„Hysterisch und ungeheuerlich”
Und auch der Deutsche Taschenbuchverlag hat still und heimlich ein für den Geburtstag geplantes „Hochhuth-Lesebuch”, das von Gert Ueding herausgegeben werden sollte, aus dem Programm genommen. Ueding empfindet diesen Vorgang als „hysterisch und ungeheuerlich”. Die Begründung ist ähnlich wie bei der DVA.
Der Vertrag sei noch gar nicht unterschrieben gewesen, es gebe jüdische Autoren in den Verlagen, auf die Rücksicht zu nehmen sei, überdies sei man gar nicht Hochhuths Hausverlag - dann wäre es natürlich etwas anderes. Und beide Verlage betonen, daß sie ihrerseits sehr gern den Mantel des Schweigens über diese geplatzten Verträge gebreitet hätten, allein Hochhuth gehe damit nach draußen.
Er selbst leidet am meisten
Ja, wie denn auch nicht! Hochhuth hat einen dummen Fehler begangen, unter dem er selbst am meisten leidet, den er glaubhaft bereut und für den er sich entschuldigt hat. Allein, Deutschland kennt keine Gnade, und es sieht nun so aus, als wäre Rolf Hochhuth samt seinem Lebenswerk unberührbar geworden.
Zwar haben sich bisher keine „jüdischen Autoren” entrüstet gezeigt - zu hoffen ist, daß sie sich eher wegen dieser unverlangten und entmündigenden Beschützergesten beschweren. Und der von der DVA selbst ins Feld geführte Hausautor Richard Evans, Chefgutachter gegen Irving im Londoner Prozeß, zeigte sich auf Anfrage dieser Zeitung verwundert: Ihm sei es neu, daß alle Autoren eines Verlags dieselben Meinungen teilen müßten. Hochhuth sei wahrlich nicht der erste, der von Irving hereingelegt worden sei. Er, Evans, habe natürlich gar nichts dagegen, im selben Verlag zu erscheinen, und bewundere im übrigen Hochhuths frühe Stücke.
Ein hohes Gut
Evans ist eben Brite, und dort ist die freie Meinungsäußerung ein hohes Gut.
WOLFOWITZ' NOMINIERUNG
Bushs Alleingang schockiert Weltbanker
Aus Washington berichtet Hans Michael Kloth
Wolfowitz statt Wolfensohn - US-Präsident George W. Bush hat nun doch seinen neokonservativen Vize-Verteidigungsminister für das Amt des scheidenden Weltbankpräsidenten nominiert. Kritiker hoffen auf einen Aufstand der Düpierten - mehr als einen Sturm im Wasserglas wird es jedoch kaum geben.
AP
Paul Wolfowitz: Falke als EntwicklungshelferWashington - Als Bush seinen Vertrauten Wolfowitz im Februar erstmals ins Spiel brachte, war das Medienecho verheerend. Der neokonservative Irakkriegs-Stratege, der die globale Dominanz der USA predigt, galt als den Weltbank-Anteilseignern schlicht nicht vermittelbar. Die "Washington Post" deutete die Idee als "Zeichen der Verzweiflung". Der Vielgescholtene winkte zunächst ab, Weltbank-Funktionäre reagierten erleichtert.
Wolfowitz' Kandidatur sei nur ein Missverständnis gewesen, witzelte Noch-Präsident Wolfensohn: "Ich hatte meinen Sohn vorgeschlagen, und die Namen sind durcheinander geraten." Dann hob Bush Wolfowitz doch auf den Schild - und den meisten Weltbankern ist nun nicht mehr zum Lachen zumute. Die Bank stehe "unter Schock", berichtet ein Mitarbeiter; niemand habe mehr mit dieser Entwicklung gerechnet. Offenbar erfuhr selbst die Führungsebene die Neuigkeit zeitgleich mit der Presse; auch der amerikanische Vertreter soll erst gestern Morgen, unmittelbar vor der turnusmäßigen Vorstandssitzung, von seiner eigenen Regierung informiert worden sein.
