Die Welt, 7.Dezember05



Syberberg 70: Syberberg 70
Ein Film aus Deutschland
Es gab eine Zeit, Mitte der Siebziger, da sahen in New York oder Paris nicht wenige Hans-Jürgen Syberberg als die zentrale Figur das Neuen Deutschen Films, vor Fassbinder, vor Wenders, vor Herzog. Das hatte damit zu tun, daß deren Faszination an Deutschland sich mit Syberbergs Interesse deckte: Germanien als Land teutonischer Mythen. Der gebürtige Pommer näherte sich seinen Objekten mit dem Vorsatz der Entmystifizierung, egal, ob es sich um den Bühnen-Monarchen Fritz Kortner, den Schmuddelporno-König Alois Brummer oder den Traumschloß-Kini Ludwig handelte. Syberbergs Erkundung der Tiefen der deutschen Seele begann mit "Ludwig - Requiem für

einen jungfräulichen König", setzte sich mit "Karl May" fort, drang vor zu "Winifred Wagner und die Geschichte des Hauses Wahnfried 1914-1975" und landete unweigerlich bei "Hitler - ein Film aus Deutschland".
Der Film über den Bayernkönig begann mit bescheidenen zweieinhalb Stunden, die sich bis "Hitler" auf siebeneinhalb steigerten, was gleichermaßen von der Exaltiertheit des Syberberg-Stils zeugte wie von seiner überbordenden formalen Kreativität. Seine Art der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit brach mit dem west- wie ostdeutschen Nachkriegskonsens, der Nationalsozialismus sei allein rational zu erklären; für ihn war er auch extremster Ausdruck des Irrationalismus, der ein Grundprinzip der deutschen Kultur dargestellt habe: "In der freiwilligen Selbstaufgabe seiner schöpferischen Irrationalität vor allem, und vielleicht einzig hier, hat Deutschland wirklich den Krieg verloren." Mit dieser Sicht hat Syberberg den Diskurs bereichert, ist aber Außenseiter geblieben. Heute wird Hans-Jürgen Syberberg 70 Jahre. hgr

Verglichen mit den öffentlichen Meldungen vor 10 Jahren fallen Änderungen auf. Zusammenhänge und Basis der letzten Arbeiten mit den allmählich aktuellen Problemen wie die Bombardierung der Städte als Vernichtung einer urbanen Kultur in der Mitte Europas und die Vertreibungen von 15 Millionen Menschen sind inzwischen ohne Relativierungsvorwurf möglich ohne Häme und Duckmäusertum der Inkriminierungen eben als böse Relativierung oder Ästhetisierungsverdacht, wenn in die Form der Filme oder auf dem Theater aufgenommen als zentraler Hintergrund aller Tragilk und Trauer dieser Kultur gewordenen Themen. Bleibt noch der Hochverrat Kohls in der Bestätigung des DDR Rechts von Enteigung der Ostemigranten und Zerstörung der ländlichen Landschaften im Osten mit allen Folgen bis heute.

Susan Sontag darf genannt werden, frühe Arbeiten sind zitiert, in einspaltigen Notizen nachruf-ähnlich ist die Zeitgenossenschaft schon zu Lebzeiten plötzlich gegenwärtig? Die Turmsituation der Notizen erlaubt. Die Monologe fehlen noch als eigene Leistung von Theater und Film sui generis, die zeithistorischen Notate des Esseyisten unserer geistigen Erklärung ... aber wird schon noch werden.

70 Jahre Geschichte an einem Ort erlaubt und ein ganzes Oeuvre inklusive live - Installation der realität ins Zentrum übertragen? und Sieg über H. gerade hier am Rande der kleinsten Welt in der Hölle als Höhle mit Schatten die uns jagend zum Kosmos werden, unseres Universums, das anderen etwas sagen darf?

nein