11. September 2006
HITLER-BIOGRAF
Joachim Fest gestorben
Einer der großen Männer der deutschen Literatur und Publizistik ist tot. Joachim Fest, Hitler-Biograf und langjähriger Mitherausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Das verlautete aus Kreisen der Zeitung.
Frankfurt/Main - Joachim Fest, der am 8. Dezember 1926 in Berlin geboren wurde, stellte die Ursachen und Folgen der Naziherrschaft und die Sorge um die Orientierungskrise der Gesellschaft in den Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen und schriftstellerischen Arbeit. Anfang der siebziger Jahre verfasste er seine Biografie "Hitler". Das Werk war 1973 der Bestseller der Frankfurter Buchmesse, bestimmte über Monate die öffentliche Diskussion und gilt nach wie vor als eines der maßgebenden Bücher über Hitler. Es wurde in viele Sprachen übersetzt. Für die Hitler-Biografie und weitere literarische Arbeiten erhielt Fest zahlreiche Preise.DPA
Großer Historiker und Publizist: Hitler-Biograf Fest
Seinen beruflichen Werdegang begann Fest beim Berliner Sender RIAS. 1961 wechselte er zum Norddeutschen Rundfunk nach Hamburg. Dort übernahm er später die Redaktion des zeitkritischen TV-Magazins "Panorama". Als Chefredakteur des NDR ließ er sich im März 1968 für viereinhalb Jahre beurlauben, um sich der Arbeit an seiner Hitler-Biografie zu widmen. Zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) kam Fest 1973. Als Leiter des Kulturteils trat er in das Gremium der Herausgeber ein. Immer wieder bezog Fest als politischer Feuilletonist und konservativer Intellektueller Stellung. Ende 1993 wurde er im Herausgebergremium der Zeitung von Frank Schirrmacher abgelöst.
Fest, ein Kind der "Flakhelfergeneration", hat im achten Lebensjahrzehnt seine Erinnerungen an die Kindheit und Jugend unter der Nazi-Diktatur verfasst, deren Veröffentlichung er jetzt nicht mehr erlebt. Mit "Ich nicht", das am 22. September bei Rowohlt erscheinen wird, setzt er auch seinen Eltern ein Denkmal. Fest schildert das Schicksal einer bildungsbürgerlichen Berliner Familie, die sich dem neuen Zeitgeist unter den Nazis widersetzt. Für sie gilt der Grundsatz, dass allein Anstand, Sitte und Bildung der Maßstab für ein Leben in einer menschenwürdigen Gesellschaft sein können, ungeachtet jeder Ideologie.
Fests Vater, ein Oberschulrat, wurde von den Nazis aus dem Lehrdienst gejagt. Allen unsittlichen Anfechtungen der "Verbrecherbande", wie der Vater Hitler und seine Leute nennt, begegnete die Familie mit dem biblischen Credo: "Auch wenn alle mitmachen - ich nicht!" Diesem Motto hat Fest auch
den Titel seines Buchs entlehnt.
Seine Erinnerungen will der große Publizist nicht als eine Geschichte der Hitlerzeit verstanden wissen, sondern als deren Widerspiegelung im familiären Umfeld und im Freundeskreis. Dabei weiß Fest auch von der Erkenntnis Sigmund Freuds,
die er im Nachwort erwähnt, dass die ungetrübte biografische Wahrheit "nicht zu haben ist".
Gegen Ende des Krieges meldete sich Fest zum Entsetzen des Vaters freiwillig zum Wehrdienst, um der SS zu entgehen. Auch gegen den Rat seines Vaters machte der Sohn das Thema Hitler zu einem Schwerpunkt seines späteren Schaffens, um den Ursachen und Folgen der Naziherrschaft auf die Spur zu kommen.
Fest hatte schon seinen Vater ermuntert, die Erfahrungen aus der NS-Zeit aufzuschreiben. Doch der lehnte ab. "Wir
schweigen alle. Aus Scham, Angst und Beklommenheit. Ich schweige auch", sagte der Vater.
Dafür hat sein Sohn kurz vor seinem Tod vieles niedergeschrieben und resümiert: "Aufs Ganze war, was ich erlebt habe, der Einsturz der bürgerlichen Welt." Dabei rettete sich der Bürgersohn, der am Ende noch als junger Mann in den Krieg ziehen musste, immer wieder in die Welt der Bücher und Musik, um "ein paar Aufschlüsse darüber zu erlangen, wozu man eigentlich auf der Welt ist", wie es sein Großvater einmal formulierte.
kai/dpa
Er war ein Guter. Mir einer der redlichen in Deutschland unter den Publizisten. Als Kenner der Materien brilliant und erfreulich. Der Verlust ist profund, aber im Hinterlassenen aufgehoben.