Anteilseigner der Bank wie auch Entwicklungshilfegruppen fühlen sich doppelt düpiert. Der Gedanke an einen hartgesottenen Pentagon-Mann als Bankchef, der nie mit dem Finanzsektor zu tun hatte und dessen Erfahrungen mit der Dritten Welt sich auf vier Jahre als US-Botschafter in Indonesien beschränken, erfüllt sie mit extremem Unbehagen.
Dazu kommt Ärger über die konspirative Entscheidungsfindung der Amerikaner. Die USA als größter Anteilseigner besitzen traditionell das Vorschlagsrecht für den Präsidentenposten, doch seit langem drängen vor allem die Entwicklungsländer auf ein transparenteres und demokratischeres Verfahren - etwa, in dem zwei Kandidaten zur Auswahl gestellt werden. So hielten es die Europäer, als sie vor einem Jahr den heutigen Bundespräsidenten Horst Köhler an der Spitze des Internationalen Währungsfonds ersetzen mussten.
Tiefschlag für Transparenz-Verfechter
Die einsame Entscheidung der Bush-Administration, ohne Information oder gar Konsultation der Miteigner, sehen Beobachter als Tiefschlag für den Versuch, die Weltbank transparenter und demokratischer zu machen - ausgerechnet von einer Regierung, die sich diese Prinzipien besonders groß auf die Fahne geschrieben hat. "Es gab keine Wahl", kritisiert etwa John Cavanagh vom linken Institut für Politikstudien in Washington. "Wo ist da die Demokratie?"
Kommt es über den Weltbankpräsidenten in spe zur Revolte des Rests der Welt gegen den Hegemon Amerika? "Einige könnten meinen, dies sei die Zeit, um das Nominierungsrecht der USA herauszufordern", warnt Dennis Ross, ehemaliger US-Sonderbotschafter für den Nahen Osten. "Dies ist der Moment der Wahrheit".
Um bestätigt zu werden, braucht ein Kandidat die Zustimmung von 85 Prozent des Anteilkapitals. Mit ihren 17 Prozent der Weltbank-Anteile können die Amerikaner ihren Vorschlag zwar nicht durchboxen - aber sie haben die Sperrminorität, um jeden anderen Kandidaten zu verhindern. Die Europäer kommen zusammen auf 30 Prozent, doch sie sind sich uneins - die Briten sind für Wolfowitz, die Schweden dagegen; Frankreich und Deutschland sind nicht begeistert, aber auch nicht Willens, den gerade neu geknüpften transatlantischen Gesprächsfaden schon wieder zu kappen. "Das Problem mit Opposition ist, dass es keinen Konsens gibt", so ein europäischer Bankfunktionär. Es gilt in Washington als ausgemacht, das Bush Wolfowitz nicht erneut ins Spiel gebracht hätte, wenn er seiner Sache nicht ganz sicher gewesen wäre.
Trost im Nahost-Referat
So mag es gegen den designierten Weltbankpräsidenten Wolfowitz "viele Proteste auf der ganzen Welt" geben, wie Kritiker Cavanagh erwartet. Auf der politischen Ebene wird es wohl bei einem Sturm im Wasserglas bleiben - die Wolfowitz-Gegner haben allesamt zu viel zu verlieren, als dass sie sich wegen einer Personalie mit den USA anlegen würden.
Und auch in der Weltbank sehen durchaus nicht alle schwarz. "Wolfowitz kann ein guter Bankpräsident werden", so ein europäischer Beamter. Er habe in Washington Zugang zum Innersten Zirkel der Macht, und was das bedeute, sehe man an Außenministerin Condoleeza Rice, deren Vorgänger Colin Powell ein netter Kerl gewesen sei, aber nichts bewegen konnte. Für die Bank sei es "wichtig, die USA einzubinden."
Wolfowitz selbst bemühte sich gestern schon mal um seine zukünftigen Kollegen. In einem Memo an alle Weltbankdirektoren legte er ausführlich sein Interesse und Engagement für die Dritte Welt dar. Und sollte er sich im Juni trotz aller Anstrengungen in der Weltbank-Chefetage nicht willkommen fühlen, kann er zumindest stets auf ein aufmunterndes Wort aus der Abteilung für den Nahen Osten und Nordafrika rechnen - dort arbeitet seine Lebensgefährtin.

