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BODENREFORM
Bundesregierung kann nach Straßburger Urteil durchatmen
15 Jahre nach der Wiedervereinigung hatte der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte einen Schlussstrich unter ein tragisches Kapitel deutscher
Nachkriegsgeschichte gezogen. Die Opfer der Bodenreform in der sowjetischen
Besatzungszone werden nicht entschädigt. Die Regierung ist ein Milliardenrisiko
los.
De Maiziere (mit Kanzler Schröder, 2000): "Richtig und gut"
Straßburg/Berlin - Bei der kommunistischen Bodenreform ab 1945 enteignete
Großgrundbesitzer scheiterten in Straßburg endgültig mit
dem Versuch, die Rückgabe ihrer Ländereien in Ostdeutschland oder
zumindest wesentlich mehr Entschädigung dafür zu erreichen. In
letzter Instanz wies das Gericht Beschwerden von rund 70 Alteigentümern
ab.
Bei einem Erfolg ihrer Klagen hätten letzten Endes knapp eine Million
Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche aus Staatsbesitz in den neuen Bundesländern
zur Disposition gestanden; auf die Bundesrepublik hätten Milliardenforderungen
zukommen können. Auch deshalb wurde das Urteil in Bund und Ländern
mit Erleichterung begrüßt. Die Kläger reagierten enttäuscht.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hob hervor, die streitigen Rechtsfragen
seien nun abschließend geklärt, und es herrsche Rechtssicherheit
für alle. In den neuen Ländern sind Tausende Entschädigungsverfahren
anhängig, deren Bearbeitung sich bisher nicht zuletzt in Erwartung der
Straßburger Entscheidung verzögert hat.
Urteil: Keine Rückgabe enteigneter Ländereien "Richtig und
gut" nannte der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere
das Urteil. Den "Stuttgarter Nachrichten" sagte der Rechtsanwalt,
der Rechtsweg der Kläger gegen die Enteignungen sei nach dem Straßburger
Urteil erschöpft. Auch im Justizministerium in Thüringen und in
Sachsens Landesamt für offene Vermögensfragen stieß der Straßburger
Spruch auf Zustimmung. Sprecher wiesen wie Zypries darauf hin, das nun Rechtssicherheit
bestehe.
Für Maizieres Vorgänger Hans Modrow entspricht es Völkerrecht
und Vernunft. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus begrüßte
wie andere ostdeutsche Landespolitiker, dass die juristische Aufarbeitung dieses
strittigen Kapitels endgültig abgeschlossen sei. Die Unsicherheit habe
auch den Aufbau in den neuen Ländern negativ beeinflusst, sagte er der
Chemnitzer "Freien Presse".
"
Junkerland in Bauernhand"
Nach dem Motto "Junkerland in Bauernhand" waren 1945 bis 1949 in
der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR Großgrundbesitzer
mit mehr als 100 Hektar Land enteignet worden. Der Großteil wurde an
so genannte Neubauern verteilt, ein Drittel blieb in Staatsbesitz. Bei der
Wiedervereinigung 1990 schrieben beide deutschen Staaten fest, dass die Enteignungen
im Rahmen der Bodenreform nicht mehr rückgängig zu machen seien.
Das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 gewährt
unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf finanziellen Ausgleich für
enteigneten Besitz. Dieser liegt aber deutlich unter dem heutigen Verkehrswert,
wie ihn die Alteigentümer für ihre verlorenen Ländereien fordern.
Schon vor dem Bundesverfassungsgericht waren etliche Klagen gescheitert. Unter
Berufung auf die Menschenrechtskonvention und den Schutz des Eigentums wandten
sich drei Gruppen von Bodenreformopfern beziehungsweise ihren Erben in Pilotverfahren
dann an Straßburg. Der Menschenrechtsgerichtshof befand nun jedoch, die
Bundesrepublik sei für Handlungen der sowjetischen Besatzungsmacht oder
der DDR nicht verantwortlich. Er verwies ebenfalls auf den 1990 festgelegten
Ausschluss jeglicher Rückgabe und das Entschädigungsgesetz.
Der Deutsche Bauernverband forderte, Alteigentümern zumindest den Rückerwerb
von Teilen ihres früheren Besitzes zu erleichtern. Die Aktionsgemeinschaft
Recht und Eigentum reagierte mit großer Enttäuschung auf die Straßburger
Entscheidung. Dieses Urteil sei "für die neuen Länder eine Katastrophe",
teilte die Gemeinschaft mit.
"Das können wir nicht so lassen", sagte der Koblenzer Anwalt Thomas
Gertner als Vertreter einer Klägergruppe. Er sprach davon, sich an die Uno-Menschenrechtskommission
zu wenden. Sehr enttäuscht äußerte sich auch der Kläger
Jürgen Weidenmüller aus Gernsbach. Der aus Sachsen stammende 75-Jährige
bezeichnete das Urteil als großen Fehler.
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das ist die Bankrotterklärung
Europasvor der eigenen
Geschichte
die sie nicht imstande sind in die Hand zu nehmen
wie kann eine Gericht ein Urteil fällen, das sich als nicht zuständig erklärt.