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ANTISEMITISMUS-AFFÄRE
CDU-Politiker Hohmann soll Posten verlieren
Nach dem Willen von CDU-Chefin Angela Merkel soll der hessische Abgeordnete Martin Hohmann künftig nicht mehr als Berichterstatter im Bundestags-Innenausschuss auftreten. Einige Unions-Kollegen und der Zentralrat der Juden forderten nach Hohmanns antisemitischen Äußerungen zusätzlich dessen Ausschluss aus der Fraktion.
DPA
CDU-Rechtsaußen Hohmann: "Es war nicht meine Absicht"Berlin - Merkel wolle Hohmann den Posten als Berichterstatter im Innenausschuss für die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter entziehen, hieß es am Sonntag in Unions-Kreisen. Darüber hinaus gebe es derzeit jedoch keine Festlegungen, sagte eine Fraktionssprecherin am Sonntag in Berlin.
Merkel unterstützt damit die strikte Auffassung ihres Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. Dieser hatte der "Bild am Sonntag" gesagt: "Ganz gleich, wie sich Martin Hohmann äußert: Diese Position (als Berichterstatter) muss er sofort aufgeben. Wenn er weiter so stur bleibt, dann muss er mit weiteren Konsequenzen rechnen. Dann schließt er sich selbst aus der Fraktionsgemeinschaft aus."
Ein Sprecher des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch sagte am Sonntag, dieser habe Hohmann bei einem Telefonat sehr deutlich gemacht, dass er seine Äußerungen für unakzeptabel halte und missbillige. "Er hat ihn dringend aufgefordert, sich zu entschuldigen und ihm alle möglichen Konsequenzen vor Augen geführt, wenn er dies nicht tut." Daraufhin erklärte Hohmann: "Es war nicht meine Absicht, die Einzigartigkeit des Holocausts zu leugnen. Es war nicht meine Absicht, die Juden als Tätervolk zu bezeichnen. Wenn gleichwohl ein anderer Eindruck entstanden ist, entschuldige ich mich dafür ganz ausdrücklich und bedauere es, wenn ich dadurch Gefühle verletzt habe."
Der CDU-Abgeordnete Uwe Schummer forderte dennoch den Ausschluss Hohmanns. "Wenn das Hohmanns Denke ist, hat er weder in der CDU noch in der Unionsfraktion etwas zu suchen", sagte Schummer dem "Kölner Stadt- Anzeiger". Seine Fraktionskollegin Ursula Heinen sagte der Zeitung: "Die Rede war klar antisemitisch. Ich habe Probleme, mit so jemandem in einer Fraktion zu sitzen." Das CDU-Präsidiumsmitglied Hermann-Josef Arentz und der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz forderten ein Parteiordnungsverfahren gegen Hohmann.
Auch in anderen Parteien verstummte die Kritik nach Hohmanns Entschuldigung nicht. Volker Beck, Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, blieb bei seiner Forderung, dass sich die CDU von ihrem Abgeordneten trennen müsse. Er forderte von Hohmann, sich für den gesamten Inhalt der Rede zu entschuldigen. Die Gleichsetzung von "Bolschewiken" und Juden - Standard-Stereotyp der nationalsozialistischen Propaganda - stehe immer noch im Raum. Hinzu komme, dass Hohmann mehrfach durch Minderheitenfeindlichkeiten und extremen Nationalismus aufgefallen sei. "Er hat kaum Gelegenheiten ausgelassen, andere zu diffamieren."
Der Zentralrat der Juden forderte ebenfalls einen Ausschluss Hohmanns aus der CDU-CSU-Fraktion. Nach eigenen Angaben wird überdiese eine eine Klage wegen Volksverhetzung geprüft. Auch wenn Hohmann seine Äußerungen über Juden relativiert habe, könne von einer ernst zu nehmenden Entschuldigung keine Rede sein, hieß es in einer Mitteilung des Zentralrats.
Vor seiner Entschuldigung hatte Hohmann seine Äußerungen über die Juden als "Tätervolk" mehrfach verteidigt. "Ich bin bei der Wahrheit geblieben", sagte er noch am Samstag der "Fuldaer Zeitung". Er habe in der Rede "genau das Gegenteil" von dem ausgeführt, was ihm vorgeworfen werde.
Hohmann hatte bei seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in seinem Heimatort Neuhof bei Fulda gesagt, vor allem jüdisch-stämmige Bolschewisten seien für die Verbrechen während der kommunistischen Revolution in Russland verantwortlich. "Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen."