Triumph für Bush, Fiasko für die NaturMüssen sich wohl ein neues Heim suchen Punktsieg für die Energiepolitik von US-Präsident George W. Bush: Nach zwölfstündiger Debatte hat das Repräsentantenhaus das Bohren nach Erdöl und Erdgas in der Arktis genehmigt. Umweltschützer sind empört.
Das US-Repräsentantenhaus hat am späten Mittwochabend (Ortszeit) nach zwölfstündiger Debatte das Bohren nach Erdöl und Erdgas in einem arktischen Naturschutzgebiet in Alaska genehmigt. Die Abstimmung bedeutet einen wichtigen Sieg für die Energiepolitik von US-Präsident George W. Bush. Das Naturschutzgebiet Arctic National Wildlife Refuge liegt in einer Küstenebene und ist Lebensraum für Wandervögel, Karibus und andere Tiere.
 
Abgelehnt wurden Forderungen, besonders viel Sprit schluckende Sportwagen, Minivans und Kleinlastwagen sparsamer zu machen. Die Energieindustrie dagegen erhält in dem 510 Seiten starken Gesetzespaket Steuererleichterungen in einer Höhe von 335 Milliarden Dollar verteilt über zehn Jahre.
 
Das Gesetzespaket, das mit 240 zu 189 Stimmen angenommen wurde, muss allerdings noch den Senat passieren, in dem Bushs Republikaner keine Mehrheit haben. Die zweite Kongresskammer wird sich voraussichtlich im September mit der Energiepolitik befassen. Versuche, das besonders umstrittene Ölbohrprojekt in der Arktis von dem Gesetzespaket zu trennen, wies die Mehrheit des Repräsentantenhauses mit 223 zu 206 Stimmen zurück.
 
Das US-Repräsentantenhaus hat grünes Licht für die Förderung von Ölbohrungen in einem Naturpark in Alaska gegeben. Die Abgeordneten billigten mit deutlicher Mehrheit einen entsprechenden Gesetzentwurf von Präsident George W. Bush. Der Plan ist bei Umweltschützern äußerst umstritten, er sieht vor, sowohl Gas als auch Öl und Kohle stärker zu nutzen. Das Gesetz muss noch vom Senat gebilligt werden.
 
Warnungen von Umweltschützern
» Vielleicht mögen sie keine Ölfirmen zu Hause, aber das ist viel besser, als von Saddam Hussein beliefert zu werden«, sagte der Republikaner Billy Tauzin. Umweltschützer aber warnen, der neue Kurs könne das 1950 geschaffene Naturschutzgebiet Alaska zerstören, eine der letzten großen Wildnisse und Lebensraum unzähliger Wildtiere. Dabei würden Quellen aus dieser Region nur vergleichsweise wenig Öl ergeben und nur Interessen einer Minderheit bedienen.
 
Das von Vizepräsident Dick Cheney ausgearbeitete Fünf-Punkte-Paket sieht zudem vor, in den kommenden zwanzig Jahren bis zu 1900 neue Kraftwerke zu bauen, darunter auch neue Atomkraftwerke.
 


Bush nominiert Wolfowitz © Charles Dharapak/AP
Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz gilt als neo-konservativer Hardliner Der besonders in Europa umstrittene Pentagon-Vize Paul Wolfowitz soll nach dem Willen von George W. Bush Präsident der Weltbank werden. Von dem Falken der US-Regierung wird eine Führung "mit eiserner Faust" erwartet.
US-Präsident George W. Bush nennt Paul Wolfowitz meistens "Wolfie". Das klingt niedlich, aber auch Freunde des bisherigen Vize-Pentagonchefs räumen ein: Mit "Wolfie" ist nicht zu spaßen. Der 61-Jährige, der nach dem Willen von Bush nun an die Spitze der Weltbank rücken soll, gilt als einer der größten Falken der US-Regierung, als Zentrum eines intellektuellen Zirkels neokonservativer Politiker, ein Mann, der Kompromisse scheut und kein Blatt vor den Mund nimmt.
