Montag, 23.9.2002









Avneri warnt vor Unfällen im Krieg


Während die letzten deutschen Wähler sich aufmachten, um ihr kleines Votum in die große Waagschale zu werfen, brachen in Tel Aviv Demonstranten auf, die vor dem israelischen Verteidigungsministerium ein Zeichen setzen wollten. Der Krieg, den Ariel Scharon gegen Jassir Arafat angezettelt hat, spottet der Beschreibung. In den vergangenen Tagen haben israelische Truppen mit Panzern und Bulldozern Arafats Amtssitz in Ramallah fast vollständig zerstört. Nur ein Flügel steht noch. Darin haust der Palästinenserführer. Die israelischen Streitkräfte drohen, diesen letzten Teil seines Amtssitzes auch noch zu sprengen, sollten Arafat und seine Gefolgsleute darin bleiben. Angeblich geht es der Regierung um neunzehn Individuen, die „in den Terror verstrickt“ seien.
Die Demonstranten in Tel Aviv wussten, dass sie keine Zeit zu verlieren hatten. Unter ihnen war der Friedenspolitiker und Literat Uri Avneri, der seit langem davor warnt, dass Scharon seinem Widersacher nach dem Leben trachtet. Die israelische Regierung hat zwar erklärt, sie wolle Arafat kein Leid antun, doch wird eine solche Ankündigung in Israel mittlerweile als Zeichen dafür verstanden, dass der Mann in größter Lebensgefahr schwebt. Uri Avneri schreibt: „Ein Zwischenfall ist so schnell herbeigeführt: Soldaten dringen in das Büro, um die gesuchten Palästinenser zu suchen, jemand eröffnet das Feuer, Arafat wird ,aus Versehen‘ erschossen. Vielleicht zieht Arafat seine Pistole, die Soldaten haben dann „keine Wahl‘, sie müssen das Feuer erwidern. Eine Granate könnte ,aus Versehen‘ das Büro treffen, Arafat wird unter dem Schutt begraben. So ist das im Krieg: Da geschehen solche Unfälle.“ Wenn George Bush diese Art „Unfall“ zulasse, werde es die schlimmsten Folgen haben, schreibt Avneri in einem Rundbrief der Friedensorganisation Gush Shalom, Israel und die Juden würden gleichbedeutend werden mit „Verrat, Mord und Lüge“. Millionen Muslime würden den Märtyrer Arafat mit den eigenen Führern vergleichen, und es werde ein Vergleich mit tödlichen Folgen sein.
Derweil dringen Berichte aus Ramallah: Arafats Lebensmittel seien in längstens zwei Tagen aufgebraucht.
augf



 




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