Nicht nur mit Jessica Schwarz und Dominik Graf, auch mit „Kammerflimmern“-Regisseur
Hölzemann verbindet Sie ein intensives Arbeitsverhältnis. Auch
an Ihrem nächsten Film, „Schiller“, arbeitete er als Co-Autor
mit.
Schweighöfer: Die Idee, „Schiller“ gemeinsam zu machen,
entstand beim Abschlussfest zu „Kammerflimmern“. Wir haben noch
viel miteinander vor, weil wir uns intellektuell auf einer Ebene befinden.Haben
Sie sich zur Vorbereitung auch „Friedrich Schiller – Triumph
eines deutschen Genies“ mit Horst Caspar angesehen? Dessen Darstellung
des Dichterfürsten war in Kriegszeiten ein subversives Pamphlet gegen
den Nationalsozialismus.
Schweighöfer: Was Horst Caspar da gespielt hat, finde ich bei aller
Bewunderung für ihn eine vollkommene Fehlinterpretation Schillers. Schiller
war kein Nationalmann, kein politischer Verfechter. Allein die Szene, als
Horst Caspar bei der „Räuber“-Premiere ist, das Publikum
klatscht und er als der Autor des Stücks aufsteht und sich präsentiert,
zeigt, dass er Schiller nicht begriffen hat. Schiller war gegenüber
seinen eigenen Werken absolut pessimistisch eingestellt. Er sagte immer,
dass es alle anderen Schauspieler gar nicht spielen könnten, und er
es eher selbst machen müsse. Nach allem, was ich in der Deutschen Staatsbibliothek
gelesen habe, wird immer der Fehler gemacht, Schiller als Schönheitsideal
aufzubauschen. Schiller aber war in Wirklichkeit dreckig und verkommen, körperlich
krank und innerlich tot, schlicht eine kaputte Seele.
In diesem Jahr feiern sie 200 Jahre Schiller.
Der einzige, der diesen Texten gemäss die Heldenseiner Texte in unserer Zeit darstellte und ihn, war Horst Caspar in dem nach ihm benannten Film aus dem Jahre 1940. Kommt nicht vor in all dem Getümmel ihrer Programme. Weil er bei Veit Harlan auftrat, als einer seiner schönsten Heldern? oder vergessen oder, weil sie inzwischen so sind, wie sie inzwischen sind, nach dem Einbruch von 68?
Also doch nicht eine Sache von Gut und Böse, eher von Schlecht und Genialität, auch zwischen 33 und 45, denn dort auch verboten sie dann den Tell des Freiheitskampfes gegen den Tyrannen? Hans Mayer aus der Reihe der Emigranten wie Kortner und Aufklärer in Wort und Kritik und Freund Brechts aber auch des Meisters von Bayreuth verweigerte zuletzt den Gang
in die Theater solcher Erben, bis er starb.
Also doch auch die Rettung der deutschen Geistes aus der jüdischen Variante des deutschen Wesens. Nach ihrer Verantwortung für 68? Nicht die Hitleranhängerschaft und deren Gegner stehen hier gegeneinander. Und nicht war Schiller zu okkupieren oder nun zu meiden, weil des göttlichen Pathos reichster Sohn, was die Hitlerwelle mitgetragen, sich zugemessen, angemasst, und so auch mancher Anhänger Bestes erweckt.
In den historischen Büchern zum Film wird dieser Darsteller Schillers nun kaum erwähnt. Er starb früh. Und gehörte zu denen, die ihre Wirkung aus meditativen Gründen beziehen. Wohl weniger aus dem, woher sie ihre Aura beziehen, als dadurch wie man sie als Firgur der Gesten und Träger der Texte solcher Ahnen im Anschauen und -Hören meditativ erfährt.
Horst Caspar tat sich dann mit der jungen Antje Weisgerber zusammen, wie diese später mit Oskar Werner. Helden solcher Herkunft waren sie dann immer insbesondere als Darsteller der Liebenden vor dem Publikum und aus den grossen Texten solchen Sehnens. Neben dem Krieg der Taten im Felde der Völker, wenn sie aufeinander stiessen, war es hier in den Armen der Schönheit das Drama, wo sie sich beweisen mussten im Scheitern vor den Realitäten, die nun in den Kitsch gekommen als Gegenstand der verlorenen Tragödien, ohne Kriege ganz verkamen in pornografischem Gewerbe. Schiller also ist auf den Bühnen dieser Zeit ein zutiefst unzeitgemässer Autor einsame Menschen, die nicht mehr wissen warum.Wo Einsamkeit selbst nicht mehr geht und sie doch die Theater nicht los werden. In aufgeregtem Gefummel der Gelangweilten in der Mast einer Kunst am Bau, der keiner mehr ist.