" Superhirn" der US-Regierung
Zugleich ist Wolfowitz als äußerst brillanter Kopf bekannt. Viele halten ihn sogar für das bisherige absolute "Superhirn" der US-Regierung, einen hochintelligenten strategischen Denker, der Ziele konkret anpeilt, wenn andere noch nicht einmal daran denken. So soll es auch im Fall Irak gewesen sein. Wolfowitz gilt als "Vater" des Krieges zur Entmachtung von Diktator Saddam Hussein und hat den Waffengang nach Angaben aus seiner Umgebung schon lange Jahre vor Bush ins Auge gefasst. Auch seine Gegner, die ihn als "schärfsten der Scharfmacher der Bush-Administration" einstufen, können manchmal ihre Bewunderung für diesen Mann nicht verbergen, der es im Laufe seiner Karriere bisher fast immer geschafft hat, das zu erhalten, was er will.
 
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USA: Die Kriegslüge
Paul Wolfowitz: Der ÜberzeugungstäterVielleicht liegt es daran, dass sich die politische Härte von Wolfowitz hinter einem fast schüchtern wirkenden Auftreten verbirgt. Wolfowitz hat Charme, er zeigt sich meistens als ruhiger, nachdenklicher Analytiker und spricht fast immer mit leiser, sanfter Stimme - auch dann, wenn er wie häufig in der Vergangenheit im Auftrag von Bush unangenehme und undiplomatische Botschaften übermittelt, die der Präsident selbst nicht aussprechen will. So war es beispielsweise Wolfowitz, der seinerzeit knallhart sagte, dass sich Firmen aus Staaten der Anti-Irakkriegskoalition keine Hoffnung auf eine Beteiligung am Wiederaufbau des Irak machen könnten.
Wolfowitz ist Sohn eines polnischen Juden, der 1920 aus dem russisch besetzten Warschau in die USA flüchtete. Viele seiner in Europa gebliebenen Verwandten fielen dem Holocaust zum Opfer, und die frühen Erfahrungen mit den furchtbaren Auswirkungen totalitärer Regime erwiesen sich als prägend. Schon frühzeitig in seiner politischen Karriere war Wolfowitz von dem Gedanken beseelt, der möglichen Bedrohung durch Diktatoren durch vorbeugende Schläge zu begegnen. Folglich sah er auch in Saddam Hussein eine teuflische Gefahr für die USA, den gesamten Nahen Osten und insbesondere Israel.
Bedeutende Posten im Außenministerium und im Pentagon
Beruflich verschrieb sich Wolfowitz zunächst wie sein Vater der Mathematik und wechselte dann in die Politikwissenschaft. Nach Erwerb seines Doktortitels und dreijähriger Lehrtätigkeit an der Yale- Universität siedelte er dann in die US-Behörde für Rüstungskontrolle über. Danach folgten zunehmend bedeutende Posten im Außenministerium, im Pentagon und im Ausland, wo sich Wolfowitz unter anderem weit reichende Asien-Kenntnisse erwarb, etwa als Botschafter in Indonesien in den achtziger Jahren. 2001 rückte Wolfowitz zum Stellvertreter von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld auf. Zusammen mit seinem Chef steuert Wolfowitz einen Riesenapparat: Das Pentagon ist mit 700 000 zivilen Angestellten das größte US-Ministerium, und hinzu kommen die 1,3 Millionen Uniformierten. Die Management-Erfahrung wird Wolfowitz nach Einschätzung von Experten besonders zugute kommen, wenn er Weltbank-Präsident wird.
In liberalen Kreisen der Weltbank-Beschäftigten in Washington löste die Nachricht der Nominierung von Wolfowitz als Nachfolger des Ende Mai ausscheidenden James Wolfensohn unterdessen wenig Begeisterung aus. Hatte Wolfensohn nach Einschätzung von Experten versucht, der Weltbank durch eine Ausweitung der Schwerpunkte auf Entwicklung und Umwelt ein humaneres Gesicht zu geben, wird von Wolfowitz eine Führung "mit eiserner Faust" erwartet.