Daraufhin erklärte Hohmann: "Es war nicht meine Absicht, die Einzigartigkeit des Holocausts zu leugnen. Es war nicht meine Absicht, die Juden als Tätervolk zu bezeichnen. Wenn gleichwohl ein anderer Eindruck entstanden ist, entschuldige ich mich dafür ganz ausdrücklich und bedauere es, wenn ich dadurch Gefühle verletzt habe."

 
Der CDU-Abgeordnete Uwe Schummer forderte dennoch den Ausschluss Hohmanns. "Wenn das Hohmanns Denke ist, hat er weder in der CDU noch in der Unionsfraktion etwas zu suchen", sagte Schummer dem "Kölner Stadt- Anzeiger". Seine Fraktionskollegin Ursula Heinen sagte der Zeitung: "Die Rede war klar antisemitisch. Ich habe Probleme, mit so jemandem in einer Fraktion zu sitzen." Das CDU-Präsidiumsmitglied Hermann-Josef Arentz und der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz forderten ein Parteiordnungsverfahren gegen Hohmann.
Auch in anderen Parteien verstummte die Kritik nach Hohmanns Entschuldigung nicht. Volker Beck, Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, blieb bei seiner Forderung, dass sich die CDU von ihrem Abgeordneten trennen müsse. Er forderte von Hohmann, sich für den gesamten Inhalt der Rede zu entschuldigen. Die Gleichsetzung von "Bolschewiken" und Juden - Standard-Stereotyp der nationalsozialistischen Propaganda - stehe immer noch im Raum. Hinzu komme, dass Hohmann mehrfach durch Minderheitenfeindlichkeiten und extremen Nationalismus aufgefallen sei. "Er hat kaum Gelegenheiten ausgelassen, andere zu diffamieren."
Der Zentralrat der Juden forderte ebenfalls einen Ausschluss Hohmanns aus der CDU-CSU-Fraktion. Nach eigenen Angaben wird überdiese eine eine Klage wegen Volksverhetzung geprüft. Auch wenn Hohmann seine Äußerungen über Juden relativiert habe, könne von einer ernst zu nehmenden Entschuldigung keine Rede sein, hieß es in einer Mitteilung des Zentralrats.
Vor seiner Entschuldigung hatte Hohmann seine Äußerungen über die Juden als "Tätervolk" mehrfach verteidigt. "Ich bin bei der Wahrheit geblieben", sagte er noch am Samstag der "Fuldaer Zeitung". Er habe in der Rede "genau das Gegenteil" von dem ausgeführt, was ihm vorgeworfen werde.
Hohmann hatte bei seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in seinem Heimatort Neuhof bei Fulda gesagt, vor allem jüdisch-stämmige Bolschewisten seien für die Verbrechen während der kommunistischen Revolution in Russland verantwortlich. "Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen."


IN SPIEGEL ONLINE
·  CDU-Politiker Hohmann: Der ganz rechte Weg (03.11.2003)
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REISE | POLITIK | WIRTSCHAFT

