Entdeckt. Und was für ein Reichtum verlorener Welten. Jeder Satz, Seite für Seite. So nur von einem, ders erlebte. Als Kind auf dem Lande. Selbst. Wers anfängt, hört nicht mehr auf.

Keyserling wurde als zehntes von zwölf Geschwistern in ein kurländisches Adelsgeschlecht hineingeboren. Seine patriarchalische Familie hatte bedeutende Künstler und Wissenschaftler hervorgebracht und als Gäste willkommen geheißen, so Leonhard Euler, Immanuel Kant und Johann Georg Hamann. Eduard wuchs wohlbehütet inmitten der elterlichen Güter auf. Er besuchte die Schule in Hasenpoth und das Gymnasium in Goldingen (Kuldiga). Ab 1874 studierte er zuerst Jura, dann Philosophie und Kunstgeschichte in Dorpat (Tartu), mußte das Studium aber 1877 abbrechen ("wegen einer Inkorrektheit") und war damit in seiner Gesellschaft geächtet. In Wien setzte er das Studium fort und arbeitete als freier Schriftsteller; dort lernte er Ludwig Anzengruber und Peter Altenberg kennen. Bis 1895 verwaltete Keyserling, gesellschaftlich isoliert, die mütterlichen Güter Paddern und Telsen. Nach dem Tod der Mutter Ende 1894 und der Übergabe der Güter an die Majoratsherren zog er mit zwei Schwestern nach München. Von Ende März 1899 bis 1900 bereiste er mit seinen beiden Schwestern (die benfalls in München wohnten) Italien. In München zählte er zur Schwabinger Boheme um Max Halbe, Frank Wedekind, Ludwig Thoma und Erich Mühsam und verkehrte im Cafe Stephanie. Durch eine Syphilisinfektion erkrankte er 1897 an einem Rückenmarksleiden, das in zunehmend lähmte und ans Bett fesselte. Seine schnell fortschreitende Erblindung führte seit 1907 zur Vereinsamung. Nur Max Halbe und Rudolf Kassner hielten Kontakt zu ihm. Auch die Fürstin Taxis und Rainer Maria Rilke besuchen ihn. Dessen ungeachtet setzte er seine literarische Arbeit fort und diktierte blind und lahm Romane und Erzählungen.
Keyserling veröffentlichte kunstkritische Beiträge in Zeitschriften. Er schuf stimmungsreiche impressionistische Romane und Erzählungen, voller Resignation und Ironie über die Welt und den Untergang des kurländischen Adels.

Geboren am 18.5.1855 auf Schloß Paddern bei Hasenpoth (Aizpute) in Kurland; gestorben am 28.9.1918 in München.
Keyserling wuchs als zehntes von zwölf Geschwistern in der patriarchalischen Adelsgesellschaft der elterlichen Güter auf. Er besuchte die Schule in Hasenpoth und das deutsche Gymnasium in Goldingen (Kuldiga). Das 1874 begonnene Studium (Jura, Philisophie und Kunstgeschichte) in Dorpat mußte er 1877 abbrechen ("wegen einer Inkorrektheit") und war damit in seiner Gesellschaft geächtet. In Wien setzte er das Studium fort; dort lernte er Ludwig Anzengruber kennen.
Bis 1895 verwaltete Keyserling, gesellschaftlich isoliert, die mütterlichen Güter Paddern und Telsen. Nach dem Tod der Mutter Ende 1894 und der Übergabe der Güter an die Majoratsherren zog er mit zwei Schwestern nach München. Durch eine Syphilisinfektion erkrankte er 1897 an einem Rückenmarksleiden und erblindete mit 45 Jahren. Von Ende März 1899 bis 1900 bereiste er mit den Schwestern Italien.
Werke u.a.:
• 1887 Fräulein Rosa Herz. Eine Kleinstadtliebe
• 1892 Die dritte Stiege
• 1902 Die schwarze Flasche
• 1903 Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte
• 1906 Schwüle Tage (Novellensammlung)
• 1908 Dumala
• 1909 Bunte Herzen (Novellensammlung)
• 1911 Wellen
• 1914 Abendliche Häuser
• 1916 Am Südhang
• 1917 Fürstinnen

Eduard von Keyserling. Wellen
München: DTV, 1998. 172 Seiten – Schriftsteller Eduard von Keyserling
Man muß nicht Jahre oder gar Generationen und hundert Personen verfolgen. Eduard von Keyserling genügte 1911 ein einziger Sommer an der Ostsee um mit ruhiger, farbiger Sprache ein spannendes Beziehungsgeflecht aufzubauen. Dazu kommt er mit wenigen Personen in drei Lebenszonen aus:
• die adeligen Hauptpersonen, die nicht bemerken wollen, daß ihre Welt ins Schlingern gerät,
• die bürgerliche Welt, die der jungen Adelsgeneration als kaum erreichbares Ziel ihrer Sehnsucht erscheint,
• das harte, meerverbundene Leben der Fischer, das doch mehr als Kulisse dient, aber den Naturbezug herstellt.
Der angedeutete Minimalismus darf nicht verleiten anzunehmen, man habe es mit einem simplen oder gar schwachen Werk zu tun. Der Roman bietet genügend Stoff zum Nach-Denken.
Noch steht die Fassade, noch wird der Realismus in der Literatur verurteilt, jede Leiblichkeit ist verpönt und die abtrünnige Gräfing Doralice wird zur Unperson erklärt. Sie hat es gewagt, von einer Zone in die andere zu wechseln und sich dazu - wie verwerflich! - einen Maler ausgesucht. Doch mehr oder weniger heimlich wird diese "süperbe Frau" verehrt und zum Prüfstein für einige Lebenslinien. An ihr entzünden sich die dramatischen Ereignisse.
Noch waltet eine uneingeschränkte Ordnung: "... sollte ich vormittags sterben, das ist gar kein Grund, daß an dem Tag nicht ebenso pünktlich gegessen wird wie sonst, sonst wird die Verwirrung nur erhöht".
Keiner werfe einen Stein oder dünke sich gegenüber der geschilderten Zeit für fortgeschritten. Immerhin hielt man es seinerzeit "für unhöflich, einen Augenblick mit einer jungen Frau allein zu sein, ohne ihr eine Liebeserklärung zu machen". Davor hüte man sich in heutiger Zeit der political correctness oder man landet unversehens vorm Kadi.
Von Keyserling malt in dezenten Farben, völlig unaufdringlich und trotzdem glaubwürdig.
Eine empfehlenswerte Wochenendlektüre.
Wellen
Fernsehfilm, Deutschland 2004. Regie: Vivian Naefe, Drehbuch: Günter Schütter
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Göttingen, Steidl, 1998.Gebunden - 174 S.
München, btb/Goldmann, 1998. Taschenbuch - 156 S.
München, dtv, 1998. Taschenbuch - 172 S.


© by Herbert Huber, Am Fröschlanger 15, 83512 Was

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