Die Fraktionschefin der oppositionellen US-Demokraten, Nancy Pelosi, erklärte, die Entscheidung für Wolfowitz sei schwer zu verstehen. Sie sehe bei ihm keinerlei Einsatz für die Vorstellungen der Weltbank. Der Direktor der Hilfsorganisation Oxfam International, Bernice Romero, sagte, es sei wichtig, dass sich die Weltbank auch unter ihrem neuen Chef weiter für die Bekämpfung der Armut einsetze. Die unter Wolfensohn begonnene Entwicklung zu einer Ausgabensteigerung bei Bildung und Gesundheit dürfe nicht gestoppt werden.
Die rot-grüne Koalition hatte bereits Anfang des Monats Bedenken gegen Wolfowitz geäußert. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Fritz Kuhn, sagte dem Tagesspiegel: "Das Vertrauen in die Weltbank würde man sicherlich nicht stärken, wenn man einen ausgewiesenen Neokonservativen nominieren würde." Die Glaubwürdigkeit von IWF und Weltbank hänge davon ab, dass ein Kandidat sowohl bei den reichen Industrieländern als auch bei Schwellen- und Entwicklungsländern Akzeptanz finde. Als weitere Kandidaten für den Weltbank-Chefposten galten bis zuletzt die Ex-Chefin des US-Computerkonzerns Hewlett Packard, Carly Fiorina, und Arbeitsministerin Elaine Chao.
Größter Kreditgeber für Entwicklungsprojekte
Die in Washington ansässige Weltbank ist der größte Kreditgeber für Entwicklungsprojekte weltweit. Sie vergibt langfristige Darlehen an Länder und soll den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer weniger entwickelten Mitgliedstaaten fördern. Die USA schlagen traditionell den Präsidenten der Weltbank und Europa den Chef des Internationalen Währungsfonds vor.
 
DPA/Reuters
     
Artikel vom 16. März 2005


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SCHLINGENSIEFS "FICK COLLECTION"
Parsifal mit Pute
Von Jörg Schallenberg
In seiner neuen Performance "Fick Collection" geht Dauerprovokateur Christoph Schlingensief auf seine Lieblingsfeinde, die Wagners, los - und kocht nebenbei Ungenießbares im Römertopf. Der Abend ist in jeder Hinsicht zu opulent geraten. Ein paar Schnitzel hätten es auch getan.
Muffatwerk
Theaterstar Schlingensief: "Auf keinen Fall provozieren"Eine typische Assoziationskette bei Christoph Schlingensief verläuft so: Er schiebt einen Römertopf in den Backofen, der auf der Bühne steht, schließt die Klappe und sinniert ins Mikrofon: "Einer dieser Industrieöfen." Pause. "Wenn man daran denkt, welche Rolle solche Öfen in der deutschen Geschichte gespielt haben, fällt einem doch sofort die Flick-Ausstellung ein." Als nach ein paar Sekunden Schreckenspause die halbentrüsteten Lacher einsetzen, kommentiert Schlingensief maliziös: "Ah, jetzt haben es die ersten verstanden."
Ausgekochter Culture Clash
Ach, es war doch gar nicht so schwer. Schließlich heißt die neue Performance, mit der Deutschlands aus Funk und Fernsehen bekanntester Hochkultur-Provokateur in dieser Woche auf Tournee unterwegs ist, ganz plakativ "Fickcollection" - und bezieht sich natürlich auf die heftig angefeindete Ausstellung des Sammlers Friedrich Christian Flick, der von den Nazis als "entartet" deklarierte Kunst in Berlin zusammengetragen hat und sich dabei, so die Vorwürfe, auf Kosten der Künstler bereichert haben soll.
DPA
Wolfgang, Gudrun und Tochter Katharina Wagner: Spießer des rechtzeitigen ProbenbeginnsDas ist natürlich ein perfektes Thema für Schlingensief: Wo deutsche Geschichte, Politik und Kultur zwischen gehobenem Feuilleton und Leitartikeln mit Fraktur-Überschrift zusammenkrachen, da fühlt sich der 44-Jährige zuhause, darunter greift er erst gar nicht zur Feder. Oder zur Pute.
