Aktuell
"
GEFAHR FÜR DEN WELTFRIEDEN"
EU distanziert sich von eigener Umfrage
Peinlich, peinlich: Eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Umfrage
ergab, dass die EU-Bürger in Israel die größte Gefahr für
den Weltfrieden sehen. Rang zwei geht an eine etwas andere Achse des Bösen
bestehend aus Iran, Nordkorea - und den USA. Nachdem aus Israel scharfe Kritik
kam, distanzierte sich Brüssel rasch.
Brüssel - Der amtierende EU-Ratsvorsitzende und italienische Ministerpräsident
Silvio Berlusconi verurteilte in einem Telefonat mit seinem israelischen Amtskollegen
Ariel Scharon die Umfrage. Er sei "überrascht und empört",
teilte Berlusconi nach Angaben seines Amtes Scharon mit. Die gestellte Frage
sei "abwegig", und er sei überzeugt, dass es sich beim Ergebnis
der Umfrage überhaupt nicht um die tatsächliche Haltung der Europäer
gegenüber Israel handele.
Italiens Außenminister Franco Frattini versicherte ebenfalls, die EU habe
Israel immer als ein Land gesehen, das fest in demokratischen Werten und Institutionen
verankert sei. "Unsere Enttäuschung wird noch größer durch
das volle Bewusstsein der Union, dass die israelische Bevölkerung hart
von Terrorismus getroffen ist."
Israel und Nordkorea in Deutschland gleichauf
Der israelische Außenminister Silwan Schalom hatte zuvor erklärt,
die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Umfrage sei auf unverantwortliche
Weise erstellt worden und verzerre die Wirklichkeit.
In der Erhebung sahen 59 Prozent der Befragten in Israel eine Gefahr für
den Frieden in der Welt. Israel führte damit die Rangliste der als gefährlich
eingeschätzten Staaten noch vor Iran, Nordkorea und den USA mit jeweils
53 Prozent an. In Deutschland sahen sogar 65 Prozent der Befragten in Israel
eine Gefahr für den Frieden. Israel lag damit in Deutschland gleichauf
mit Nordkorea.
Prodi: Kein Einfluss auf unsere Politik
Schalom distanzierte sich ungeachtet seiner Kritik an der Studie von Äußerungen
des israelischen Jerusalem-Ministers Natan Scharansky, der die Umfrage als Beleg
dafür sah, dass hinter politischer Kritik an Israel reiner Antisemitismus
stehe. "Wie in der Vergangenheit, als Juden als der Satan und schuldig
an allem Bösen der Welt beschrieben wurden, macht die aufgeklärte
Welt von heute Israel für alle Krankheiten der Welt verantwortlich",
hatte Scharansky erklärt.
Schalom sagte dagegen der Zeitung "Haaretz", die Umfrage sei kein
Beweis für Antisemitismus. Sie spiegele vielmehr wider, dass in den Medien über
Israel mehr berichtet werde als über Iran oder Nordkorea.
Dagegen sagte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi in New York, die Umfrage-Ergebnisse
deuteten auf eine "anhaltende Voreingenommenheit hin, die zu verurteilen
ist". Antisemitismus dürfe nicht toleriert werden. Die Ergebnisse
spiegelten nicht die Meinung der EU-Kommission wider und würden auch keinen
Einfluss auf ihre Nahostpolitik haben.
"
Emotionale Kluft"
Die israelische Vertretung bei der EU erklärte, die Umfrage zeige, wie
groß die emotionale Kluft zwischen Israel und Europa sei. Für die
Ergebnisse seien auch die Medien verantwortlich, die in ihrer Nahost-Berichterstattung
häufig einseitig und emotional berichteten. Israels verzweifelter Kampf
um Frieden und Sicherheit für sein Volk ist bis zur Unkenntlichkeit verfälscht
worden.
Das Meinungsforschungsinstitut EOS Gallup Europe hatte im Auftrag der EU-Kommission
7515 EU-Bürger befragt. Die Meinungsforscher hatten vom 8. bis zum 16.
Oktober je 500 Bürger in allen 15 EU-Staaten telefonisch interviewt. Ihnen
wurden 15 Länder genannt mit der Frage, ob davon eine Bedrohung für
den Weltfrieden ausgehe. Nach den Palästinensern sei deshalb nicht gefragt
worden, weil Palästina kein Staat sei, erläuterte der Kommissionssprecher.
Nur in Deutschland und Italien teilt eine Mehrheit die Auffassung, von den
USA gehe keine Bedrohung aus. In allen anderen EU-Länder dagegen überwiegt
die gegenteilige Einschätzung - in Griechenland meinen sogar 88 Prozent
der Befragten, die USA bedrohten die Welt. Die Umfrage ist Teil einer Serie
regelmäßiger Umfragen der Kommission. Nach Angaben der Kommission
wurden die Fragen von Beamten und nicht von politischen Gremien entworfen.
DRUCKVERSION
ARTIKEL VERSENDEN
LESERBRIEF SCHREIBEN© SPIEGEL ONLINE 2003
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH
REISE | POLITIK | WIRTSCHAFT
03. November 2003
Exklusiv
Finanzen:
Auch Eichel für radikale Steuerreform
CDU-Politiker Hohmann:
Rechte Tiraden aus der Union
Britische Opposition:
Howard soll die Tories retten
Irak-Krise:
Bushs Vietnam
Opinion: Iraq War III
ANZEIGE
SPIEGEL-Dossiers
Russland:
Auf dem Weg zur sozialen Markt-
wirtschaft?
Arbeitslosigkeit:
Wer arbeitet ist der Dumme
Rente:
Das Rentensystem vor dem Kollaps
Aktuell
FDP-Krisengipfel:
Die Rückkehr des glücklichen Guido W.
Terror im Irak:
Bush schließt Rückzug aus
Irak-Krieg:
Struck reanimiert Konfrontation mit USA
"Gefahr für den Weltfrieden":
EU distanziert sich von eigener Umfrage
Kolumne Frisch aus
dem Notebook:
SPIEGEL-
Reporter
berichten aus allen Teilen der Welt
Forum
CDU/CSU:
Wie sozial soll die Union sein?
Kanzlerkurs:
Wie viel Streit verträgt die SPD?
Autobahngebühr:
Eine faire Regelung für alle?
Themen
Bayern:
Landtagswahl 2003
Ein Land, zwei Völker:
Die Nahostkrise
Nordkorea:
Amerikas zweite Front
Irak-Krieg:
Ringen um den Frieden
Rückblick:
Die Bremen-Wahl
11.9. - Zwei Jahre danach:
Bushs endloser Krieg gegen den Terror
[ Home | Politik | Wirtschaft | Netzwelt | Panorama | Kultur | Wissenschaft
| UniSPIEGEL | Sport | Auto | Reise ]
[ Wetter | Marktplatz | Schlagzeilen | Forum | Leserbriefe | Newsletter
| Archiv | Shop ]
[ DER SPIEGEL | SPIEGEL TV | SPIEGEL-Jahrbuch | KulturSPIEGEL
| SCHULE@SPIEGEL ]
[ Impressum | Hilfe | Kontakt | SPIEGEL-Gruppe | Mediadaten ]