Der populäre TV-Komiker Dieudonné hat sich mit Scherzen über
Israel ins Abseits gewitzelt - und sieht sich als Opfer einer jüdischen
Verschwörung
AUS PARIS DOROTHEA HAHN
"
Heil Israel" lauteten die letzten Worte von Dieudonné im französischen
Fernsehen. Er sprach sie mit flach ausgestreckter Hand vor 4,5 Millionen Zuschauern.
Für den Anlass hatte er sich als orthodoxer Rabbiner verkleidet. Bevor
er sich mit dem Hitlergruß verabschiedete, trug er ein Loblied auf die "amerikanisch-zionistische
Achse des Guten" vor.
Der einminütige Sketch in einer Abendsendung von "France 3" markiert
das Ende einer steilen Karriere im französischen Showbusiness. Seit jenem
1. Dezember hagelt es Demonstrationen, Auftrittskündigungen und juristische
Verfahren, wo immer Dieudonné auf dem Programm steht. Ihren vorläufigen
Höhepunkt hatten die Proteste am Freitag. Da wollte der Komiker sein neues
Ein-Mann-Stück "Le Divorce de Patrick" ("Patricks Scheidung")
in der legendären Pariser Halle "Olympia" vorführen.
Je näher der Termin rückte, desto zahlreicher wurden die Drohanrufe
im "Olympia". Darunter solche anonymen Anfragen: "Was halten
Sie von einer lebendigen Fackel im Theater?" Nachdem der Polizeipräfekt
zusätzliche Sicherheitsgarantien für den Komik-Abend verlangte, sagte
das "Olympia" ab. Ein Einspruch von Dieudonné vor Gericht
konnte nichts an dem Auftrittsverbot ändern.
Am Freitagabend marschiert eine Einheit von mit Helmen und Gasmasken ausgestatteten
CRS-Polizisten vor dem "Olympia" auf. Dieudonné hat seine
Fans auf die gegenüberliegende Seite des Boulevards bestellt. An die 2.000
sind gekommen. Sie skandieren: "Meinungsfreiheit". Tragen gelbe Sticker
mit dem Text: "Ich bin kein Antisemit, wenn ich die Besatzungspolitik
verurteile". Und erklären: "In Frankreich darf man über
alles Witze machen: Behinderte, Frauen und Schwarze. Aber wenn es um jüdische
Extremisten geht, wird die Justiz eingeschaltet."
Der Komiker gibt Interviews, bei denen er von sich selbst in der dritten Person
redet: "Man darf weder Dieudonné MBala MBala das Wort verbieten
noch den Schwarzen überhaupt." Sein Publikum begrüßt er
als "Nachfahren der Sklaven" und als "Araber, Schwarze und Weiße".
Hält die Finger wie einst Martin Luther King zum Victory-Zeichen hoch.
Und trägt einen Sketch vor, der sich dieses Mal nicht gegen den Extremismus
der Siedler in den besetzten Territorien richtet, sondern gegen den der "Equipe
des 11. September".
Der 38-jährige Dieudonné kam in einer Pariser Vorstadt im Mittelschichtmilieu
zur Welt - als Sohn einer Bretonin und eines Kameruners. Als Komiker gründete
er mit 24 eine Produktionsfirma, spielte in zahlreichen Filmen (darunter als
Caius in "Asterix und Obelix, Mission Cléopatre") und eröffnete
ein eigenes Theater (La Main dOr) in Paris. Parallel bastelte er an einer politischen
Karriere. 1997 kandidierte er auf einer linken Liste für das Parlament
- und bekam auf Anhieb mehr als 7 Prozent. 2002 versuchte er - an der Spitze
seiner "Partei der Utopisten" - für die Präsidentschaftswahlen
zu kandidieren. Ihm fehlten bloß die nötigen 500 Patenschaftsunterschriften.
Als Antisemit ist Dieudonné früher nicht in Erscheinung getreten.
Auch nicht als der Fürsprecher irgendeiner Bürgerrechtsbewegung.
Wohl aber als engagierter Komiker, der keine Provokation scheute. Schon 2002
stand er vor Gericht, nachdem er auf der Bühne erklärt hatte, das "Charisma
von Bin Laden" gefalle ihm besser als "jenes von Bush". Er wurde
freigesprochen. Dieses Mal lautet die Anklage auf "Aufruf zum Rassenhass".
Und Dieudonné hat seine Lage nach dem TV-Sketch, den selbst viele Fans
für misslungen halten, noch deutlich verschlechtert. Unter anderem beschimpfte
er die jüdischen Vereinigungen, die gegen ihn klagen, als "einstige
Sklavenhändler, die ins Bankgeschäft umgestiegen" seien. Das
tat er in einem Zeitungsinterview. Es fällt daher nicht unter die Rubrik
der geschützten künstlerischen Ausdrucksfreiheit auf der Bühne.
taz Nr. 7291 vom 23.2.2004, Seite 19, 146 Zeilen (TAZ-Bericht), DOROTHEA HAHN
taz muss sein: Was ist Ihnen die Internetausgabe der taz wert?