuchungshaft befinden. Warum steht das Wort "Terrorismus" hier in Anführungszeichen? Deshalb, weil die überwältigende Mehrheit dieser Leute ernannte Terroristen sind. Und diese Praxis der "Ernennung zu Terroristen" hat zum Jahr 2006 nicht nur jeden echten antiterroristischen Kampf verdrängt, sie selbst produziert Leute, die sich rächen wollen - potenzielle Terroristen. Wenn die Staatsanwaltschaft und die Gerichte nicht um des Gesetzes Willen arbeiten und um Schuldige zu bestrafen, sondern auf politische Bestellung und auf der Jagd nach antiterroristischen Rechenschaftsberichten, die dem Kreml genehm sind, dann werden Strafverfahren gebacken wie Pfannkuchen.
Das Fließband zur "Organisation umfassender Geständnisse" sorgt für ausgezeichnete Bilanzen beim "Kampf gegen den Terrorismus" im Nordkaukasus. Das haben mir Mütter einer Gruppe verurteilter junger Tschetschenen geschrieben:"...Dem Wesen nach haben sich diese Besserungslager in Konzentrationslager für verurteilte Tschetschenen verwandelt. Sie werden wegen ihrer Nationalität diskriminiert. Aus Einzelzellen und Isolationshaft lässt man sie nicht heraus. Die Mehrheit, oder fast alle, wurden verurteilt wegen fabrizierter 'Strafsachen' ohne grundlegende Beweise. Während sie harten Bedingungen ausgesetzt sind und sie in ihrer menschlichen Würde erniedrigt werden, entwickeln sie einen Hass gegen alles. Denn es ist eine ganze Armee, die zu uns mit gebrochenen Schicksalen und deformierten Lebensvorstellungen zurück kommt..."
Stromschläge und Gummiknüppel
Ehrlich: Ich fürchte ihren Hass. Ich fürchte ihn, weil er ausufert. Früher oder später. Und extrem werden alle, nicht nur die Ermittler, die sie gefoltert haben. Die Strafsachen "Ernannter Terroristen", das ist das Feld, auf dem zwei ideologische Herangehensweisen darüber mit den Köpfen zusammenstoßen, was in der "Zone der antiterroristischen Operation im Nordkaukasus" geschieht : Kämpfen wir auf der Basis des Gesetzes oder gesetzlos? Oder dreschen wir mit "unserer" Gesetzlosigkeit auf "ihre" ein ? Sie stoßen zusammen, dass die Funken sprühen, jetzt und in der Zukunft. Das Ergebnis einer solchen "Ernennung zu Terroristen" besteht darin, dass es immer mehr werden, die sich damit nicht abfinden wollen.
Kürzlich hat die Ukraine auf russisches Begehren einen gewissen Beslan Gadajew ausgeliefert, einen Tschetschenen, der Anfang August bei einer Passkontrolle auf der Krim festgenommen wurde, wo er als Flüchtling lebte. Das sind Zeilen aus seinem Brief vom 29. August: "...Nachdem man mich aus der Ukraine nach Grosny ausgeliefert hat, hat man mich in ein Büro gebracht und sofort gefragt, ob ich Leute aus der Familie Salichowich umgebracht hätte, Ansor und seinen Freund, den russischen "Lastwagenfahrer". Ich habe geschworen, dass ich niemanden umgebracht habe und niemandes Blut vergossen habe, weder eines Russen, noch eines Tschetschenen. Sie sagten sehr entschieden: "Nein, Du hast getötet". Ich habe es erneut bestritten. Nachdem ich ihnen zum zweiten Mal geantwortet hatte, dass ich niemanden umgebracht habe, fingen sie sofort an, mich zu schlagen. Am Anfang haben sie mich mit Fäusten zweimal in die Gegend des rechten Auges geschlagen. Bis ich nach diesen Schlägen wieder zu mir gekommen war, beugten sie mich und legten mir vorne Handschellen an und von der Seite zwischen die Beine steckten sie ein Rohr, damit ich die Arme nicht mehr bewegen konnte, obwohl ich schon in Handschellen war. Dann hängten sie das Rohr mit mir zwischen zwei nahe stehende ein Meter hohe Schränke.
Sofort nachdem sie mich hingehängt haben, befestigten sie an den Handgelenken Draht. Einige Sekunden später fingen sie an, mir Stromschläge zu geben und mich gleichzeitig so heftig sie konnten mit Gummiknüppeln zu schlagen. Ich hielt den Schmerz nicht aus, ich fing an, zu schreien, rief den Namen des Allmächtigen und flehte sie an, damit aufzuhören. Als Antwort darauf, um nicht zuzuhören und nicht zu hören, wie ich schreie, zogen sie mir eine schwarze Tüte über den Kopf. Ich erinnere mich nicht genau, wie lange das anhielt, aber ich fing vor Schmerz an, das Bewusstsein zu verlieren. Verwundert darüber, dass ich das Bewusstsein verliere, nahmen sie mir die Tüte ab und fragten, ob ich reden werde. Ich sagte, dass ich das tun werde, obwohl ich nicht wusste, worüber ich ihnen etwas sagen sollte. Ich habe so geantwortet, dass ich wenigstens zeitweise von der Folter verschont blieb.
Sie drohten mit Schlägen und sexueller Erniedrigung
Danach nahmen sie mich aus dieser Aufhängung, entfernten das Rohr und warfen mich auf den Boden. Sie sagten : "Rede". Darauf entgegnete ich, dass ich ihnen nichts zu sagen hätte. Darauf antworteten sie mir, indem sie mich mit dem Rohr schlugen, an das sie mich gehängt hatten, wieder in die Gegend des rechten Auges. Von ihren Schlägen fiel ich auf die Seite und fühlte schon halb ohnmächtig, dass sie mich überall hin schlugen.... Sie hängten mich wieder auf und wiederholten das Ganze. Wie lange das dauerte, erinnere ich nicht, ich wurde immer wieder mit Wasser übergossen.
Am nächsten Tag haben sie mich gebadet und mir das Gesicht und den Körper mit irgend etwas eingerieben. Ungefähr zur Mittagszeit kam zu mir ein operativer Mitarbeiter in Zivil und sagte, dass Journalisten gekommen seien und dass ich mich zu drei Morden und einem Raub bekennen sollte. Sie drohten damit, dass sie, wenn ich nicht einwillige, alles wiederholen und mich sogar sexuell erniedrigen würden. Ich stimmte zu. Nachdem ich den Journalisten das Interview gegeben hatte, drohten sie mir wieder mit diesen Quälereien, zwangen mich, eine Aussage zu machen, dass ich all die Schlagverletzungen, die sie mir zugefügt hatten, bei einem Fluchtversuch erlitten hätte".
Der Rechtsanwalt Saur Sakrijew, der Beslan Gadajew vertritt, hat gegenüber Mitarbeitern von "Memorial" (russische Bürgerrechtsorganisation - Anm. des Übersetzers) erklärt, dass in der Innenverwaltung im ländlichen Bezirk Grosny gegen seinen Mandanten körperliche und psychische Gewalt eingesetzt wurde. Wie aus der Erklärung des Anwalts hervorgeht, hat sein Mandant faktisch einen Raubüberfall im Jahre 2004 auf Mitarbeiter der Rechtsschutzorgane gestanden. Jedoch haben die Mitarbeiter der Innenverwaltung des ländlichen Bezirkes Grosny sich entschieden, ihm noch ein Geständnis für eine Reihe anderer von ihm nicht begangener Verbrechen abzunehmen, die in Starije Atagi im ländlichen Bezirk Grosny der Tschetschenischen Republik verübt wurden.
Nach den Worten des Rechtsanwalts, hat sein Mandant durch brutale Gewaltanwendung sichtbare körperliche Schäden erlitten. Im medizinischen Teil der Untersuchungshaftanstalt Nr. 1 in Grosny, wo sich B. Gadajew gegenwärtig befindet (angeklagt nach Artikel 209 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation, "Banditismus") wurde eine medizinische Begutachtung erstellt, die zahlreiche blaue Flecke, Verletzungen als Schnittwunden, Hautabschürfungen, Blutergüsse, gebrochene Rippen und Schäden an inneren Organen.
Wegen all dieser groben Menschenrechtsverletzungen hat Anwalt S. Sakrijew eine Beschwerde an die Staatsanwaltschaft der Tschetschenischen Republik eingereicht....
Anmerkung der Redaktion der "Nowaja Gaseta": P.S. Hier bricht das Material Politkowskajas ab. Es ist unvollendet. Welche Episoden außerhalb dieses Textes blieben, wird die Redaktion klären.
Ü bersetzung aus dem Russischen : Uwe Klußmann

