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ONLINE - 09. Februar 2006, 20:00
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Aufrüstung
Rumsfeld schließt Angriff auf Irans Atomanlagen nicht aus
Pentagon-Chef Rumsfeld hat Iran indirekt mit einem Angriff gedroht, um eine eventuelle
Kernwaffenproduktion zu stoppen. Trotz der Drohungen will Iran sein Atomprogramm
fortsetzen. Russlands Präsident Putin hat Iran den Export von Raketen zum
Schutz von Atomanlagen zugesichert.
Teheran/Moskau - US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat einen Militärschlag
gegen iranische Atomanlagen nicht ausgeschlossen, damit Teheran keine Atomwaffen
herstellen kann. Iran reagierte auf die Drohung aus Washington gelassen. Man
nutze die Kernenergie ausschließlich zu friedlichen Zwecken. Vizepräsident
Esfandiar Rahim Maschaee sagte während eines Besuchs in Indonesien: "Es
ist nicht überraschend, dass Rumsfeld auf die Drohung mit einem Militärschlag
gegen den Iran zurückgreift." Eine solche Drohung sei aber ungefähr
so real wie die scharfen Zähne Draculas.
China bekräftigte derweil seine Unterstützung für russische Vermittlungsbemühungen
in dem Konflikt. Das Land hoffe, dass die russischen Vorschläge einen Durchbruch
ermöglichten, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums.
Russland hat angeboten, für den Iran Uran in einem internationalen Zentrum
anzureichern. Damit soll der internationalen Gemeinschaft die Sicherheit gegeben
werden, dass die Technik nicht für den Waffenbau eingesetzt wird. Die Gespräche
darüber sollen am 16. Februar fortgesetzt werden.
Gleichzeitig hat Russland Iran die vereinbarte Lieferung von Flugabwehrraketen
zum Schutz der Atomanlagen unter anderem in Buschehr und Isfahan zugesichert. "Wir
haben einen Vertrag über den Export von Flugabwehrsystemen an Iran geschlossen.
Es gibt keinen Grund, ihn nicht zu erfüllen", sagte der Leiter der
Behörde für die militärtechnische Kooperation mit dem Ausland,
Michail Dmitrijew, nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax in Moskau. Dmitrijew
gab zugleich einen Rekordexport russischer Rüstungsgüter 2005 im Gesamtwert
von umgerechnet 5,1 Milliarden Euro bekannt.
Verteidigungsminister Sergej Iwanow hatte Ende 2005 die Lieferung von bis zu
30 Flugabwehrsystemen des Typs "Tor-M1" zur Verteidigung iranischer
Atomanlagen sowie wichtiger Regierungsgebäude gegen Angriffe aus der Luft
angekündigt. Über Liefertermine machte Dmitrijew keine Angaben. Moskauer
Medien spekulierten zuletzt, die Waffensysteme sollten bis Mitte des Jahres in
Iran installiert werden. Die US-Regierung hatte angekündigt, in Moskau gegen
das Rüstungsgeschäft zu intervenieren.
Das Flugabwehrsystem "Tor-M1" wird mit jeweils vier Boden-Luft-Raketen
bestückt, die eine effektive Reichweite von zwölf Kilometern haben.
Sie dienen vor allem zur Vernichtung tief fliegender Objekte wie Marschflugkörper,
Kampfjets und Präzisionsbomben. Russische Zeitungen berichteten im Januar,
Russland habe mit Iran auch über den Verkauf des deutlich leistungsstärkeren
Raketenabwehrsystems S-300 verhandelt. Dmitrijew dementierte dies.
Unterdessen warnte der ehemalige iranische Atom-Chefunterhändler Hassan
Ruhani den Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vor einer internationalen Isolation
des Landes wegen des Konflikts um das Nuklearprogramm. "Wir sollten alle
uns zur Verfügung stehenden nationalen Mittel nutzen, damit wir nicht isoliert
werden", zitierte die Nachrichtenagentur Isna Ruhani. "Wir können
unsere Ziele nicht erreichen, indem wir Slogans skandieren und eine einzige simple
Strategie verfolgen", fügte er hinzu. Der Uno-Sicherheitsrat bereitet
derzeit eine Erklärung zu den iranischen Atomplänen vor.
Der Iran hat noch bis Anfang März Zeit, den Verdacht auf ein Waffenprogramm
auszuräumen. Danach droht ein Eingreifen des Uno-Sicherheitsrats, der Sanktionen
verhängen kann. Die grundsätzliche Einschaltung des Rates hat die Uno-Atombehörde
IAEA bereits beschlossen.
asc,rtr,dpa
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