Den Herbststurm der Entrüstung, der jetzt um den Protectosil-Wetterschutz tobt, kann Efinger nicht verstehen: "Wir können beweisen, dass alle relevanten Stellen zu jedem Zeitpunkt davon wussten, dass wir das Degussa-Produkt verwenden werden. Nie hat jemand dagegen Einspruch erhoben." Die Senatverwaltung für Stadtentwicklung als Bauherr, die Stiftung als Auftraggeber und das Architekturbüro hätten im Angebot der EAG nachlesen können, dass Protectosil verwendete werden würde. "Dazu stehen wir, das ist das beste Produkt auf dem Markt." Wenn es die Stiftung versäumt habe, ihr eigenes Kuratorium zu informieren, dürfe das nicht das Problem der EAG werden, sagt Efinger, der um seinen 500.000-Euro-Auftrag fürchtet. "Nur weil Frau Rosh ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, werden wir uns nicht einfach so nach Hause schicken lassen."
" Das Politikum wurde nicht erkannt"
Rosh hatte noch am Wochenende behauptet, nichts von der Degussa-Beteiligung gewusst zu haben. Dem widersprach die Geschäftsführerin der Stiftung, Sibylle Quack, am Montag. "Dass Degussa im Spiel ist, war schon früher bekannt", sagte Quack gegenüber SPIEGEL ONLINE. Gegenüber der technischen und ästhetischen Begeisterung für das Produkt sei "der politisch-kommunikative Aspekt jedoch ins Hintertreffen geraten". Besonders der Architekt Eisenmann habe sich von dem Anti-Graffiti-Schutz begeistert gezeigt.
DPA
Architekt Eisenmann: Begeistert von der Ästhetik des Degussa-ProduktsAuch die Senatskanzlei für Stadtentwicklung wusste von dem Einsatz der 40 Tonnen Protectosil. "Im Zuge der Auftragsvergabe haben unsere Sachbearbeiter das Angebot der EAG fachlich und rechtlich geprüft. Ihnen ist der Name Degussa zwar aufgefallen, aber daran, dass diese Firma einen Lack liefert, hat sich keiner gestoßen", sagt Philipp Mühlberg, Büroleiter von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder. "Da haben unsere Mitarbeiter das Politikum nicht erkannt und deshalb die politische Leitung des Hauses nicht verständigt." Wie Quack betont auch Mühlberg, dass die Degussa sich geradezu vorbildlich um die Aufarbeitung ihrer Unternehmensgeschichte bemüht.
Die Konkurrenz sitzt in der Schweiz
Dafür, dass der Oberflächenschutz der Mahnmals-Stelen ausgerechnet jetzt ganz genau unter die Lupe genommen wird, gibt es vordergründig keinen Anlass. Vermuten kann man, dass ein Kleinkrieg im Baugewerbe dahinter steckt. Denn die ersten Presseberichte zu dem geschichtsträchtigen Imprägnierschutz kamen vor zehn Tagen ausgerechnet aus der fernen Schweiz. Dort sitzt mit der PSS Interservice ein Unternehmen, das die 56.000 Quadratmeter Mahnmalsoberfläche auch gern versiegelt hätte.
Es habe "weh getan", dass die kleine Konkurrenz-Firma EAG aus Deutschland Ende September den Zuschlag bekommen habe, sagt Andrea Buchli, Geschäftsführer des Geroldswiler Betriebs. Dass er seine Schmerzen - wie im hart umkämpften Baugeschäft durchaus üblich - dadurch zu lindern versuchte, dass er die Konkurrenz bei den Medien anschwärzte, weist er von sich. Er könne jedoch nicht sagen, "ob nicht einige Mitarbeiter mit den Medien über die Schweinerei mit der Degussa gesprochen haben."
Ä rgern wird er sich um den Wirbel, den sich EAG ausgesetzt sieht, jedenfalls nicht. Sollte der Degussa-Streit dazu führen, dass der Mahnmal-Auftrag neu vergeben wird, "werde sich sicher auch die deutsche Tochter der PSS wieder um das Projekt bemühen".
Efinger fühlt sich derweil von den Ereignissen überrannt. "Hier wird eine Suppe sehr, sehr heiß gekocht", klagt der Kleinunternehmer. Er fürchtet um den Ruf seiner Firma und hat den Eindruck, dass die Meinungsführer sich nicht tief genug in die Sachlage eingearbeitet haben und leichtfertig seine Zukunft aufs Spiel setzten. "Wenn Frau Rosh sagt, sie gehe davon aus, die Degussa werde nicht so töricht sein und gegen den Baustopp klagen, hat sie schlicht keine Ahnung wovon sie spricht", sagt Efinger zu entsprechenden Äußerungen, die Rosh am Wochenende gemacht hatte. "Die Degussa hat keinen Vertrag mit den Mahnmals-Institutionen, die liefern uns nur ihre Produkte." Wenn das Geschäft platzt, wäre Efinger derjenige, der klagen müsste. "Und da soll sich Frau Rosh mal nicht so sicher sein, dass wir das nicht tun."