© SPIEGEL ONLINE 2006
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH

Zum Thema:
Zum Thema in SPIEGEL ONLINE:
  
Politkowskaja- Mord: Zeit der Verschwörungstheorien (09.10.2006)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,441598,00.html
Tod von Anna Politkowskaja: "Mord an Putins Geburtstag kein Zufall" (11.10.2006)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,441918,00.html
Folter in Tschetschenien: Politkowskajas letzte Recherchen veröffentlicht (12.10.2006)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,442178,00.html
Russische Medien zur Putin- Reise: Gas, Dostojewski und ein Mord (12.10.2006)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,442086,00.html

 

das letzte Fenster wird heute aufgemacht

Das
die Fensteröffnungen dieses Jahrs zusammen
heisst, was zugemauert war, nach und nach in 3 Jahren aufgemacht und mit neuen Fenstern versehen. Jedes Mal Licht rein und wieder Räume entstehen sehen.
die grossen Monologe,
hier die Marquise- noch mal korrigiert .
dann das vordere Bad jetzt, früherSpeisekammer mit neuem Fenster wieder
zuletzt das hintere, alte Bad, wieder aufgemacht
Das Schlafzimmer des Vaters, der Geburt im März aufgemacht, beide Fenster- und davor alle zu Anfanh März
das Wiegenzimmer
und nun das letzte Fenster
hier 2005 innen auf alte Form gebracht, siehe oben
Ist das alles erlaubt, neben schlimmen Ereignissen und solchen Film/Theatergesängen wie oben? Wenn ich es richtig verstanden habe, spricht eine Arbeit von Humor, es nicht fassen könnend, der-sowas. Was denn sonst, viel könnte man sagen, wenden. Aber zurückzukommen und, etwas zu tun, ist es nicht alter Traum der Kopfmenschen - und dann dies. Es einmal tun zu dürfen. Aus nichts. Weniger als dem Nichts. Und soviel Opfer links und rechts seh ich fallen. Aber Ernte auch. Vortastend dem Geiste kostbarste Nahrung.
Montage als Voraussicht der jetzigen Arbeit