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Neuer Streit zwischen Deutschland und Russland
Eine Ausstellung in Moskau sorgt für Missstimmungen zwischen Deutschland
und Russland. Im Puschkin-Museum der russischen Hauptstadt wird "Beutekunst" aus
Deutschland gezeigt. Deutsche Museumsvertreter beklagen, dass ihnen der Zugang
zu den russischen Depots bisher verwehrt wurde.
DPA
Kulturstaatsministerin Weiss: "Politisch schwieriges Umfeld"
Moskau/Berlin - Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin kritisierte
am Dienstag die Moskauer Schau. Am selben Tag wurde in der Berliner Gemäldegalerie
ein Bild aus dem 17. Jahrhundert an Russland zurückgegeben, was die
Stiftung Preußischer Kulturbesitz als besondere Geste anlässlich
des bevorstehenden 60. Jahrestages des Kriegsendes in Deutschland bezeichnete.
Die Stiftung regte zugleich die baldige Wiederaufnahme von Verhandlungen über
die Beutekunst mit Russland an.
Museumsvertreter sehen keine Fortschritte
In einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" beklagten
führende Vertreter von Museen in Berlin, Dresden und Potsdam, dass die
seit 15 Jahren geführten Gespräche bisher keinerlei Fortschritte
gebracht hätten, bereits von den Russen gemachte Zusagen erwiesen sich
zusehends als "Schimäre".
Das Moskauer Puschkin-Museum hat zum 60. Jahrestag des Kriegsendes bislang
unerschlossene Depots mit "Beutekunst" aus Deutschland für eine
Ausstellung geöffnet. Russische Fachleute hätten in fünf Jahren
Arbeit aus Scherben und Trümmern etwa 350 Vasen, Statuen und Fresken wieder
zusammengesetzt, hieß es zu der am Dienstag eröffneten Ausstellung "Archäologie
des Krieges. Rückkehr aus dem Nichts". Die Stiftung Preußischer
Kulturbesitz teilte dazu mit, nichts von dem Projekt gewusst und nie Zugang
zu den Objekten gehabt zu haben.
Im Puschkin-Museum lagert ein Großteil der auf sowjetischen Befehl abtransportierten
Kunstschätze aus Deutschland, darunter die Troja- Funde von Heinrich Schliemann
und der Eberswalder Goldschatz. Die Museumsdirektorin Irina Antonowa sagte
bei der Eröffnung, aus Berlin sei noch keine Reaktion zu der Ausstellung
erfolgt. "Selbst wenn eine Reaktion geflogen kommt, wird sie keinerlei
Folgen haben." Das Museum unterstrich, dass die Gegenstände laut "Beutekunst"-Gesetz
russisches Eigentum seien.
Diskussion über Rückführung gefordert
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter
Lehmann, beklagte, dass alle Anfragen Berlins für den Zugang zu den Depots
von russischer Seite abgelehnt worden seien. Er forderte gleichzeitig, "ohne
Scheu und Vorbehalte auch über die Rückführung der Kulturgüter
in ihren ursprünglichen Sammlungszusammenhang zu verhandeln".
In der "FAZ" kritisierten Lehmann und seine Kollegen Martin Roth
(Dresden) und Hartmut Dorgerloh (Potsdam), den Stillstand der Beutekunst-Gespräche.
Er habe den Eindruck, sagte Lehmann, die Situation "verhärte" sich
derzeit wieder. Derweil seien ganze "Bestände bedeutender Kunst" in
den russischen Depots "zu Pflegefällen" geworden, sagte Roth,
Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Die jetzige Moskauer Präsentation sieht Lehmann auch als einen "erneuten
Versuch zur Legendenbildung", da die Direktorin des Puschkin-Museums wieder
die SS für Zerstörungen der in die Berliner Bunker Friedrichshain
und Zoo verbrachten Kunstschätze verantwortlich gemacht habe, was aber
nicht den historischen Tatsachen entspreche. Die Kunstwerke seien Anfang Mai
1945 in unversehrtem Zustand an die Rote Armee übergeben worden.
Bei dem am Dienstag an Russland zurückgegebenen Gemälde handelt es
sich um ein Bild mit dem Titel "Reiterschlacht" aus der Schule des
französischen Malers Bourguignon. Russland forderte das Bild zurück,
nachdem es von deutscher Seite als "nicht zuzuordnendes Objekt" publik
gemacht worden war. Es befand sich bis 1941 im Palast von Gatschina nahe St.
Petersburg und ist laut Preußenstiftung dort unter unbekannten Umständen
entfernt worden.
Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) betonte, auch im "politisch
schwierigen Umfeld der Rückführungsverhandlungen" sei es "selbstverständlich,
dass Deutschland seinen rechtsstaatlichen Verpflichtungen zur Rückgabe
nachkommt". Dazu gehört auch die Einrichtung der Koordinierungsstelle
für Kulturverluste in Magdeburg mit ihrer Website www.lostart.de, wo die "Reiterschlacht" ebenfalls
veröffentlicht wurde.