Denn an diesem Dienstagabend in der Münchner Muffathalle steht Schlingensief zunächst mal mit Jeans, Strickpulli und Baseballmütze am Tisch und bereitet im Scheinwerferlicht eine Pute zu. Fenchel, Zwiebeln, Lauch und Möhren werden um das gerupfte Tier herum in den Römertopf gestopft, dann kräftig Mango-Chutney, Weißwein und Tabasco drübergekippt - solange, bis die Kochbegabten im Publikum endlich entsetzt aufstöhnen. Dazu parliert der betont unfähige Chefkoch des Abends im locker-ranschmeißenden Unterhaltertonfall darüber, dass er heute doch auf "keinen Fall provozieren will".
Da giggeln die Fans in der vollbesetzten Halle schon mal erwartungsvoll - wie überhaupt jenes unangenehme Helge-Schneider-Syndrom oft in den Stuhlreihen zu beobachten ist: Jedes noch so bedeutungslose Wort, jede Geste des großen Meisters reizt bereits zu haltlosem Gelächter. Auf dass keinesfalls der Eindruck entstehe, man verstehe hier irgend eine Anspielung nicht, auch wenn es gar keine sein soll, sondern nur eine Zwiebel vom Tisch gefallen ist.
Wagner, Flick und Spießerschelte
DPA
Kunstmäzen Flick: Per Assoziation im RömertopfDann landet die gequälte Pute im Ofen und Schlingensief per assioziativem Holzhammer bei Flick. Von dort ist es kein weiter Weg mehr zum großen Thema des Abends: Wagner. Oder besser: diese Wagners. Im vergangenen Jahr hatte Schlingensief sein Debüt als Regisseur bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth gegeben und sich, wie nicht anders erwartet, sowohl mit dem Ensemble als auch mit den Nachfahren des Komponisten schlagzeilenträchtig verkracht. Nun zitiert er hingebungsvoll aus - selbstverständlich schon aus juristischen Gründen ganz und gar erfundenen - Briefwechseln zwischen ihm, Wolfgang und Gudrun Wagner, dem Bühnenmeister oder einem nicht namentlich benannten Tenor, um deren künstlerische Spießigkeit vorzuführen.
Wollten sie doch gar an den pathetischen Ritualen der Oper festhalten, statt sich seiner revolutionären Inszenierungswut zu beugen; behelligten sie ihn doch mit Kleinkram wie pünktlichem Probenbeginn, der korrekten Nutzung der zugeteilten Parkplätze oder der Verwendung bestimmter Stoffe im Hinblick auf den Klang von Stimmen und Musik.
Muffatwerk
Lasst mich nach Bayreuth: Quasi-Wagnerianer SchlingensiefBesonders Wolfgang und Gudrun Wagner bekommen ihr Fett weg. Die Beherrscher des grünen Hügels tituliert Schlingensief mit einem Zitat von Jürgen Flimm als ein Paar wie "Siegfried und Roy, nur mit dem Unterschied, dass sie keinen Sex mehr haben". Wolfgang Wagners Entsetzen über eine so dicke wie nackte Urmutter, die in Schlingensiefs "Parsifal" über die Bühne hüpfte, kontert der bekennende Nicht-Provokateur nun mit dem Hinweis, dass Wagner sich doch gern eine Videocassette mit dem Auftritt der Urmutter ausgeliehen habe, "als seine Gattin zum Ayurveda-Wochenende in Bad Wörishofen weilte".
Geheime Gier nach Grünen Hügeln
So sehr sich Schlingensief aber bemüht, Tiefschläge zu verteilen, so sehr spricht aus jedem Brief der innigste Wunsch der tief gekränkten Künstlerseele: Lasst mich wieder nach Bayreuth, ich liefere auch jeden Skandal, den ihr wollt! Schon während der Vorstellung in der Muffathalle beschleicht den Beobachter das Gefühl, dass es genau so wieder kommen wird. Wagner wird sich über Schlingensief aufregen, der beleidigt zurückkeilen, und am Ende gibt es den "Parsifal", vielleicht mit Pute und Mango-Chutney.