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PANORAMA



" Geiseln der Political Correctness"
Peter Eisenman hat die Entscheidung, keine Degussa-Produkte an den Stelen des Berliner Holocaust-Mahnmals zu verwenden, scharf kritisiert. Man dürfe heute nicht mehr alle Deutschen für die Sünden ihrer Väter und Großväter verantwortlich machen, meint der US-Architekt.
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Architekt Peter Eisenman: "Ich hätte nie mitgewirkt"Berlin - In einem Beitrag für "Die Zeit" schrieb der Mahnmal-Architekt Peter Eisenman, unter den heute noch bestehenden deutschen Firmen, die in das Nazisystem verstrickt waren, gelte "gerade Degussa bei der Aufarbeitung seiner Vergangenheit als Vorreiter". Zudem spiele das Unternehmen eine "führende Rolle bei der Einrichtung eines Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter".
Eisenman fügte hinzu: "Wir können heute nicht mehr alle Deutschen für die Sünden ihrer Väter und Großväter verantwortlich machen." Es gehe darum, "dass wir uns 60 Jahre nach dem Holocaust nicht mehr zu Geiseln der Political Correctness machen lassen dürfen". Er kritisierte: "Wäre das Projekt schon in dem Geist begonnen worden, in dem es nun fortgeführt zu werden droht, hätte ich nie mitgewirkt."
Ä hnlich wie Eisenman sieht es auch der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Ave Primor. "Rational" spreche nichts gegen Degussa, sagte Primor am Mittwoch gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel". Dem Unternehmen war wegen der früheren Produktion des Giftgases Zyklon B für die NS-Vernichtungslager vom Kuratorium der Mahnmal-Stiftung für die ermordeten Juden Europas der Auftrag zum Graffitischutz wieder entzogen worden. Berlins Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) verteidigte indes den Beschluss, das Degussa-Produkt Protectosil nicht mehr zur Imprägnierung der Mahnmal-Stelen zu verwenden.
  Unnötige Einwände gegen Degussa? Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Usern!
" Häufchen Bußsüchtiger"
Als "emotionale Entscheidung" bezeichnete Primor den Auftragsentzug. Es gebe beim Holocaust "eben Dinge, die nicht mit Ratio, also Vernunft, bewertet werden können". Das Unternehmen habe heute "nichts mehr mit der Degussa der NS-Zeit zu tun" und "viel für das Verhältnis zu den Juden getan". So sei von Degussa das Museum der Diaspora in Tel Aviv großzügig unterstützt worden.
Nach Darstellung des Berliner Senators Strieder muss das Kuratorium erst noch entscheiden, was mit den bereits produzierten Stelen geschehen soll. Andere Graffitischutzmittel seien nicht teurer. Er rechne damit, dass der Kostenrahmen und auch der Fertigstellungstermin eingehalten werden können.
IN SPIEGEL ONLINE
·  Mahnmal-Debatte: "Die Zeit drängt" (28.10.2003)
·  Streit um Holocaust-Mahnmal: Spätes Erwachen (27.10.2003)  Unterdessen forderte der jüdische Schriftsteller Rafael Seligmann, auf das Denkmal ganz zu verzichten. Von einem "Häufchen Bußsüchtiger" abgesehen wolle niemand in Berlin dieses Mahnmal. Dieses gleiche "mit seinen gigantomanischen Ausmaßen eher dem Nürnberger Reichstagsgelände" als einem Ort der Besinnung, sagte er dem "Stern".
Schon Paul Spiegel, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, habe davor gewarnt, ein Zuviel an gewollter Belehrung über die Schrecken des Völkermords könne vor allem bei jungen Menschen einen kontraproduktiven Effekt erzielen. Die ermordeten Juden verdienten Trauer und Andenken, betonte Seligmann. Dazu gebe es aber bereits Gedenkstätten.


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29. Oktober 2003