IRAK
Alliierte beschädigen Ruinen von Babylon
Nach ihrem Einmarsch in Bagdad hatten die Koalitionstruppen den Plünderungen
wertvoller Kulturschätze tatenlos zugesehen und damit die Weltöffentlichkeit
empört. Lehren scheinen sie daraus aber nicht gezogen zu haben: Britischen
Archäologen zufolge haben sie schwere Schäden an den antiken Stätten
der Stadt Babylon angerichtet.
AP
Polnisches Militärlager vor Babylon: 2600 Jahre alte Prozessionsroute
aufgerissenLondon - "Das ist in etwa so, als wenn man ein Militärlager
um die großen Pyramiden von Ägypten oder um Stonehenge in Großbritannien
einrichten würde", schreibt John Curtis, Konservator des Britischen
Museums, in dem Bericht, der am Samstag auszugsweise von der Londoner Zeitung "The
Guardian" veröffentlicht wurde. Ein US-Militärsprecher in Bagdad
sagte dagegen, die Soldaten ließen große Sorgfalt walten. Möglicherweise
würden einige Einheiten aber demnächst verlegt, um die Ruinen von
Babylon zu bewahren.
Das Lager war im April 2003 eingerichtet worden, um Babylon vor Räubern
und Vandalen zu schützen. Der Bericht kritisiert jedoch die Entscheidung,
sich nicht auf eine Bewachung des Ausgrabungsortes zu beschränken, sondern
in seiner unmittelbaren Nähe ein ausgedehntes Lager aufzubauen. Nach Beobachtungen
von Curtis sind unter anderem die Drachen des berühmten Ischtartors beschädigt,
weil jemand versucht hat, Ziegelsteine heraus zu brechen. Der Belag der 2600
Jahre alten Prozessionsroute durch das Tor sei durch Militärfahrzeuge
aufgerissen.
Noch nicht erschlossene Stellen der Ausgrabungsstätte seien mit abgelassenem
Benzin aus Panzern verseucht oder unter abgeladenem Schotter begraben. Zahllose
archäologische Fragmente seien von den Soldaten zusammen mit Erdreich
in Tausende von Sandsäcken abgefüllt worden.
Seine Untersuchung könne keineswegs als vollständig betrachtet werden,
schrieb Curtis. Vielmehr sei eine größere, internationale Untersuchung
nötig, um alle Schäden festzustellen. Es müssten auch internationale
Mittel bereitgestellt werden, um die Denkmäler wieder herzustellen. Die
Iraker allein könnten das nicht leisten, sagte der Experte dem "Guardian".
Der Zeitung zufolge soll Babylon an diesem Samstag wieder dem irakischen Kulturministerium
unterstellt werden.
Lord Redesdale, der Vorsitzende einer parteiübergreifenden archäologischen
Gruppe des britischen Parlaments, sagte: "Empörung ist kaum das richtige
Wort, das ist einfach entsetzlich. Was die amerikanischen Soldaten da tun,
schadet nicht nur der Archäologie des Iraks, sondern beschädigt das
kulturelle Erbe der ganzen Welt."
Babylon war eine der ersten Großstädte der menschlichen Zivilisation
und gelangte vor 2600 Jahren unter Nebukadnezar zu Weltruhm. Er errichtete
unter anderem die Hängenden Gärten, eines der sieben Weltwunder.
Nach der Eroberung durch die Perser im Jahr 538 vor Christus versank die Stadt
jedoch in die Bedeutungslosigkeit, bei Ausgrabungen im 19. Jahrhundert wurden
nur noch die Fundamente der einst mächtigen Bauten gefunden.