Aber brauchte es dafür nun die ganze "Fickcollection", diese zweieinhalb Stunden lange Performance, die ebenso wie die Pute viel zu opulent geraten ist? Eher nicht. Da hätte es gereicht, ein paar Schnitzel in die Pfanne zu hauen, zwischendurch die Briefe zu verlesen und den Kunstbetrieb vom Galeristen bis zum Kritiker als oft selbstgefällige Nabelschau aufzuspießen, wie es Schlingensief bis in die kleinste Nuance hinein wunderbar versteht.
Muffatwerk
Randale-Routinier Schlingensief: Ohne Nazis geht natürlich nichtsStattdessen muss er, der die Rituale von Theater, Ausstellung, Oper, Fernsehshow als lächerlich verachtet, geradezu zwanghaft den Gesetzen seines eigenes Genres, der, gähn, provokativen Performance gehorchen und alles auffahren, was niemand mehr sehen will, der schon mal vor einer Bühne gesessen hat. In einer Videoeinspielung zertrümmert ein tobender Mob einen Gemüseladen, mittendrin ein straff gescheitelter Tomatenschmeißer in brauner Uniform und mit Hakenkreuz-Armbinde. Ohne Nazis geht natürlich gar nichts.
An anderer Stelle brüllt Schlingensief für eine solche Vorstellung total unverzichtbare Worte wie "Ficken", "Fotze" und "Pipikacka" ins Publikum, am Ende tummeln sich auf der Bühne lauter skurrile Gestalten, die französische Chansons vor sich hin delirieren, ein Kreuz mit angenagelten Huhn hin- und herschleppen oder totes Fleisch sezieren. Schönberg und Wagner dröhnen aus den Lautsprechern.
Schließlich tritt Schlingensief mit wallend roter Perücke, nackten Beinen und knallroten Plateauschuhen auf und zerfetzt die gegarte Pute. Da sind allerdings nicht wenige Besucher längst nach Haus gegangen, der Rest applaudiert brav und müde. Keine Buhs, null Begeisterung. Bayreuth ist spannender.
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Schlingensiefs einwöchige Deutschland-Tour "Die Fick Collection"
führt über Köln (14.3.), München (15.3.) und Frankfurt am Main (16.3.) nach Hamburg (17. und 18.3.).
18. März 2005 Druckversion | Versenden | Leserbrief
WELTBANK
Wolfowitz sucht die Nähe von Bono
Die Nominierung von US-Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz zum Weltbank-Chef hat weltweit für Unruhe gesorgt. Angesichts des Widerstands gegen seine Person sucht der als "Falke" gescholtene Irak-Krieg-Befürworter nun die Nähe zu seinen Kritikern.
AP
Bono (l., mit U2-Kollege The Edge): Anregende Unterhaltung mit WolfowitzWashington - Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen Wolfowitz-Berater, wonach der stellvertretende Verteidigungsminister länger mit dem irischen Rockstar Bono telefoniert habe. Bono, Sänger der Band U2 und bekannt für sein Dritte-Welt-Engagement, war zwischenzeitlich selbst als Weltbankchef gehandelt worden.
In dem Gespräch sei es um die Weltbankpräsidentschaft gegangen. Demnach hätten sich beide über Möglichkeiten der Armutsbekämpfung ausgetauscht. Die Unterhaltung sei sehr angeregt und detailliert gewesen, hieß es.
Das Kalkül dahinter dürfte klar sein: Wolfowitz arbeitet daran, seine Kritiker zu besänftigen. Seine Nominierung durch US-Präsident George W. Bush war weltweit auf Widerstand gestoßen, zumal der Pentagon-Vize als treibende Kraft hinter dem Krieg gegen den Irak gilt.
Wolfowitz selbst hat Handlungsbedarf erkannt. So kündigte er gegenüber der "Financial Times" an, sich bald mit europäischen Finanz- und Entwicklungshilfeministern treffen zu wollen. Dort gibt es für ihn noch viel zu tun. "Die Begeisterungsstürme im alten Europa halten sich in engen Grenzen", kommentierte etwa Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) seine Nominierung.